Übergriffe zu Silvester: Polizei und Feuerwehr fordern Konsequenzen

Stand: 03.01.2023 14:45 Uhr

Nach zahlreichen Übergriffen und schweren Feuerwerksunfällen fordern Vertreter von Polizei und Feuerwehr nun Konsequenzen. Auch in Schleswig-Holstein kam es zu Übergriffen und Unfällen.

Nach Angriffen auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht deutschlandweit gibt es neue Forderungen nach einem Böllerverbot. Auch in Schleswig-Holstein gab es zum Jahreswechsel Angriffe auf Einsatzkräfte sowie schwere Unfälle mit Feuerwerk.

Der Landesverbandschef der Deutschen Feuerwehrgewerkschaft, Robert Pohl, sagte, ihn hätten die Vorfälle nicht überrascht. Es gebe die Entwicklung, dass Menschen ihre Aggressionen zunehmend an Einsatzkräften ausließen. Er fordert eine bessere technische Ausrüstung, um solche Taten strafrechtlich zu verfolgen. "Im Einsatz haben unsere Kolleginnen und Kollegen, die Kameradinnen und Kameraden, nicht die Möglichkeit, alle Angriffe zu dokumentieren. Da sind Hilfsmittel wie Dashcams, die auf der Einsatzfahrt schon Vorfälle registrieren oder aufzeichnen können, sicherlich ein Hilfsmittel. Oder wie auch in Berlin gefordert, die Bodycams für die Kolleginnen und Kollegen." Pohl kritisierte, dass die Täter - im Gegensatz zu Angriffen auf die Polizei - oft unerkannt davon kämen und viele Verfahren eingestellt würden.

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Hannover: Beamte patroullieren am Steintorplatz durch die Menge  (Archivbild vom 31.12.2018) © picture alliance/dpa Foto: Clemens Heidrich

Angriffe auf Einsatzkräfte an Silvester: Diskussion über Konsequenzen

In der Silvesternacht gab es auch im Norden einige Attacken auf Einsatzkräfte mit Böllern und Raketen, die nun die Debatte um ein Böllerverbot entfacht haben. mehr

Die Feuerwehrgewerkschaft hatte zuvor dafür plädiert, Einsatzfahrzeuge mit Dashcams, kleinen Kameras hinter der Windschutzsscheibe, auszustatten. So könnten Angriffe auf Einsatzkräfte besser dokumentiert werden.

Feuerwehrfrau nach Angriffen nicht arbeitsfähig

Robert Pohl ist selbst schon im Einsatz mehrfach angegriffen worden: "Was mich dabei so hilflos zurücklässt, ist nicht nur der körperliche Schaden. Der geht vorbei. Aber wenn man in einem ähnlichen Setting wieder in eine Wohnung kommt, dann ist man schon angespannter und versucht, das Gleiche nicht nochmal passieren zu lassen." Ihm hätte sehr geholfen, mit Kollegen darüber zu reden. Eine Kollegin von ihm habe aber durch einen Angriff eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten. Sie könne bis heute nicht mehr als Feuerwehrfrau arbeiten.

Sütterlin-Waack verurteilt Vorfälle

Auch Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) hat sich inzwischen zu den Vorfällen geäußert: "Ich verurteile Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte. Es ist für mich unbegreiflich, weshalb Menschen angegriffen werden, die Leben retten, Streit schlichten oder Brände löschen. Wir müssen weiter aufklären, die Einsatzkräfte noch besser schützen und den bestehenden Rechtsrahmen konsequent ausnutzen, um dies zu bekämpfen."

GdP will Böllerverbot

Die Gewerkschaft der Polizei in Berlin (GdP) plädiert inzwischen für ein allgemeines Böllerverbot: "Wir fordern - wenn man die Bilder und die Vorgehensweise sieht - ein generelles Böllerverbot", so Andreas Roßkopf von der GdP. In jedem Fall aber brauche es ein Verbot, das sich auf die öffentlichen Plätze auswirke, sodass Feuerwerke nur noch unter speziellen Bedingungen an bestimmten Orten möglich seien, so Roßkopf weiter.

Polizeibeamte stehen in Berlin hinter explodierendem Feuerwerk © Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa
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Kritik aus der Pyrotechnik-Branche

Anders die Sicht eines Vertreters der Pyrotechnik-Branche: Der Geschäftsführer des Feuerwerkdepots Nord aus Lübeck, Mirco Lorkowski, äußert einerseits Verständnis. Es sei klar, dass ein Gewerkschaftschef für ein Verbot sein müsse, wenn Einsatzkräfte gefährdet werden können. "Aber nur, weil eine kleine Gruppe das tut, dann ein komplettes Verbot von Pyrotechnik zu fordern, finde ich unfassbar trivial. Das Gleiche erfordert ja auch, dass letztendlich jeder einen Transponder an sein Auto kriegt, damit das Tempolimit permanent überwacht wird, und dass Messer verboten werden, dass man keine Küchenmesser mehr führen darf und dergleichen." Lorkowski sagt, das sei fatal.

