Elbphilharmonie: Die besondere Akustik des Konzerthauses
Wie klingt die Elbphilharmonie mit ihrer einzigartigen Innenhaut aus gewellten und gefurchten Gipsplatten? Zum fünften Geburtstag des Konzerthauses berichten Musikerinnen und Musikern von ihren Erfahrungen.
"Das Wichtigste oder das Interessanteste für mich ist die Transparenz!" So beschreibt der Akustiker Yasuhisa Toyota sein Klangideal. Das hat er in der Elbphilharmonie erreicht. Beide Säle haben seine sehr durchsichtige Akustik. "Man hört alles!", sagt der Komponist und Dirigent Peter Eötvös. Die Elbphilharmonie bildet jedes akustische Ereignis bleistiftfein ab, und zwar auf allen Plätzen - auch hinter oder weit über der Bühne. Diese Sensibilität fasziniert viele Interpretinnen und Interpreten, auch die Geigerin Vilde Frang: "Man muss nicht viel Aufwand treiben, um mit seiner Kraft durchzukommen, weil die Akustik selbst das allerkleinste Detail einfängt."
Klarheit und Transparenz im Klang
Mit ihrer fast studiohaften Klarheit wirkt die Elbphilharmonie ganz anders als klassische Räume wie etwa der Musikvereinssaal in Wien. Aber genau das mache eben den besonderen Reiz aus, betont Michael Bladerer, Kontrabassist bei den Wiener Philharmonikern: "Ich finde, es ist eine tolle Akustik. Ich mag's sehr gern, weil ich mich selber beim Spielen wahnsinnig gut höre. Und jetzt ist die Herausforderung, dass man die Mischungen, die man vom Musikverein gewohnt ist, hier auch erzeugen kann. Aber man wird auch etwas anderes hören, das man im Musikverein so detailliert gar nicht wahrnimmt."
Die Transparenz ist beeindruckend - und zugleich eine Herausforderung für die Interpretinnen und Interpreten. Die Organistin Iveta Apkalna empfindet die Akustik als Röntgenblick: "Da sieht man uns Musiker sehr gut und filigran durch". Der Dirigent Simon Rattle vergleicht den Klang mit einem Porträt: "Es ist wie eine von diesen hochauflösenden Fotografien, bei denen man denkt: 'Oh mein Gott, mussten die so nahe an die Haare heran gehen, die mir da aus der Nase wachsen?'"
Kein Kaschieren, kein Verstecken in der Elbphilharmonie
Der Große Saal der Elbphilharmonie kaschiert oder versteckt nichts, weder optisch noch akustisch. Keine leichte Situation, weil alles offen liegt. Auch die Geräusche des Publikums und etwaige Schwächen der Aufführung. Das musste auch der Tenor Jonas Kaufmann erleben, der im Januar 2019 Balanceprobleme mit dem Orchester hatte und dafür öffentlichkeitswirksam die Architekten verantwortlich machte. Nach diesem stark aufgebauschten Einzelfall geisterte die Behauptung durch die Medien, in der Elbphilharmonie sei Musik mit Vokalsolistinnen und -solisten grundsätzlich schwierig - aber die ist zigfach widerlegt.
Selbst im Rücken der Bühne ist der Klang gut balanciert - wenn die Interpreten denn bereit sind, die besonderen Gegebenheiten des Saals anzunehmen und sich darauf einzustellen.
Akustik als Zugang ins Innere der Musik
Der einzige echte Nachteil: Musik und Ansagen mit elektronischer Verstärkung klingen manchmal tatsächlich etwas verschwommen, abhängig von den Tontechnikern und -technikerinnen des Abends. Doch das betrifft nur einen kleinen Teilbereich der Konzerte. Unverstärkt ist die Akustik der Elbphilharmonie ganz pur und eröffnet dem Publikum einen Zugang ins Innere der Musik - das macht sie besonders nahbar, direkt und verletzlich.
Das ist natürlich nicht jedermanns Geschmack, offenbart aber einen ganz eigenen und starken Charakter. Der Dirigent Riccardo Muti bezeichnet ihn als "ehrlich" und sieht eine Parallele zur menschlichen Kommunikation: Wenn man ehrlich miteinander sei, gebe es keine Probleme: "In everything in life: If things are honest - there are no problems. È vero?"
