Ein ICE steht im Hauptbahnhof Hannover an einem verwaisten Bahnsteig. © Moritz Frankenberg/dpa

Sabotage-Akt bei der Bahn: Sicherheitsstruktur soll überprüft werden

Stand: 10.10.2022 15:36 Uhr

Nach der massiven Sabotage bei der Deutschen Bahn werden die Rufe nach einem stärkeren Schutz der kritischen Infrastruktur immer lauter. In NRW und Berlin ermittelt der Staatsschutz. Am Sonnabend war der Bahnverkehr im Norden vorübergehend fast komplett zum Erliegen kommen.

Der Staatsschutz in Bochum geht im Fall der Bahn-Sabotage vom Wochenende von einer "politisch motivierten Tat" aus. Das sagte ein Polizeisprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Wir haben eine größere Ermittlungsgruppe beim Staatsschutz gebildet, die mit Hochdruck daran arbeitet, die Hintergründe der Tat zu klären." Der Bochumer Staatsschutz ermittelt zum Tatort in Herne. Da auch Berlin ein Sabotage-Ort war, stehen die Ermittler aus dem Ruhrgebiet in engem Austausch mit dem Landeskriminalamt in der Hauptstadt. Auch dort ermittelt der Staatsschutz. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) schließt nicht aus, dass auch das BKA und der Generalbundesanwalt sich mit dem Fall beschäftigen.

Wissing: Infrastruktur im Visier vieler Täter

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach im ARD-Morgenmagazin ebenfalls von Sabotage. Dort sagte er: "Wir haben 34.000 Kilometer Schienennetz in Deutschland. Dass man das nicht lückenlos mit einer ständigen Präsenz überwachen kann, ist klar." Aber die Wachsamkeit sei hoch seit Beginn des Krieges in der Ukraine, "weil wir wissen, dass die Infrastrukturen ins Visier vieler Täter geraten sind". Die Sicherheitsstrukturen würden nun noch einmal überprüft, die Standards seien aber bereits hoch. Man werde den Vorfall genau analysieren und gegebenenfalls die Schutzkonzepte anpassen.

IT-Sicherheitsexperten: Könnte sich um Testlauf handeln

IT-Sicherheitsexperten zufolge könnte es sich bei der gezielten Sabotage um einen Testlauf gehandelt haben. "Es könnte nur ein Testdurchlauf gewesen sein, um die Auswirkungen einer solchen Sabotage zu sehen", sagte Michael Wiesner, Sprecher des Expertengremiums Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen (AG Kritis) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es handle sich um koordiniertes Vorgehen, so der AG-Kritis-Sprecher und IT-Sicherheitsberater. Die Täter hätten Informationen über die Trassenführung, das Zugfunk-System (GSM-R) sowie die Folgen eines Ausfalls gehabt. "Dies lässt auf jeden Fall auf ein hohes Maß an krimineller Energie und umfangreiche Vorbereitung schließen", sagte Wiesner weiter.

Das sieht auch ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt so. Er sagte auf NDR Info: "Wer das getan hat, der hatte tiefe Kenntnisse von dem, wie die Kommunikationsstruktur der Deutschen Bahn funktioniert." Die Bahn habe zum einen sehr viele Mitarbeiter, die dieses Wissen hätten, zum anderen richteten sich die Untersuchungen auch auf eine mögliche Spionage.

Hybride Kriegsführung

Neben einem möglichen Testlauf sei auch ein Zusammenhang mit der mutmaßlichen Sabotage an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 oder mit der Zerstörung der Krim-Brücke denkbar, sagte IT-Sicherheitsexperte Wiesner. Ebenso könnte der Zeitpunkt explizit gewählt worden sein, etwa aufgrund von Großveranstaltungen wie der AfD-Demonstration in Berlin oder den Bundesliga-Fußballspielen am Wochenende. In diesem Jahr registrierte die AG Kritis vermehrt Cyberangriffe, etwa auf den Energiesektor. "Seit dem Ukraine-Krieg wird zudem immer deutlicher, dass bei kriegerischen Auseinandersetzungen vermehrt auf eine 'hybride Kriegsführung', also traditionelle Operationen, die durch Cyberangriffe begleitet und unterstützt werden, gesetzt wird", sagte Wiesner.

Sicherheitsexperte: Russland hat Interesse an Panik

Der Sicherheitsexperte Peter Neumann hält einen Angriff Russlands auf die kritische Infrastruktur in Deutschland für möglich. "Russland hat schon ein Interesse daran, in Europa Panik zu verursachen und zu signalisieren, dass es ganz heftig das Leben lahmlegen kann", sagte der Wissenschaftler dem Sender RTL. Dies sei aber nur eine Theorie.

Mehr Befugnisse für die Bundespolizei gefordert

Von einer hohen Bedrohungslage spricht auch SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Dies hätten die Sabotageakte auf die Infrastruktur noch mal sehr deutlich gemacht, sagte er der "Rheinischen Post". Wichtig sei daher, "dass unsere Sicherheitsbehörden die erforderlichen Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung haben. Insbesondere müssen wir jetzt sehr schnell ein modernes Bundespolizeigesetz im Bundestag auf den Weg bringen."

Tatorte in Berlin und Herne

Unbekannte hatten in der Nacht von Freitag auf Sonnabend einen Kabelstrang des GSM-R-Funknetzes im nordrhein-westfälischen Herne und einen weiteren in Berlin durchtrennt. Das Netz dient zur Kommunikation zwischen Lokführer und Leitstelle. Der Bahnverkehr musste daraufhin in ganz Norddeutschland eingestellt werden. Unzählige Fahrgäste strandeten an den großen Bahnhöfen. Nach Angaben der Deutschen Bahn normalisierte sich der Zugverkehr am Sonntag wieder.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Infoprogramm | 10.10.2022 | 13:00 Uhr

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Bahnverkehr

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