Diskriminierung: Kaum Ärztinnen an der Spitze
"Ich würde gerne Chefärztin in einem Krankenhaus werden", sagt eine Studentin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Warum auch nicht? Frauen haben oft brilliante Noten während des Studiums, viele promovieren. Rein statistisch gesehen müsste es von Frauen in Toppositionen nur so wimmeln, denn zwei Drittel der Medizin-Studierenden sind weiblich.
Aber die Realität sieht anders aus. An der Hochschule der Studentin sind nur acht Prozent der Chefarztposten mit Frauen besetzt, an anderen Hochschulen sieht es ähnlich aus. Laut der Initiatoren des Verbandes Pro Quote Medizin sind deutschlandweit weniger als zehn Prozent der Chefarztposten in weiblicher Hand.
Wenig Chancen für Ärztinnen
Ärztinnen haben kaum eine Chance, an die Spitze zu gelangen. Das wurde auch Inga Meyer (Name geändert) bewusst. Sie hatte immer vor, Karriere zu machen. Sie hatte gute Noten, war viel im Ausland, promovierte. Perfekte Startbedingungen. Doch dann wurde die Ärztin aus Norddeutschland schwanger und reduzierte ihre Arbeitszeit.
Nacht- und Spätschichten übernahm sie weiterhin, versuchte im Betrieb zu bleiben. Doch irgendwann war dieser Spagat zwischen Beruf und Familie für die junge Ärztin nicht mehr zu leisten - sie wechselte die Klinik und das Fachgebiet, ihr Fachwissen ging damit verloren. Viele Männer, mit denen sie studiert hat, arbeiten mittlerweile als Oberarzt.
Karriereknick nach Familienplanung
Der Karriereknick kommt meistens, wenn die Familienplanung losgeht. Teilzeitmodelle für Führungskräfte gibt es kaum. Aber selbst Frauen, die es geschafft haben, berichten von Diskriminierung.
Eine davon ist Inka Wiegratz. Die habilitierte Gynäkologin und zweifache Mutter war Oberärztin am Uni-Klinikum Frankfurt bis sie vom neuen Klinikdirektor plötzlich um eine Hierarchieebene nach unten gestuft wurde. "Ich wurde degradiert. Als ich nach den Gründen fragte, sagte er mir, es ginge darum, den anderen Schwerpunktleiter zu befrieden, und das müsse ich akzeptieren."
Als sie das nicht tat, so erzählt sie, stand sie kurze Zeit später buchstäblich vor verschlossenen Türen: Die Schlösser zu einem wichtigen Laborbereich, für den sie die Verantwortung trug, wurden hinter ihrem Rücken ausgetauscht.
Klinik weist Vorwürfe zurück
Die Universitätsklinik weist die Vorwürfe zurück und verwahrt sich gegen den Vorwurf, Frauen zu benachteiligen. Inka Wiegratz hat mittlerweile Kontakt zu weiteren betroffenen Medizinerinnen. "Einige Männer in der Medizin denken eben, dass das die Frauen so mit sich machen lassen - auch weil sie Kinder haben und dankbar sind, einen Job zu haben", sagt sie. Die Gynäkologin hat die Uniklinik inzwischen verlassen und arbeitet nun an einem Kinderwunschzentrum.
Die Netzwerke der Männer sind anscheinend schwer aufzubrechen. In ruhigen Minuten geben das sogar die Mediziner selbst zu. Keine gute Nachricht für die Studentinnen aus Hannover, die nur hoffen können, dass für sie die Karriere nicht schon endet, bevor sie begonnen hat.
