Stand: 05.07.2022 08:30 Uhr

Spritpreise: Was hat der Tankrabatt bislang gebracht?

Am 1. Juni wurde in Deutschland der sogenannte Tankrabatt - eine vorübergehende Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoff - eingeführt. Trotzdem schwanken die Preise für Benzin und Diesel stark. Warum ist das so? Der täglich aktuelle NDR Spritpreis-Monitor gibt Antworten.

Während die Durchschnittspreise für Super und Benzin in der letzten Juni-Woche wieder auf das niedrigste Niveau seit Einführung des Tankrabatts am 1. Juni dieses Jahres zurückgegangen sind, müssen Autofahrer deutlich mehr bezahlen, wenn sie Diesel tanken. Das zeigt eine tagesaktuelle NDR-Analyse der Zapfsäulenpreise aller in Deutschland aktiven und gemeldeten Tankstellen. Traditionell ist Diesel billiger als Benzin. Jetzt nicht mehr. Ist das ein Ergebnis des Tankrabatts? Und kommt der Rabatt überhaupt bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern an?

Erste Studien: Tankrabatt kommt an

Um Letzteres herauszufinden, vergleichen Wissenschaftler das Niveau der Benzinpreise in Deutschland mit dem in Ländern, die den Rabatt in dieser Form nicht haben, bspw. Frankreich oder Österreich. So fand das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in München (ifo institut) in einer Analyse heraus, dass der Tankrabatt in den ersten Juni-Tagen fast vollständig bei deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern ankam. Ein regionaler Feldversuch der Fernuniversität Hagen kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. "In einer ersten Auswertung konnten wir zeigen, dass die Entlastung fast zu 100 Prozent an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben wurde", sagt Hans-Jörg Schmerer, Professor am Lehrstuhl für Internationale Ökonomie.

Preise abhängig von Ölmultis...

Die bisher erschienen Studien sind Momentaufnahmen, teilweise regional begrenzt. Und sie geben keine Auskunft darüber, ob die Preise an den Zapfsäulen tatsächlich - zumindest während der Dauer des Rabatts - auf niedrigerem Niveau bleiben. Denn weil der Tankrabatt erst zum Schluss abgezogen wird, haben die Ölmultis bereits vorher zahlreiche Möglichkeiten, trotzdem größere Gewinne zu machen: "Die Raffinerie-Margen sind so hoch wie noch nie", sagt Harm Bandholz, Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik der Fachhochschule Kiel. Gemeint ist der Preis, den die Raffinerien dafür verlangen, Rohöl in feinere Kraftstoffe weiterzuverarbeiten. Das Problem: Nicht nur gibt es ohnehin schon wenige Mineralölkonzerne auf der Welt, auch eine Vielzahl an Raffinerien gehört zu ihnen. "Über die Raffinerie-Marge können die Mineralölkonzerne den Spritpreis erhöhen, bevor der Tankrabatt überhaupt seine Wirkung entfalten kann", meint Bandholz.

...und vom Rohölpreis

Hinzu kommt, dass der Preis für Rohöl auf dem Weltmarkt starken Schwankungen unterliegt - gerade in Krisenzeiten. Wenn der Weltmarktpreis steigt, bedeutet das auch höhere Preise für den Endverbraucher. Starke Schwankungen des Preises an der Zapfsäule müssen also nicht heißen, dass die Mineralölkonzerne mal mehr und mal weniger Tankrabatt an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben.

Tankrabatt: "Ein Wahnsinn, so etwas zu machen!"

Auch wenn Volkswirte sich noch nicht einig sind, wie stark die Mineralölkonzerne vom Tankrabatt profitieren, stimmen sie in einem Punkt überein: Der Tankrabatt ist wenig sinnvoll. "Es ist ein Wahnsinn, so etwas zu machen," sagt Hans-Jörg Schmerer von der Fernuniversität Hagen. Die Bundesregierung überlege auf der einen Seite, welche Sanktionen sie gegen Russland erlasse. Auf der anderen Seite verbillige sie den Treibstoff und kurbele damit den Verbrauch an, sodass Russland am Weltmarkt wieder mehr Geld verdienen könne. Auch Harm Bandholz von der FH Kiel ist angesichts der vielen Faktoren, die Einfluss auf die Spritpreise haben, nicht überzeugt: "Es ist schwierig, den Benzinpreis beeinflussen zu wollen." Aus Bandholz' Sicht wäre es besser gewesen, Geringverdienern einen gewissen Ausgleich zu zahlen, statt die Energiesteuer als Hebel zu verwenden.

Teurer Diesel

Ein weiteres Phänomen in Zusammenhang mit dem Tankrabatt: Diesel ist jetzt oft teurer als Benzin. Das ist ungewöhnlich, schließlich galt doch jahrzehntelang in Deutschland das Dieselprivileg - also eine niedrigere Energiesteuer auf Diesel. Und genau diese unterschiedliche Besteuerung gilt jetzt nicht mehr. Diesel ist mit dem Tankrabatt nun 16,7 Cent pro Liter (inklusive Umsatzsteuer) günstiger. Bei Benzin wurde die Energiesteuer um 35,2 Cent je Liter gesenkt.

Zudem bezieht Deutschland einen beachtlichen Teil seines Diesel-Kraftstoffs aus Russland. Zwar gibt es auch mehrere Monate nach dem Angriff auf die Ukraine noch kein Einfuhrverbot für russische Kraftstoffe, dennoch meiden immer mehr Unternehmen den direkten Handel mit Russland. Der Wettbewerb um den verbleibenden Diesel-Kraftstoff nimmt zu und treibt den Preis. Dabei hilft es nicht, dass gleichzeitig viele Besitzer einer Ölheizung aus Angst vor noch größeren Preissprüngen oder Lieferengpässen bereits jetzt Heizöl für den kommenden Winter kaufen. Diesel und Heizöl unterscheiden sich zwar in ihrer Chemie, weisen aber Gemeinsamkeiten in der Herstellung auf. So kann auch die gesteigerte Nachfrage nach diesem Brennstoff den Druck auf den Diesel-Preis erhöhen.

Was passiert, wenn der Tankrabatt endet?

Stand heute soll der Tankrabatt noch bis zum 31. August laufen. Was danach passiert, ist unklar. Hans-Jörg Schmerer von der Fernuni Hagen geht von einer schleichende Erhöhung über die kommenden Wochen aus - und dann mit Ende des Tankrabatts wieder von Preisen auf hohem Niveau.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Nachrichten | 05.07.2022 | 06:41 Uhr

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