NDR Info im Dialog: Lösungsorientierter Journalismus

Die Berichterstattung zur Klimakrise ist für den öffentlichen rechtlichen Rundfunk eine große Herausforderung: Wie die Brisanz der Lage deutlich machen, ohne dabei zu belehren oder gar abzuschrecken? Wie trotz anhaltender Krisen, für dieses wichtige Thema begeistern? Das sind Fragen, mit denen sich Nachrichtenredaktionen täglich auseinandersetzen müssen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in dieser Gesprächsrunde sind von Anfang an engagiert dabei und bringen viele verschiedene Standpunkte in die Diskussion mit ein.
Den Ernst der Lage benennen
Teilnehmer Finn Viehberg weist gleich zu Anfang darauf hin, dass die Klimakrise zu separat von anderen Krisen betrachtet wird. Dahinter stehe auch die Biodiversitätskrise und andere Aspekte eines sich verändernden Klimas. Redakteurin Ines Burckhardt erklärt, dass im Podcast Mission Klima versucht werde, genau diese Fragen mit einzubeziehen. Teilnehmer Thomas Gerlach findet das sehr gelungen, fragt sich aber, ob es nicht mittlerweile an der Zeit ist, das Wording zu ändern:
"Müssen wir nicht anfangen, von einer Klimakatastrophe zu sprechen, statt von einer Krise?"
Eine Krise verdrängt die andere
Die Redakteur*innen Anna Marohn und Jürgen Webermann geben zu Bedenken, dass zwar Bewusstsein für das Thema geschaffen werden muss, ohne dabei aber einen Sättigungseffekt zu erreichen oder abzuschrecken. Eine Gratwanderung. Jürgen Webermann sieht im konstruktiven Journalismus eine Chance. Der NDR macht sich mit verschiedenen Formaten wie dem Podcast Mission Klima aber auch mit den NDR Info Perspektiven für das Thema stark. Anna Marohn beschreibt das Problem, dass im redaktionellen Alltag eine Krise die andere verdränge. So habe sich der Konflikt in der Ukraine nahtlos an die Corona-Krise gereiht. Die Berichterstattung über den Report des Weltklimarates IPCC habe in diesem Zusammenhang gelitten.
Höchste Priorität für das Klima und deutliche Positionen
Einig sind sich alle in dem Punkt, dass mehr aus norddeutscher Perspektive über das Klima berichtet werden muss, um die direkten Folgen für die Bevölkerung deutlich zu machen. Teilnehmer Detlef Hau wünscht sich insgesamt eine andere Priorisierung:
"Ich wünsche mir Klima vor Acht, statt Börse vor Acht!"
Gleichzeitig sollte aus seiner Sicht viel mehr der Lebensstil der Gesellschaft hinterfragt werden - ebenso wie das "Mantra vom Wirtschaftswachstum". Das derzeit gängige Verständnis von Mobilität und Konsum seien Punkte, über die mehr berichtet werden müsse. Auch Teilnehmer Thomas Gerlach wünscht sich manchmal eine deutlichere Positionierung: Ein Tempolimit wäre eine einfache Methode zur Einsparung von CO2. Das müsse in der Berichterstattung deutlich werden.
Wie schön ist das Wetter wirklich?
Teilnehmerin Beate Weides findet die Art und Weise, wie das Wetter präsentiert wird problematisch. Sonnenschein werde grundsätzlich positiv dargestellt, statt darauf hinzuweisen, dass dahinter ein sich dramatisch veränderndes Klima steckt. Außerdem steht sie für einen ganzheitlichen Ansatz:
"Wir müssen große Krisen und auch Lösungen dafür zusammen denken"
Die Frage nach dem Wetter wird in vielen Redaktionen bereits rege diskutiert. Im weiteren Verlauf geht es auch darum, wie jüngere Zielgruppen und andere Milieus erreicht werden können. Der NDR ist sich dieser Verantwortung bewusst. Jürgen Webermann verweist auf die Ansätze der tagesschau, erkennt aber gleichzeitig, dass hier noch Nachholbedarf ist. Teilnehmer Nils Moosdorf meint, die Jugend sei bereits sehr sensibilisiert für das Thema, wie an Fridays for Future deutlich wird. Die Berichterstattung darüber hält er allerdings manchmal problematisch. "Fridays for Future legen Autoverkehr lahm" - diese Formulierung sei eine falsche Darstellungsweise, sagt er. Insgesamt werden die Hinweise und Gedanken der Gesprächsteilnehmer und -teilnehmerinnen von den Redakteuren dankend angenommen - eine konstruktive Diskussion voller spannender Ansätze zu konstruktivem Journalismus am Beispiel der Klimakrise.
