Krieg in der Ukraine - wie erkläre ich das meinem Kind?
Krieg in der Ukraine - das Thema ist derzeit omnipräsent. Keine Chance, das von Kindern fernzuhalten. Wie also damit umgehen? Wir haben den Kinder- und Jugendpsychiater Rami Gaber gefragt.
Herr Gaber: Wenn wir von Grundschule oder Kindergarten sprechen, von den Jüngeren also, die merken ja gerade, dass etwas nicht stimmt, würden sie das Thema Ukrainekrieg proaktiv ansprechen?
Rami Gaber: Also ich würde erst mal aufgreifen, was von den Kindern selber kommt. Also die Fragen aufgreifen, die die Kinder stellen und dann vielleicht auch nachfragen um zu wissen: wo steht mein Kind eigentlich? Also nachfragen könnten sein wie: wie denkst du darüber?, was hast du dazugehört oder wie geht es dir damit? Und dann sollte man die Fragen, die die Kinder haben, auch beantworten, erst mal nicht mehr.
Wie weit kann man da in die Tiefe gehen? Gerade wenn wir jetzt bei dieser jüngeren Altersgruppe bleiben?
Gaber: Also wenn man den Eindruck hat: mein Kind beschäftigt das sehr, und es teilt sich aber von sich aus nicht mit, dann kann man das ruhig auch ansprechen. Zum Beispiel, wenn man den Eindruck hat "Du wirkst sehr traurig oder nachdenklich. Ich habe den Eindruck, Dich beschäftigt was". Dann kann man immer noch gucken, ob das Kind vielleicht Fragen hat, die es von sich aus nicht gestellt hat. Und dann kann man auch schauen, wie man ins Gespräch kommt.
Das ist ja auch einen Konflikt, wenn wenn ich mir vorstelle: ich bin zu Hause, muss mich um Kinder kümmern, aber es laufen die Radionachrichten. Es ist vielleicht Fernsehen an. Wie kann man damit umgehen, da die richtige Dosis zu finden?
Gaber: Also ich glaube, da ist es wichtig als Eltern, dass man versucht, das eigene Informationsbedürfnis, und auch der Gesprächs- und Diskussionsbedarf den man hat, möglichst mit Erwachsenen, Partnern und Freunden abzudecken und die Kinder nach Möglichkeit da rauszuhalten. Da können Radionachrichten und auch Fernsehnachrichten, die nicht richtig eingeordnet werden, doch sehr verunsichernd sein. Da sollte man sein eigenes Bedürfnis in dem Moment zurückstellen und vielleicht einfach auch mal das Radio ausschalten und sich später informieren und später sprechen.
Wenn Kinder dann wirklich so eine unbestimmte Angst ein Unwohlsein haben, wie kann man das auffangen?
Gaber: Erst mal schauen, wo steht mein Kind denn, was beschäftigt es denn? Und dann kann man versuchen über die Gefühle zu reden. Also ich glaube, wichtiger als jetzt, konkret über die politische Situation zu reden - gerade mit jüngeren Kindern - ist über die Gefühle zu reden, die da sind, die Gefühle ernst zu nehmen, also zu melden, dass man auch verstehen kann, dass das Kind so fühlt, wie es fühlt, und es dann aber zu beruhigen. Also das ist im Moment keine unmittelbare Gefahr, gibt für uns. Und dass wir als Eltern auch alles tun, unsere Kinder zu beschützen. Kleine Kinder haben eigentlich noch nicht das Bedürfnis, das jetzt politisch zu durchdringen.
Wenn wir ein paar Jahre nach oben gehen, in der Altersgruppe zehn, elf, zwölf, da geht es ja auch, einen großen Gerechtigkeitssinn und und vielleicht die Frage warum tun wir da nichts? Warum helfen wir den nicht?
