Stand: 25.10.2013 11:52 Uhr

Was verbirgt sich hinter den "Unsterblichen"?

Das Urteil im Prozess um einen Rechtsextremen aus Buchholz vor dem Amtsgericht Hamburg-Harburg ist am Freitag vertagt worden. Weil zwei Zeugen nicht erschienen, verschob die Richterin den Abschluss der Verhandlung auf den 11. November. Angeklagt ist der 30-jährige Denny R. Er soll sich Ende Dezember 2011 in Hamburg-Eißendorf an einem Fackelaufmarsch der sogenannten Unsterblichen beteiligt haben. Wer steckt hinter den "Unsterblichen" und welche Ziele verfolgten sie? NDR.de hat mit dem Journalisten und Rechtsextremismus-Experten Felix M. Steiner gesprochen.

Wer oder was verbirgt sich hinter den "Unsterblichen"?

Der Journalist Felix M. Steiner im Interview
Der Journalist Felix M. Steiner beobachtet Aktionsformen und Strategien der extremen Rechten.

Felix M. Steiner: Die "Unsterblichen" waren keine feste Gruppe. Vielmehr handelte es sich um eine Aktionsform der extremen Rechten, die etwas mehr als ein Jahr in ganz Deutschland durch verschiedene Gruppierungen genutzt wurde. Erstmals marschierten Neonazis am 1. Mai 2011 durch das sächsische Bautzen. Danach wurde die Aktion rund 20 Mal in ganz Deutschland wiederholt. In erster Linie waren vor allem die Videos wichtig, die von den Aufmärschen der weiß maskierten Rechtsextremen gedreht wurden. So fanden die Aktion und die rassistischen Botschaften Tausende Zuschauer im Internet.

Was haben die Rechten bei den Aufmärschen gemacht?

Steiner: Meist fand sich eine Gruppe extrem Rechter nachts zusammen und formierte sich wie aus dem Nichts zu einer Demonstration. Dann zogen die Teilnehmer mit Fackeln und weißen Masken durch Städte wie Bautzen, Stolpen oder Hannover.

Maskierte Menschen marschieren mit Fackeln.
Die Fackelaufmärsche der "Unsterblichen" erinnern stark an die Ästhetik der Nationalsozialisten.

Dabei zündeten sie Feuerwerkskörper und riefen rechte Parolen, wie von einigen Zeugen ausgesagt wurde. Nach wenigen Minuten war alles wieder vorbei und die Neonazis verschwanden. Aber es gab auch Aufzüge, die tagsüber stattfanden. So zogen im nordthüringischen Nordhausen maskierte Neonazis während eines Volksfestes durch die Straßen und versuchten ihre rassistische Ideologie zu verbreiten. Bei dem Versuch des Bürgermeisters, sie wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht aufzuhalten, traten sie auf diesen ein und flohen.

Sie sagten, die Videos von den Aufmärschen seien relevant. Was ist an denen so besonders?

Steiner: Die Videos sind das eigentlich Wichtige an der Aktion. Denn erst mit den Videos konnten Tausende - wahrscheinlich vor allem junge Menschen - erreicht werden. Durch eine entsprechende Kameraführung, Musik und andere Effekte wurden hoch-inszenierte kurze Filme geschaffen, die sehr an eine nationalsozialistische Ästhetik erinnern. Und dies alles teilweise mit einer recht hohen Professionalität. Wobei man eben auch ganz klar sagen muss, dass die Qualität der Filme von Gruppe zu Gruppe stark schwankte. Einige Videos wirkten durch ihre schlechte Qualität fast als Parodie der Aktion.

Die rechtsextremistische Vereinigung "Widerstand Südbrandenburg" ist im Juni 2012 verboten worden. Sie soll die ersten Aufmärsche initiiert haben. Was ist aus den "Unsterblichen" nach dem Verbot geworden?

