Verfassungsschutz beobachtet Zulauf bei Corona-Demos in SH
Seit Dezember gehen immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße. Trotz vereinzelter Extremisten gebe es bislang keinen Grund zur Sorge, so der Verfassungsschutz.
Wenn sich in Lübeck, Flensburg, Heide oder Kiel Menschen treffen, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren, haben sie verschiedene Motive. Einige fürchten sich vor einer Impfpflicht, andere sehen sich unrechtmäßig in ihren Grundrechten beschränkt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Klar ist laut dem Verfassungsschutz im Land, dass sich unter den Demonstranten auch politische Extremisten befinden. Die Sicherheitsbehörden beobachten die Bewegung deshalb genau, sorgen sich bislang aber wenig. Mehrheitlich kämen die Teilnehmer der Demonstrationen aus dem bürgerlichen Spektrum, sagt Verfassungsschutz-Leiter Joachim Albrecht.
Legitime Proteste gegen demokratische Entscheidungen
"Zunächst sagen wir immer: Das sind ganz legitime, normale Proteste gegen Entscheidungen, die demokratisch legitimiert gefallen sind", sagt Albrecht und ergänzt: "Das sind Rechte, die die Bürger in Anspruch nehmen können und die auch ein Zeichen sind für eine lebendige Demokratie wie unsere." Dass die Menschen auf die Straße gehen, weil sie mit politischen Entscheidungen nicht einverstanden sind, sei überhaupt nicht zu kritisieren.
65 Corona-kritische Telegram-Gruppen in Schleswig-Holstein
Dennoch beobachten die Verfassungsschützer die Bewegung, die seit Dezember größer wird, genauer. Mitte Dezember zählte die Behörde nach eigenen Angaben noch insgesamt 2.000 Teilnehmer. Inzwischen seien es bis zu 8.500 Menschen, die in Schleswig-Holstein gegen die Corona-Politik demonstrieren.
"Man muss die weitere Entwicklung abwarten", meint Albrecht. "Parallel muss man sagen, dass wir als Verfassungsschutz eine andere Ebene haben, auf der wir unsere Feststellungen treffen." Der Leiter der Behörde meint damit Telegram-Gruppen, die als Ausgangspunkt für die Versammlungen gelten. Insgesamt 65 dieser Chatgruppen seien dem Verfassungsschutz bekannt.
Politische Extremisten versuchen Einfluss zu erlangen
Auf den Versammlungen stelle man - neben den vielen bürgerlichen Teilnehmern - "natürlich auch fest, dass Extremisten, die wir schon seit vielen Jahren kennen, an diesen Demonstrationen teilnehmen", so Verfassungsschutzleiter Albrecht. Stärkere Protestformen würden die Extremisten ermutigen, selbst tätig zu werden und Einfluss auf Veranstaltungen zu nehmen. Zumal es inzwischen viele Versammlungsorte in Schleswig-Holstein gibt - und dafür niemand mehr etwa in die Landeshauptstadt Kiel fahren muss.
Rechtsextreme, Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger
Der Verfassungsschutz nimmt vor allem Extremisten aus dem rechtsextremen Milieu, aber auch Verschwörungstheoretiker, Reichsbürger und einzelne kleinere Organisationen wahr, die versuchten, diesen Einfluss zu nehmen. Einzelpersonen aus dem Spektrum würden in Telegram-Chats versuchen, ihre Positionen mehrheitsfähig zu machen. "Das ist die Gefahr, die da besteht: Menschen, die einfach nur protestieren wollen, weil sie besorgt sind - da setzen Extremisten an und versuchen, ihre Thesen zu verbreiten", sagt Albrecht.
