Obdachloser Manuel Engels im Interview © NDR/ SH Magazin

So sieht der Alltag eines Obdachlosen in Kiel aus

Stand: 06.10.2022 09:18 Uhr

Manuel Engels ist obdachlos und war jahrelang drogenabhängig. Nun will er sein Leben in den Griff bekommen. NDR Schleswig-Holstein hat ihn einen Tag lang begleitet.

Kurz nach acht Uhr morgens müssen die Obdachlosen die Wohncontainer verlassen haben, in denen Manuel Engels derzeit übernachtet. Danach führt ihn sein Weg als erstes zur Suchthilfe. "Ich war bis vor kurzem heroinabhängig, bis vor einer Woche", sagt er. Insgesamt sechs Jahre hat Manuel Engels Heroin geraucht und geschnupft.

Jetzt will er den Absprung schaffen - für sich selbst und für seine Tochter, erzählt er. Deshalb holt er sich nun jeden Tag seine Ersatzdroge ab. Die mache ihn zwar müde und schlapp, "aber ich habe eben auch keinen Drang mehr nach Heroin und das ist mir wichtig."

80 Cent für ein Frühstück

Von der Vergabestelle für Ersatzdrogen geht es als nächstes zum Tagestreff TaKo. Für 80 Cent bekommt Manuel Engels hier sein Frühstück. Beim Essen erzählt er von seiner Jugend im Heim. "Meine Eltern kamen nicht mit der Situation klar, dass ich die Schule geschwänzt habe", sagt er. Im Heim schaffte er seinen Hauptschulabschluss und seine Ausbildung zum Lackierer. Engels erzählt auch von seinem Vater, der trockener Alkoholiker war und Anfang des Jahres an Krebs starb. Auch Manuel Engels war jahrelang alkoholabhängig. Vor vier Jahren hat sich der 42-Jährige von seiner Frau getrennt, seitdem ist er obdachlos.

Leben von 450 Euro im Monat

Auf dem Weg nach draußen schaut Engels noch kurz beim Koch vom Kieler Anker vorbei, der gerade das Mittagessen vorbereitet. Alles, was die Obdachlosen hier bekommen, ist gespendet.

Für Manuel Engels geht es erstmal weiter zur Zentralen Beratungsstelle, Post abholen. Er ist erleichtert, denn unter den Briefen ist diesmal keine Rechnung dabei. Derzeit lebt er von 450 Euro im Monat, 100 Euro gehen noch für Schuldentilgung ab.

Hoffnung auf eine eigene Wohnung

Materielle Dinge hat er kaum noch. Sein Besitz passt in eine Tasche, ein paar Kleidungsstücke lagert er im Wohncontainer. Dabei hat er neben Regenschirm, Handy und Geldbörse nur ein paar Exemplare des Straßenmagazins "Hempels", die er verkaufen will.

Dafür stellt er sich in die Fußgängerzone der Holstenstraße. 2,50 Euro kostet ein Heft, davon darf Engels die Hälfte behalten. Dass das Geld bei den Leuten nicht mehr so locker sitzt, bekommt auch er zu spüren. "Es gibt zwischendurch immer mal wieder Tage, da läuft es richtig gut, da habe ich in zehn Minuten zehn Magazine verkauft. Aber es gibt auch Tage, so wie jetzt, da verkaufe ich nicht mal eins", erzählt er. Dennoch versucht er es weiter. "Für mein Leben wünsche ich mir, dass es weiter bergauf geht", sagt er "und ich hoffe, dass ich irgendwann eine Wohnung finde."

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Dieses Thema im Programm:

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