Neues Prüfverfahren soll Betrug mit Impfausweisen erschweren
Das Fälschen von Impfpässen ist eine Straftat. Und doch floriert der Handel. Seit Donnerstag können Apotheker gefälschte Impfausweise leichter erkennen. 18.000 Apotheken steht die neue Prüffunktion zur Verfügung.
Apothekerinnen und Apotheker könnten nun die Chargennummer der Impfungen mit einer Software direkt online abfragen, wie der Deutsche Apothekerverband (DAV) mitteilte. "Die Apotheken werden immer häufiger mit gefälschten Impfpässen konfrontiert", sagte der DAV-Vorsitzende Thomas Dittrich. Bisher konnten die Apotheken demnach nur überprüfen, ob die Impfausweise vollständig und plausibel sind und zur richtigen Person gehören. "Mit der Chargenprüfung steht den Apotheken nun ein weiteres wirksames Instrument zur Verfügung, um Kriminelle und Urkundenfälscher zu stoppen", sagte Dittrich.
Passen Chargennummern zum Impfstoff und zum Ort?
"Konkret werden Apotheken mit der neuen Funktion sofort prüfen können, ob die im Impfpass vorgelegte Chargennummer zum verimpften Impfstoff passt", sagte Thomas Preis vom Apothekerverband Nordrhein der "Rheinischen Post". Zusätzlich werde geprüft, ob diese Chargen zum angegebenen Impfzeitpunkt an Praxen oder Impfzentren verteilt worden waren.
Die neue Funktion soll deutschlandweit mehr als 18.000 Apotheken zur Verfügung stehen. "Diejenigen, die gefälschte Dokumente vorlegen, werden es jetzt noch schwerer haben, sich digitale Impfzertifikate zu erschleichen", sagte Preis. Das bundeseigene Paul-Ehrlich-Institut und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände haben das neue Verfahren gemeinsam entwickelt.
Nachfrage ist groß
Fälscher verwenden täuschend echt aussehende Aufkleber und Stempel. Für 250 Euro pro Stück werden die nachgemachten Dokumente zum Beispiel auf einem Telegram-Kanal angeboten. Ein lukratives Geschäft; die Nachfrage ist groß.
Nach Angaben des Landeskriminalamts in Niedersachsen liegt die Zahl der Verfahren dort im mittleren dreistelligen Bereich. In Schleswig-Holstein zählt das LKA mehr als 450 Fälle, in Hamburg sind es etwa 300, in Mecklenburg-Vorpommern knapp 100. Die Polizei geht aber davon aus, dass die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher ist.
Belastung für Polizei und Justiz
Für die Strafverfolgungsbehörden seien die gefälschten Impfpässe zu einem echten Problem geworden, warnt Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in Hamburg. "Das bringt uns wirklich an den Rand des Möglichen", sagt er mit Blick auf die Personalsituation.
Wenn die Polizei gefälschte Impfpässe beschlagnahmt, müssen diese von Experten begutachtet werden. Das dauert. Und bis Handys mit gefälschten digitalen Zertifikaten ausgewertet sind, vergehen laut Reinecke in Hamburg mindestens 20 Monate. Kommen die Nachweise aus dem Ausland, dauert es noch länger.
Apotheker fühlen sich alleingelassen
Die meisten Fälschungen fallen in Apotheken auf, wenn sich Kundinnen und Kunden ein digitales Zertifikat erstellen lassen wollen. Die Reaktionen seien ganz unterschiedlich, berichtet Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Apothekerkammer in Schleswig-Holstein. Manche würden die Fälschung sofort zugeben. Das Apothekenpersonal werde aber auch immer wieder beschimpft und bedroht.
Für Unsicherheit sorgt auch die Rechtslage. Das hatten vor Kurzem Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" gezeigt. Viele Apothekerinnen und Apotheker haben demnach Sorge, dass sie mit einer Anzeige bei der Polizei gegen das Berufsgeheimnis verstoßen könnten. Das Bundesgesundheitsministerium und mehrere Staatsanwaltschaften gehen aber davon aus, dass die Schweigepflicht in diesem Fall aufgehoben werden kann.
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