Gesammeltes Wissen der Welt - Wikipedia feiert 20. Geburtstag
Wikipedia feiert 20. Geburtstag - ein Online-Lexikon, das gemeinsam von vielen Menschen aus der ganzen Welt geschrieben wird und hinter dem eine gemeinnützige Stiftung steht.
Kann aber Wikipedia wirklich die dicken Bücher früherer Zeiten ersetzen? Wie hat Wikipedia unseren Umgang mit Wissen verändert - und wie verlässlich sind die Informationen, die dort zu finden sind?
Die große Stärke von Wikipedia
Wenn es darum geht, die Stärken und Schwächen der Wikipedia zu verstehen, dann hilft es, auf aktuelle Ereignisse zu schauen. Zum Beispiel auf den Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar. Noch am Abend deutscher Zeit, während gerade die Livebilder um die Welt gingen, entstand in der englischsprachigen Ausgabe der Internet-Enzyklopädie bereits ein umfangreicher Artikel über die Ereignisse in Washington.
Über Nacht, keine 24 Stunden später, umfasste der Eintrag "2021 United States Capitol protests" mehr als 30.000 Zeichen. Er war bereits unterteilt in etliche Kapitel und Unterkapitel - vom chronologischen Hergang dieses Ereignisses über Nebenschauplätze außerhalb Washingtons bis zu einem ausführlichen Abschnitt über die Hintergründe. Und während das Manuskript dieser "Gedanken zur Zeit" entsteht, wächst dieser Artikel weiter. In der Wikipedia leben Einträge. Wie in einer Ameisenkolonie tragen viele zum Gesamtwerk bei, denn: An der Wikipedia kann jede und jeder mitschreiben. Jederzeit. Es braucht nur eine Internetverbindung.
Für die Nutzerinnen und Nutzer ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten so ein gigantischer Wissensapparat entstanden. 20.000 Artikel waren es allein 2001, im ersten Jahr, als die Wikipedia noch kaum einer kannte. Mehr als sechs Millionen Artikel sind es inzwischen - allein in der zentralen englischsprachigen Ausgabe. Der Eintrag zum Sturm auf das Kapitol ist einer davon. Dass er so schnell und - wie es in der Szene gerne heißt - "kollaborativ" entsteht, zeigt die große Stärke der Enzyklopädie.
Das Prinzip der Kollaboration
Dass alle jederzeit mitarbeiten können, das ist zugleich aber auch die große Schwäche dieses eindrucksvollen Projekts. Denn was heißt das für Nutzerinnen und Nutzer? Niemand weiß auf Anhieb, was stimmt und was nicht. Früher, vor diesem Internet, war das einfach: Enzyklopädien - ob nun im englischsprachigen Raum die Encyclopaedia Britannica oder hierzulande der gute alte Brockhaus - standen für Verlässlichkeit. Hinter den großen Marken der Wissensgesellschaft standen Redaktionen, die für jedes Fachgebiet nach renommierten Expertinnen und Experten suchten, vor allem aus der Wissenschaft. Die Einträge wurden professionell lektoriert. Das war ein höchst anerkanntes System.
"Der Brockhaus" - er machte etwas her. Fast war es so, als wären Schrankwände für ihn erfunden worden. Man vertraute ihm. Er war eine Institution. Die Wälzer der Vergangenheit konnten aber natürlich nicht Schritt halten mit der Echtzeit-Technologie der Gegenwart.
Zumal die aufkommende Konkurrenz kostenfrei war. Wikipedia finanziert seine Server und Mitarbeitende durch Spenden. Wer schreibt, bekommt nichts, außer in der Szene Ruhm und Ehre. Wer lesen möchte, muss nichts bezahlen. Der Brockhaus konnte als klassisches Produkt nicht überleben. 2014 stellte der Verlag den Vertrieb der gedruckten, großen Enzyklopädie ein. Zu erfahren ist das, natürlich: in der Wikipedia.
Keine Garantie für Korrektheit
Sie hat den Umgang mit Wissen revolutioniert. Das ist keine Übertreibung. Doch was so schön klingt, hat auch einen Haken: Wer das Angebot sinnvoll nutzen will, muss sich richtig ins Zeug legen. So bequem, wie mal eben einfach in einer verlässlichen, redaktionell gestalteten Quelle nachzuschlagen, geht es nicht. Das Prinzip der Kollaboration ist ein riesiges Einfallstor, etwa für Verschwörungsideologen, die gezielt Falschinformationen eintragen, oder für schlicht unkundige Autorinnen und Autoren, die versehentlich Fehler einbauen.
Wie leicht die Wikipedia manipuliert werden kann, zeigt ebenfalls das eingangs genannte aktuelle Beispiel. Ein Journalist scherzte am Abend des 6. Januar in sozialen Netzwerken: Ob nicht jemand in der Wikipedia - gemeint war die deutschsprachige Ausgabe - im Artikel zum Stichwort "Idiot" das Foto derjenigen einbauen könnte, die kurz zuvor in Washington in das Kapitol eingedrungen waren und dort posierten? Einer folgte dem Vorschlag - wenn auch nur für ein paar Sekunden, für einen kleinen Scherz.
- Teil 1: Die große Stärke von Wikipedia
- Teil 2: Vorbildliche Transparenz
