Drohender Konkurs: Entscheidung über Nord Stream 2 erwartet

Stand: 09.05.2025 12:11 Uhr

Konkurs oder noch eine Gnadenfrist für die Nord Stream 2 AG: Schon einmal hatte das Kantonsgericht im schweizerischen Zug die "definitive" Frist im vorläufigen Konkursverfahren verlängert. Stichtag dafür: der 9. Mai.

von Martina Rathke

Heute wird das Gericht eine Entscheidung fällen müssen - erneute Verlängerung oder Konkurseröffnung über das Vermögen der Nord Stream 2 AG? Käme es zu Letzterem, droht die Versteigerung der Vermögenswerte der zahlungsunfähigen Tochter des russischen Staatskonzern Gazprom. Größter Vermögenswert ist die rund 1.200 Kilometer lange Ostseepipeline, die zwar fertig gestellt wurde, aber nie in Betrieb ging.

"Deutschland muss aufpassen"

Kritiker halten ein solches Szenario für schwierig, weil damit politisch gesteuerte Interessen Oberhand gewinnen könnten, die nicht im Sinne Deutschlands und Westeuropas liegen. "Es gibt ein großes Risiko, dass Nord Stream 2 Teil eines Deals zwischen Putin und Trump wird. Das ist von beiden Seiten schon bestätigt worden, dass man darüber spricht. Und hier muss Deutschland aufpassen", sagt Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe. Die Nord Stream-Pipelines dürften nicht zu einem Spielball in einem geopolitischen Streit werden.

Energiepolitik als Sicherheitspolitik

"Für den Ostseeraum ist die Pipeline schlichtweg vorhanden - der weiße Elefant im Raum", so der Greifswalder Energieexperte, Professor Michael Rodi. Technisch sei eine Wiederinbetriebnahme durchaus denkbar. Die Schäden durch den Anschlag im September 2022 könnten beseitigt werden. Die große Frage sei, welcher Investor sich zukünftig ein Geschäftsmodell für die Pipeline vorstellen könne.

Bedingungen nur teilweise erfüllt

Im Januar dieses Jahres hatte das Schweizer Gericht schon einmal die definitive Nachlassstundung verlängert, um einen Konkurs zu verhindern und einen Vergleich mit den Großgläubigern - den am Bau beteiligten fünf großen westeuropäischen Energiekonzernen -  zu erreichen. Die vom Gericht vorgegebenen Bedingungen für eine solche Einigung, wie die komplette Auszahlung der Forderungen aller rund 150 kleineren Baufirmen, hatte der gesetzlich eingesetzte Sachwalter der Nord Stream 2 AG aber nur teilweise erfüllt. Nicht alle Kleingläubiger erhielten rechtzeitig bis heute ihr Geld.

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Konten gekündigt aus Angst vor Sanktionen

Zumal offenbar noch immer genügend Geld für die Kleingläubiger auf Konten der Sparkasse Vorpommern liegen soll. Dorthin hatte der Bund im Jahr 2023 rund 69 Millionen Euro für den Kauf der Rohre überwiesen, die für das  LNG-Terminal in Mukran benötigt wurden. Doch die Sparkasse hat die Konten gekündigt, aus Angst vor Sanktionen bei Geschäften mit Russland. Das Landgericht Stralsund hat die Kündigungen als rechtmäßig angesehen.

Kleingläubiger: Politik sollte Lösung finden

Der Sachwalter kann über diese Konten die Kleingläubiger nicht bedienen. Bei den Firmen, die immer noch auf ihr Geld warten, kommt das nicht gut an. "Die Erwartungshaltung an die Politik ist, dass Druck gemacht wird und eine Lösung gefunden wird. Es gibt Landesbanken, Kreditanstalten, Patronatserklärungen, dass Geld, das von deutschem Wirtschaftsministerium kommt, an die deutschen Gläubiger verteilt werden darf", sagt Edgar Schwab, Chef der Firma Seaterra. Sein Unternehmen hatte im Sommer 2021 mit Tauchrobotern die Pipeline auf Dichtigkeit geprüft. Eine Rechnung von 117.000 Euro, die er am 22. Februar 2022 stellte, ist bis heute offen.

Weitere Unberechenbarkeiten in geopolitisch schwerem Umfeld

NDR Informationen zufolge könnte das Kantonsgericht heute das Konkursverfahren erneut verlängern und damit das finale Schicksal der Nord Stream 2 weiter offen lassen. Denn: Weitere Unberechenbarkeiten wie einen Ausverkauf der Nord Stream 2 AG in einem insgesamt geopolitisch unbeständigen Umfeld wolle man vermeiden, sagen Insider. 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 09.05.2025 | 11:00 Uhr

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