Gaber: Das ist jetzt schon sozusagen eine politische Frage. Also, man kann Kindern, die älter sind schon vermitteln, dass politische Situationen kompliziert sind und dass die Welt kompliziert ist und das Dinge, die sich jetzt vielleicht erst mal so anfühlen, als sollte man sie jetzt tun vielleicht doch nicht so einfach oder offensichtlich sind, wie sich das etrstmal anfühlt. Und wenn es dann irgendwie doch das Bedürfnis gibt, diese politische Situation noch mal tiefer zu durchdringen, dann macht es vielleicht auch Sinn, gemeinsam eher altersangemessene Nachrichten zu schauen. Dass man eben vermittelt Dinge: sind kompliziert, und es gibt einen Unterschied zwischen dem Gefühl: "Das möchte ich jetzt tun" und "das wäre aber vielleicht auch richtig, jetzt zu tun."
Viele Eltern, Lehrer, Menschen, die in Kindergärten arbeiten, sind gerade selber ratlos. Wie viel würden sie davon zeigen?
Gaber: Es ist ja die Frage, wie gut man das kontrollieren kann, wie viel man davon zeigt oder nicht zeigt. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden. Das ist schon eine Frage der Balance, den Kindern zu vermitteln: "Wir sind sicher, wir beschützen euch, ihr seid in Sicherheit". Aber wenn die Kinder doch wahrnehmen, dass man selber unsicher ist und das dann ansprechen, dann ist es auch falsch, den Kindern ihre Wahrnehmung abzusprechen. Dann kann man schon durchaus auch sagen: "Ja, es gibt Dinge, die kann ich selber nicht einordnen, und die beunruhigen mich" und dann sollte es aber auch einen Schritt weitergehen, nämlich zu zeigen, dass man zwar Angst haben darf, aber dass man auch was gegen die Angst tun kann. Also etwa schauen, was kann man jetzt tun, das uns uns entspannt oder beruhigt.
Was wäre denn da ein konkreter Tipp für Eltern und Familien? Was tut Kindern gerade gut?
Gaber: Also das kann sehr unterschiedlich sein. Es ist schon so, dass man sich jetzt nicht verbiegen sollte. Trotzdem sage ich mal: Aktivitäten zu unternehmen, die einem Spaß machen können oder bei denen man sich entspannt oder die man als Familie sonst auch gerne unternimmt. Sei es ein Besuch im Schwimmbad oder auf dem Spielplatz oder im Park. Gut ist es, mit den Kindern im Kontakt zu sein und auch gerne miteinander Spaß und Ablenkung zu erleben. Wenn man den Eindruck hat, man möchte jetzt aber auch an der eigenen Hilflosigkeit arbeiten, dann kann man mit jüngeren Kindern zum Beispiel ein Bild malen für das Gedenken an die Betroffenen, möglicherweise oder eine Kerze anzünden und an sie denken.
Jugendliche recherchieren selber schon, sind in Social Media unterwegs auch manchmal in Kanälen, auf die dann Eltern gar nicht mehr richtig Zugriff haben. Wie kann man die unterstützen bei ihrem eigenen Medienkonsum?
Gaber: Das ist natürlich ein großes Thema. Die Arbeit an Medienkompetenz mit Jugendlichen sollte ja grundsätzlich eine Arbeit sein, die Eltern nicht vernachlässigen sollten. Und das ist in Kriegszeiten natürlich noch mal besonders wichtig. Wenn man den Eindruck hat, da wurden Nachrichten gelesen, die die Jugendlichen verunsichern oder nicht einordnen können. Dann kann man dazu erst mal Fragen stellen, woher sie etwas haben, dass man miteinander klärt, was ist eigentlich eine Nachricht, was ist eine Meinung, was ist eine Interpretation? Kann das eine Falschnachricht sein oder eine voreilige Nachricht? Also, ich würde auch da sagen: Grundsätzlich gilt es, Interesse zu zeigen, sich das anzuschauen und miteinander zu bewerten.
