Wie die Kampfschwimmer Spezialkräfte in der Republik Niger schulen
Soldaten aus Eckernförde sind in Niger im Einsatz, um die dortigen Spezialkräfte zu schulen, die die Bevölkerung vor Terrorangriffen schützen sollen. Zum Unterricht gehören viele praktische Übungen.
An einem Vormittag steht "Gretel" mit den Kommandeuren der nigrischen Spezialkräfte in einer Art Klassenzimmer. Einer der nigrischen Offiziere hat eine Sandkastenpräsentation vorbereitet. Er soll mit einem Konvoi systematisch die Gegend um das Camp herum erkunden. Auf dem Weg haben die Kampfschwimmer Sprengfallen installiert, deutsche Fallschirmjäger simulieren Angriffe und verdächtige Personen, die es zu kontrollieren gilt. "Gretel" macht sich Notizen. Am Ende ist er zufrieden, aber nicht ganz: "Es fehlt ein Contingency Plan, also ein Szenario, was sie genau tun werden im Fall der Fälle."
Terror und Angst in Niger
Die Sorge ist begründet: Im Oktober 2017 gerät ein nigrisch-amerikanischer Konvoi in Tongo Tongo in einen Hinterhalt des westafrikanischen Ablegers des IS. In einem langen Feuergefecht sterben vier US Soldaten. Ihre Helmkameras zeichnen ihren verzweifelten Kampf auf. Die unfassbar grausamen Aufnahmen verbreitet der IS bis heute auf einschlägigen Seiten im Internet.
In der Region um Tillia war es in den vergangenen Jahren vergleichsweise ruhig - bis zum 21. März 2021. Etwa 120 IS Kämpfer kommen an diesem Tag auf Motorrädern Mali über die Grenze und überfallen in einer Blitzattacke drei Dörfer in der Umgebung. 170 Menschen sterben an diesem Tag. "Solche Angriffe sind Botschaften", sagt Corinne Dufka. Die Amerikanerin leitet die Westafrika-Sektion der Organisation Human Rights Watch. "Es sind auch Botschaften an die nigrische Armee: Wir haben die Macht. Ihr könnt eure Bevölkerung nicht vor uns schützen." Corinne Dufka hat mit Überlebenden der März-Attacke gesprochen. "Mütter erzählten mir, wie ihre Kinder vor ihren Augen erschossen wurden." Der Angriff dauert weniger als eine Stunde. Die Terroristen morden, zünden die Hütten an, treiben das Vieh weg. Sie machen das Leben in der Gegend unmöglich.
Konvoi durch die Todeszone
Beschützt von deutschen Kampfschwimmern und Fallschirmjägern setzt sich der nigrische Konvoi aus dem Camp in Bewegung. Weil es eine Übung ist, haben die nigrischen Soldaten ihre Waffen nur mit Trainingsmunition geladen. Deswegen brauchen sie draußen Schutz durch die Deutschen.
"Le" bastelt an dem Funkgerät seines Geländewagens. Er betreut die Übung in dem riesigen Gelände. "Wenn wir rausfahren, sind alle Waffen mit Gefechtsmunition geladen. Dass etwas passieren kann, hat man jederzeit im Hinterkopf, auch wenn man nicht fest damit rechnet."
Parallel zu den nigrischen Geländewagen mit aufmontierten Maschinengewehren steigen zwei deutsche Hubschrauber auf. Sie werden die Übung aus der Luft überwachen. Etwa 20 Quadratkilometer ist das Gelände groß, auf dem die Kampfschwimmer mit den Nigrern trainieren. Hier und da sieht man aus der Luft, wie Tuareg-Familien ihre Zelte hier aufgeschlagen haben. Offensichtlich fühlen sie sich in der Nähe des Militärcamps sicherer.
Überlebenstaktiken
Auf einer Anhöhe steht der Kampfschwimmer "Thilo" und sucht den Horizont ab. Dann entdeckt er die Staubwolke des Konvois. Immer wieder sitzen die Soldaten ab, erkunden das Gelände zu Fuß. Die Fahrzeuge fahren mit großem Abstand zueinander. Das sollen sie auch. "Ein Konvoi ist schwieriger anzugreifen, wenn die Fahrzeuge größeren Abstand halten", meint Thilo. Auch bei Sprengfallen treffe es nur ein Fahrzeug. "Es geht darum Verluste zu minimieren."
Das begehrte Abzeichen
Einen Tag später haben die Nigrer mit ihren Fahrzeugen ein Traningsdorf umstellt. "Le" und die Fallschirmjäger inszenieren eine Terrorattacke. "Gretel" beobachtet, wie die Nigrer reagieren. Ergebnis: Erst verspätet greifen sie an, und anders als "Gretel" wollte: "Es wäre schlauer gewesen, sie hätten einen hier oben auf der Anhöhe gelassen, der den Angriff koordiniert. Unten ist das Gelände unübersichtlich und sie laufen Gefahr, eigene Kräfte zu beschießen." Aber er ist geduldig. "Es hat keinen Sinn, unsere eigenen Standards hier anzulegen. Das bringt nichts." Wichtig sei es, "ihnen das beizubringen, was sie brauchen, um ihren Job zu machen."
Am Ende bekommen alle ein begehrtes Abzeichen auf dem Appellplatz des Lagers. Battaillon 41, das sind die nigrischen Spezialkräfte. "Gretel", "Le" und die anderen Kampfschwimmer hämmern das ihren nigrischen Kameraden auf die Brust. Das ist eine Art Aufnahmeritual.
Für alle bedeutet dieser Moment, dass es noch gefährlicher wird. Denn als nächstes werden die Kampfschwimmer die Nigrer in ihre Einsätze begleiten. Sie sind gehalten, nur zu bewerten, nicht zu kämpfen. Es sei denn, sie müssen sich verteidigen. Was er mit Niger verbindet? "Hoffnung", sagt Gretel. Hoffnung, dass das, was sie hier tun etwas bringt.
