Jürnjakob Swehn: Von Mecklenburg nach Nordamerika
Sie wollten frei sein in einem freien Land: Rund 200.000 Mecklenburger wanderten allein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Nordamerika aus. Einer von ihnen war Jürnjakob Swehn, über den Johannes Gillhoff einen Roman geschrieben hat.
Der Volkskundler und Schriftsteller Johannes Gillhoff veröffentlichte seinen Auswanderer-Roman "Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer" im Jahr 1917. Das Buch wurde ein Riesenerfolg mit Millionen-Auflage und erscheint bis heute in immer neuen Ausgaben.
Briefe aus der Neuen Welt als Rohmaterial für den Roman
"Lieber Freund", so beginnt Jürnjakob Swehn seine Briefe an den alten Lehrer in Mecklenburg. Den hat es tatsächlich gegeben: Gillhoffs Vater war Dorfschulmeister in Glaisin bei Ludwigslust in der Griesen Gegend. Und ehemalige Schüler hatten ihm aus den USA Briefe geschrieben, auf dass er sie den Verwandten in der Heimat vorlesen sollte. Der alte Lehrer musste auch gleich wieder antworten, berichtet sein Sohn.
"Ick mücht Sei woll bidden, minen Unkel in Amerika en Brief räwer tau schrieben." - "Wat sall ick em denn schrieben?" - "Ja, dat weiten Sei jo ebenso gaud as ick." - "Schön, denn kumm man Sünnabend abend wedder her; denn will ick di den Brief vörlesen." Am Sonnabend fand sich dann, daß dem Brief nichts mehr zuzufügen war. Zitat aus "Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer"
Die Briefe aus der Neuen Welt in die alte Heimat waren das Rohmaterial für Gillhoffs Roman, und auch Jürnjakob Swehn hat ein historisches Vorbild: Carl Wiedow, der 1868 nach Iowa in den Mittleren Westen ausgewandert ist.
Missingsch, angereichert mit Englisch
Missingsch, die Sprache des Briefromans, ist originell: Missingsch, so nennt man ein Hochdeutsch, das nach plattdeutschem Gefühl und im plattdeutschen Satzbau gesprochen wird. Platt und auch Missingsch war die Umgangssprache der Mecklenburger in Iowa, angereichert mit ein paar Brocken Englisch: "Wir haben alles plenty", schreibt Jürnjakob, "plenty Land und plenty Vieh. Aber es kostete auch plenty Schweiß."
Jürnjakob Swehn: Mit Fleiß und harter Arbeit durchgesetzt
Durch Fleiß und harte Arbeit schaffen es damals viele Auswanderer, sich in der Neuen Welt durchzusetzen. Die Hoffnung auf politische Freiheit und eigenen Besitz hatte sie angetrieben. Man könnte auch sagen, die Hoffnungslosigkeit in der alten Heimat. Jürnjakob Swehn hat es so formuliert: "Hier stehe ich mit meinen Füßen auf meinem Boden und tagelöhnere nicht beim Bauern. Das Freisein ist schon ein paar Eimer Schweiß wert."
Die Sprache hat ganz sicher beigetragen zum großen Erfolg des Romans. So klingt Heimat, auch in der Fremde. Und immer wieder präsentiert Jürnjakob überraschende Erkenntnisse: "Lieber Herr Lehrer, in der Schule hast du uns gelehrt, dass die Sonne im Sommer hier aufgeht, wenn sie bei euch untergeht. Lieber Herr Lehrer, ich muss dir mitteilen, dass das eine Irrlehre ist. Die Sonne geht auch hier morgens auf und abends unter. Ich hab gleich den ersten Tag gut aufgepasst."
Ein literarisches Denkmal für Mecklenburger Auswanderer
In seinen Briefen schildert der Amerikafahrer mit Mutterwitz, Humor und Gottvertrauen sein neues Leben. Ihm und vielen anderen Auswanderern aus Mecklenburg hat Johannes Gillhoff ein anrührendes literarisches Denkmal gesetzt.