Steiner: Da die Brandenburger lediglich als Initiatoren der Aktion gelten, hatte das Verbot kaum einen Einfluss auf die "Unsterblichen". Zum Zeitpunkt des Verbots, also über ein Jahr nach ihrem ersten Auftreten, hatten bereits andere Gruppen die Aktion nachgeahmt.

Beschlagnahmte Fahnen, Masken und Waffen der rechtsextremen Gruppe "Die Unsterblichen" werden auf einer Pressekonferenz der Polizei in Hamburg gezeigt. (02.03.2012) © NDR Foto: Stefan Schölermann
Anfang März 2012 durchsuchte die Polizei Wohnungen von 17 "Unsterblichen" und beschlagnahmte diverse Devotionalien.

Die Homepage zu der neonazistischen Kampagne besteht bis heute, und somit sind auch die rassistischen Inhalte bis heute weiterhin im Internet abrufbar. Allerdings finden dennoch schon seit geraumer Zeit keine Aktionen dieser Art mehr statt. Denn nicht nur in Brandenburg haben die Ermittlungsbehörden den Druck erhöht und sind teils mit Razzien gegen vermeintliche Teilnehmer vorgegangen. Dadurch lief die Idee, dass eben niemand erkannt werden sollte und somit auch keine Strafverfolgung möglich ist, ins Leere. Seit Ende 2012 gab es dann kein Auftreten der "Unsterblichen" mehr.

Mit dem Verbot von "Widerstand Südbrandenburg" sollten auch deren Internetauftritte eingestellt werden, über die die Videos verbreitet wurden. Wieso ist die Seite der "Unsterblichen" noch erreichbar?

Steiner: Diese Frage ist schwer zu beantworten. Das müssen die Sicherheitsbehörden erklären. Aber wahrscheinlich wird es wie bei anderen Neonazi-Seiten auch sein, dass die Inhalte auf einem ausländischen Server liegen und daher keine Möglichkeit besteht, diese vom Netz zu nehmen.

Im Herbst 2012 gründete sich die Facebookgruppe "Die Identitären Deutschland". Was steckt dahinter, und gibt es Verbindungen zwischen der Aktionsform "Die Unsterblichen" und den "Identitären"?

Steiner: Die "Identitären" sind eine Strömung, die zunächst in Frankreich entstand und dann nach Deutschland und Österreich herüberschwappte. Im Vergleich zu den "Unsterblichen" sind die "Identitären" weniger eine Aktionsform als vielmehr eine ideologische Strömung innerhalb der extremen Rechten. Aber es gibt sicher Ähnlichkeiten. So sind die "Identitären" ebenfalls ein Versuch, extrem rechte Ideologien in einem neuen und hippen popkulturellen Gewand zu präsentieren. So wie die "Unsterblichen" versuchten, nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten, sollen die Ideen der "Neuen Rechten", die in den 60er-Jahren in Frankreich entstanden, nun durch die "Identitären" neu aufgelegt werden. Wie so oft bei der extremen Rechten gilt in beiden Fällen: alter Wein in neuen Schläuchen. Aber auch die "Identitären" konnten bei Weitem nicht den erhofften Einfluss erreichen und sind mittlerweile eher als Randerscheinung im Verblassen begriffen.

Noch einmal zurück zu dem Prozess in Hamburg-Harburg. Was weiß man über den Angeklagten Denny R.?

Steiner: Denny R. ist alles andere als ein Unbekannter in der Szene. Er ist schon eine ganze Zeit aktiv. Neben den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft soll er auch verschiedene Online-Angebote der Szene betreut haben und hat Gegendemonstranten abfotografiert. Er scheint nach allem, was man bisher weiß, also kein Mitläufer oder neu in der extrem rechten Szene zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Vivienne Schumacher, NDR.de

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | NDR Kultur - Das Journal | 08.08.2016 | 22:45 Uhr

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Rechtsextremismus

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