Die Konstruktion eines Sieltors ragt zum Teil aus einem Baugerüst heraus. © NDR Foto: Jonas Salto

Zwischen Naturschutz und Asbest: Sanierung des Eidersperrwerks

Stand: 31.05.2022 05:00 Uhr

Alle zehn Sieltore müssen in den kommenden Jahren und bei laufendem Betrieb erneuert werden, weil sie rosten. Dazu muss auch die giftige Beschichtung der Tore abgestrahlt werden. Eine große Herausforderung.   

von Jonas Salto

Das Eidersperrwerk trennt die Nordsee von der Eider und schützt das Land hinter dem Sperrwerk vor Sturmfluten. Denn in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 hat die sogenannte Hamburg-Sturmflutauch Eiderstedt und Dithmarschen überschwemmt. Damals gab es noch kein Sperrwerk. Deswegen begannen im Jahr 1967 die Bauarbeiten zur Errichtung von Deutschlands größtem Küstenschutzbauwerk. Sechs Jahre später ging es schließlich in Betrieb.

Salzwasser und Strömungen greifen Substanz an

"Das Eidersperrwerk bei Tönning (Kreis Nordfriesland) wurde damals so gebaut, dass es 80 Jahre lang halten sollte", sagt der Ingenieur Marco Bardenhagen vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA). Er leitet nun die Sanierungsarbeiten. Auf den Sieltoren befinden sich insgesamt drei Schichten eines speziellen Schutzlacks. Schon nach der Hälfte der ursprünglichen Laufzeit schimmerte die rote Farbe teilweise durch. Für die Experten vom WSA ein Zeichen, dass das Salzwasser, die starken Strömungen sowie Stürme ihre Spuren hinterlassen haben und die erste Schutzschicht bereits abgetragen ist.

Tore während Sanierung für Monate außer Betrieb

Fünf jeweils 40 Meter lange und sechs Meter hohe Sieltore hat das Eidersperrwerk auf der Nordsee- und auf der Landseite. Es kann immer nur eines nach dem anderen saniert werden. Dafür müssen die Bauarbeiter das 250 Tonnen schwere Tor komplett hochfahren. Dann kommen ein Gerüst und ein Gehäuse drumherum. Das jeweils dahinter liegende Tor bleibt während der Bauarbeiten komplett geschlossen, um die Strömung unterhalb des zu sanierenden Tores möglichst gering zu halten.

Das führt allerdings auch dazu, dass die Wassermengen nicht wie üblich durch fünf Tore, sondern nur noch durch vier Tore fließen können. Dadurch entstehen zwangsläufig höhere Strömungsgeschwindigkeiten. Sie greifen die am Sperrwerk außen liegende Sole an. Das sind zwei Meter dicke Granitblöcke, die für die Standsicherheit des Bauwerks sorgen. Marco Bardenhagen und sein Team kontrollieren deswegen während der Bauarbeiten alle vier Wochen den Zustand der Sole. Das erste Tor ist bereits eingerüstet und bereit, saniert zu werden.

Hochsicherheitsauflagen wegen Asbest

Die Bauarbeiter müssen erst einmal alle drei asbesthaltigen Lackschichten über dem Stahl der Silotore abstrahlen. Das können sie aber nicht einfach in Shirt und kurzer Hose erledigen. Laut Marco Bardenhagen werden die Arbeiter dafür wie Mondmenschen verpackt und durchlaufen verschiedene Sicherheitsschleusen. Nach ihrem Einsatz ziehen sie im ersten Zelt ihre Kleidung aus, duschen und dürfen dann erst weitergehen. Sie tragen nicht nur die Schichten außerhalb der Tore ab, sondern klettern durch das sogenannte Mannloch auch in die Tore hinein und machen das Gleiche noch einmal drinnen.

Ein Tor hat 42 Hohlkammern mit einer Grundfläche von 1 mal 1 Meter und einer Höhe von 6 Metern. Die Gerüstbauer mussten deshalb auch in allen Hohlkammern ein Gerüst aufbauen, damit die Arbeiter später auch bis ganz nach oben kommen. Die Arbeit in den Kammern ist nach Angaben von Marco Bardenhagen knallhart. Im Sommer sind dort bis zu 50 Grad.

Eine Menge Sondermüll

Nachdem die Arbeiter die Schichten abgespült haben, wird die giftige Flüssigkeit durch Rohre von der Baustelle abgepumpt und in Fässern verstaut. Sie müssen später als Sondermüll entsorgt werden. Auf den Sieltoren werden dann neue Schichten aufgetragen, die nicht mehr asbesthaltig sind. Im Moment dauert es ein Jahr, bis ein Tor komplett saniert ist. Die Arbeiten können nur außerhalb der Sturmflutsaison zwischen April und September stattfinden. In der Sturmflutsaison werden nämlich alle Tore benötigt, um den Schutz vor den Fluten gewährleisten zu können.  

Brutzeit der Küstenseeschwalbe erschwert die Arbeiten

Als die Tore mit einem Gerüst ausgestattet wurden, kam auch ein Kran zum Einsatz. Dabei mussten die Arbeiter jedoch aufpassen, dass er nicht über das nahe liegende Brutgebiet der Küstenseeschwalben schwenkt. Die Vögel sind laut Nabu bei uns nämlich vom Aussterben bedroht. Deswegen musste das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt die Bauarbeiten noch mit dem Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz abstimmen. Wegen der Auflagen haben die Gerüstbauer nach Angaben von Marco Bardenhagen zwischen sechs und acht Wochen gebraucht, bis sie fertig waren.

In Zukunft könnten auch zwei Tore pro Jahr saniert werden

Nun wird erst einmal das allererste Tor des Sperrwerks saniert. Das WSA wird die Arbeiten genau dokumentieren und so am Ende eine Bilanz ziehen, was gut und was noch nicht so gut lief. So können mögliche Fehler und Probleme bei den danach anstehenden Bauarbeiten im Voraus behoben werden. Nach Angaben vom leitenden Ingenieur Marco Bardenhagen wäre es dann gegebenenfalls auch möglich, sogar zwei Tore pro Jahr sanieren zu können. Die Kosten pro Tor belaufen sich laut WSA auf ungefähr 2,5 Millionen Euro. Wenn alle zehn Tore saniert worden sind, bekommt der Maschinenraum des Sperrwerks noch neue Technik und das Beton wird ebenfalls noch saniert.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 31.05.2022 | 19:30 Uhr

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