Ein Wasserstoffauto der Fahrschule Cordsen ist in Leck auf einer Straße unterwegs. © NDR

Fahren lernen - mit Wasserstoffautos in Nordfriesland

Stand: 25.06.2022 17:41 Uhr

Anders als E-Fahrzeuge sind Wasserstoffautos in Deutschland noch eine Seltenheit. Ein Fahrlehrer aus Nordfriesland hat es trotzdem gewagt und sich gleich zwei Wasserstoffautos für seinen Fuhrpark angeschafft.

von Lukas Knauer

"Und dann wollen wir hier gleich rechts abbiegen. Innenspiegel, Außenspiegel, Blinkersetzen nicht vergessen!" Fahrlehrer Mike Sommer ist in seinem Element. Mit ruhiger Stimme gibt er seiner Schülerin Lea Anweisungen. Gekonnt manövriert sie den Wagen durch ein Wohngebiet in Leck (Kreis Nordfriesland). Kein aufheulender Motor, kein Abwürgen - einzig ein leises Sirren begleitet die beiden auf ihrer Fahrt. Das Fahrzeug, in dem sie sitzen, ist nämlich ein Wasserstoffauto.

60 Wasserstoffautos im Kreis registriert

Im März 2022 schaffte sich Mike Sommer gleich zwei Exemplare an. Stückpreis: rund 80.000 Euro. Mit dem "Hyundai Nexo" ist er bereits 13.000 Kilometer gefahren. "Ich sag's mal so, dieses Auto ist für mich eine Art Überraschungsei - ich kann eben überhaupt nicht abschätzen, wie viel dieses Auto am Ende leisten wird." Zum Vergleich: Mit seinen Verbrennerfahrzeugen fährt er zwischen 80.000 und 90.000 Kilometer im Jahr. Werte für Wasserstoffautos gibt es bislang kaum, weil einfach noch nicht so viele Fahrzeuge mit Brennstoffzelle unterwegs sind. Das Kraftfahrtbundesamt registrierte bis Anfang vergangenen Jahres 1.211 Wasserstoffautos - im gesamten Bundesgebiet. Im Kreis Nordfriesland sind aktuell 60 Wasserstoffautos registriert.

9,99 Euro für 100 Kilometer

Zum Tanken muss Mike Sommer nach Niebüll, Husum oder Süderlügum fahren. Will er mal etwas weiter weg, muss er sich vorher im Netz informieren , wo die nächste Tankstelle zu finden ist. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet aktuell 9,99 Euro und reicht für etwa 100 Kilometer. Damit ist der Preis in etwa vergleichbar mit Verbrennungsmotoren, die mit Benzin oder Diesel fahren.

Der Tankvorgang in Niebüll ist kinderleicht. Eine einzelne Zapfsäule steht dort in einem Gewerbegebiet. Fahrlehrer Mike Sommer nutzt seine Kundenkarte, um den Terminal zu aktivieren. Dann nimmt er das Zapfventil aus der Halterung und steckt es an die Tanköffnung des Wasserstoffautos. Danach drückt er auf einen grünen Knopf, es zischt ein bisschen, und der Wasserstoff wird unter Druck in den Tank des Autos gepumpt. Im Vergleich zum "klassischen" E-Auto geht dieser Prozess relativ schnell. Innerhalb von fünf Minuten ist der Wagen vollgetankt.

Grüner Wasserstoff aus Nordfriesland

Betrieben wird die Wasserstofftankstelle von "GP Joule", einer Firma, die sich den erneuerbaren Energien verschrieben hat. Sie stellt den grünen Wasserstoff in ihren Produktionsstätten in Nordfriesland mithilfe von Windenergie her, 600 Kilogramm pro Tag. Das sei genug, um mehr als 100 Pkw jeden Tag zu betanken, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

"Das ist wirklich ein sehr spezifischer Fall in Nordfriesland - wo sowohl das Fahrzeug, als auch der Wasserstoff zur Verfügung stehen", findet Wolf-Peter Schill vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Er ist dort stellvertretender Leiter der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt. Wasserstoffprojekte, wie sie im Norden vorangetrieben werden, seien richtig und wichtig, allerdings nicht im Pkw-Bereich, findet er. Klassische E-Autos mit Batterie seien aus seiner Sicht viel effizienter. Der E-Antrieb habe den Wasserstoff-Antrieb im Pkw-Bereich längst überholt. "Hinzu kommt außerdem, dass wir in Deutschland zurzeit fast gar keinen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien herstellen können und in Zukunft wohl auch auf Importe angewiesen sind, weil die Infrastruktur nicht vorhanden ist." Außerdem werde der Energieträger dringender in anderen Bereichen gebraucht, wie zum Beispiel der Industrie, wo der Wasserstoff bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes helfen soll.

Fahrlehrer: "Ich setze trotzdem auf Wasserstoffautos"

Fahrlehrer Mike Sommer kennt die Debatte und setzte sich lange mit den verschiedenen Argumenten auseinander. Er ist trotzdem von seiner Investition in Wasserstoffautos überzeugt und plant sogar, noch einen dritten Wagen zu kaufen: "Die Autos kommen gut bei meinen Fahrschülern an und ich möchte ein Stück weit auch ein Vorreiter sein. Für mich hat diese Technik Zukunft. Jetzt muss sie nur weiter vorangetrieben werden!"

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 25.06.2022 | 19:30 Uhr

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