VW-Fahrzeuge stehen auf einem Parkplatz. © Picture Alliance Foto: Matthias Rietschel

Zulieferer leiden unter Produktionsausfällen bei Volkswagen

Stand: 15.03.2022 11:44 Uhr

Fehlende Teile aus der Ukraine führen zu wochenlangen Zwangsstopps in deutschen VW-Fabriken. Darunter leiden auch Zuliefer-Firmen in Deutschland, denn Volkswagen storniert Aufträge im großen Stil.

von Hilke Janssen

In einer normalen Woche werden bei der Firma KKT Frölich in Osterode am Harz bis zu 40.000 Umlenkhebel für den VW-Konzern gebaut. Unscheinbare Kunststoffteile für Getriebe, tausendfach verbaut in Modellen von VW, Audi und Skoda. Doch über Nacht hat Volkswagen sämtliche Bestellungen für den Monat März storniert. Ohne Ausgleichszahlung. Und ohne eine Garantie, dass die bestellten Teile zu einem späteren Zeitpunkt doch noch gekauft werden.

Zulieferer müssen eigene Lieferanten und Rohstoffe zahlen

Firmenchef Sven Vogt ist frustriert. Dass VW sämtliche Bestellungen von einem Tag auf den anderen gestoppt hat, bedeutet für ihn, dass 20 Prozent seines Monats-Umsatzes wegbrechen. Zwei von drei Produktionsanlagen stehen still. Gleichzeitig muss Vogt im März aber seine eigenen Lieferanten, die Rohstoffe und Teile liefern, weiterbezahlen. "Wir wissen gar nicht, was von VW in Zukunft noch abgenommen wird", sagt Vogt.

"Verheerende" Situation für kleine und mittlere Betriebe

Die Firma KKT Frölich kann die weggebrochenen Aufträge abfangen, weil Volkswagen nicht der einzige Kunde ist. Als Vorsitzender des Arbeitgeberverbands der Deutschen Kautschukindustrie kennt Vogt aber die Lage in vielen anderen Zuliefer-Betrieben in Norddeutschland. Die Situation sei "verheerend", vor allem in den kleinen und mittleren Unternehmen. Seit der Corona-Krise seien diese Firmen ohnehin schon "bis obenhin verschuldet", beschreibt Vogt die Lage. Wenn große Autobauer nun noch ihre Aufträge stornieren, wüssten die Unternehmen nicht mehr, "wie sie Ende März die Löhne, die Lieferanten und die Stromrechnungen bezahlen sollen".

Ukraine-Krieg führt zu Produktions-Engpässen bei VW

Volkswagen ist von den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs besonders betroffen. Weil Kabelbäume aus der Ukraine nicht mehr geliefert werden, muss VW in einigen Werken Zwangspausen einlegen. Unter anderem ruht die Fertigung von Elektroautos in Dresden und Zwickau. Im Stammwerk in Wolfsburg stehen die Bänder still. Auch die Marken Audi, Porsche und VW Nutzfahrzeuge können nicht wie gewohnt produzieren. Je nach Standort gilt der Stillstand wochen- oder tageweise.

VW-Chef Diess: Zulieferer werden "nicht erpresst"

Konkrete Aussagen, wann die deutschen Werke die Produktion wieder starten, gibt es bisher nicht. Man sei sehr besorgt, die Lage sei sehr unübersichtlich, heißt es dazu bei Volkswagen. "Früher oder später" werde man in der Lage sein, die Fabriken wieder anlaufen zu lassen, sagte VW-Konzernchef Herbert Diess am Dienstag auf der Bilanzpressekonferenz in Wolfsburg. Zum Umgang mit den Zulieferern sagte Diess auf NDR Nachfrage, dass die Branche "nicht erpresst" werde. Vor allem die großen Zulieferer hätten teilweise höhere Renditen als die Autobauer selbst. "Volkswagen steht in engem Austausch mit seinen Zulieferern, um eventuelle Auswirkungen von Produktionsanpassungen für das gesamte Netzwerk zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten", hieß es von VW in einer Stellungnahme. Und weiter: Die Sicherung des Lieferantennetzwerks habe gerade in Zeiten der Pandemie, unter den Bedingungen des Halbleiter-Engpasses sowie im Ukraine-Konflikt oberste Priorität."

Zulieferer schwanken zwischen Flaute und Sonderschichten

Autozulieferer wie KKT Frölich in Niedersachsen können zurzeit nur abwarten und hoffen. Firmenchef Vogt ärgert sich aber über den Umgang der mächtigen Großkunden mit der aktuellen Lage. Ware werde spontan abbestellt, aber gleichzeitig maximale Flexibilität verlangt. Man schwanke zwischen Flaute und plötzlichen Sonderschichten am Wochenende, zwischen Null und Hundert, sagt Vogt. Das sei mit den Mitarbeitenden kaum zu organisieren.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 15.03.2022 | 11:00 Uhr

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