Vogt sieht Erziehungs- und Integrationsdefizite

FDP-Fraktionschef Christopher Vogt erwartet konsequente Antworten des Rechtstaates auf derartige Übergriffe. Die rohe Gewalt, die an Silvester in mehreren Großstädten gegen Einsatzkräfte verübt wurde, mache ihn wirklich wütend, so Vogt in einem Statement bei Facebook. Als Ursache sieht er erhebliche Erziehungs- und Integrationsdefizite. Diese "widerlichen" Straftaten, so Vogt, müssten konsequent verfolgt werden. Er forderte eine ernsthafte Debatte über den mangelnden Respekt in der Gesellschaft.

Raudies: Feuerwehren besser wappnen

Auch Beate Raudies, die feuerwehrpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, betonte, entsprechende Delikte müssten mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft werden. Sie forderte, dass die Feuerwehren im Land besser für die zukünftigen Herausforderungen gewappnet werden. Bestehende Konzepte müssten genau unter die Lupe genommen und, wo nötig, besser ausgerichtet werden, so Raudies.

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Und Schleswig-Holsteins Innenministerin Sütterlin-Waack betonte, man müsse weiter aufklären, die Einsatzkräfte noch besser schützen und den bestehenden Rechtsrahmen konsequent ausnutzen, um Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte zu bekämpfen.

Zwei Tote in Schleswig-Holstein

Von Übergriffen und schweren Unfällen berichten auch Feuerwehr und Polizei in Schleswig-Holstein. In Elmshorn hatte das Feuer eines brennenden Carports auf ein Doppelhaus übergegriffen. 130 Feuerwehrleute kämpften mehr als elf Stunden gegen die Flammen. Nach Angaben eines Feuerwehrsprechers musste ein Bewohner aus dem brennenden Haus gerettet werden - er verstarb wenig später im Krankenhaus. Außerdem ermittelt die Elmshorner Polizei, nachdem ein Unbekannter einen Feuerwehrmann, der gerade einen brennenden Müllcontainer löschte, mit einer Schusswaffe bedrohte.

Grill verursacht Kohlenmonoxidvergiftung

Weitere größere Brände gab es in Lauenburg (Kreis Herzogtum Lauenburg), in Heide (Kreis Dithmarschen), in Havetoft (Kreis Schleswig-Flensburg) und in Neumünster. Dort starb ein 21 Jahre alter Mann an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Er hatte einen nicht vollständig abgelöschten Grill in die Wohnung geholt und dort die giftigen Gase eingeatmet. Seine 54 Jahre alte Mutter konnte noch wiederbelebt werden und wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus nach Berlin geflogen. Die Polizei Lübeck berichtet zudem von einem Feuerwerkskörper, der in Richtung einer Personengruppe geworfen wurde und unmittelbar vor einem Kind zündete, das dadurch leicht verletzt wurde. Im Herzogtum Lauenburg verletzte sich ein 13-Jähriger durch einen Böller schwer an der Hand und kam in ein Krankenhaus.

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Verletzte, Übergriffe und Zerstörung - im ganzen Norden

Aus allen norddeutschen Bundesländern liegen Berichte über Verletzte, Zerstörung und bedrohte wie bedrängte Polizei- und Rettungskräfte vor. In Niedersachsen meldete die Polizei entsprechende Vorfälle aus Delmenhorst, Osnabrück oder Peine. In Hannover wurden fünf Beamte beim Eingriff in eine Auseinandersetzung verletzt. In Hamburg wurden auffällig viele Verletzungen - insbesondere bei Kindern - verzeichnet. Außerdem erlebten Einsatzkräfte auch hier Aggression: Rettungskräfte wurden mit Böllern beworfen und mit Raketen beschossen. In Mecklenburg-Vorpommern sprachen Polizei und Rettungskräfte von 500 Einsätzen, 40 verletzten Personen und hohen Sachschäden. In Grabow wurde das Rathaus teilweise zerstört: Durch einen Böller zersplitterten zahlreiche Fenster des historischen Gebäudes.


02.01.2023 13:00 Uhr

NDR Schleswig-Holstein hatte zuvor berichtet, dass in Flensburg ein 34-Jähriger Böller auf einen Rettungswagen warf. Das war laut Polizei eine Fehlinformation. Demnach hat in Flensburg ein Mann in der Silvesternacht auf einer Verkehrsinsel einen extrem lauten und vermutlich illegalen Böller gezündet. Menschen klagten danach über Ohrenschmerzen und ein sich zufällig in der Nähe befindender Rettungswagen half der Polizei den Informationen zufolge bei der Suche nach dem Täter.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 03.01.2023 | 17:00 Uhr

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