NDR Info im Dialog: Der Gender-Stern im NDR Info Programm

Die Gesellschaft für deutsche Sprache erklärt, es gelte als erwiesen, dass Sprache die Wahrnehmung lenkt. Daher sei es notwendig, "sprachliche Gleichberechtigung umzusetzen, um die im Grundgesetz verankerte gesellschaftliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu stützen". Dass diese Sicht nicht mehrheitlich von allen getragen wird, zeigt sich in dieser Gesprächsrunde besonders deutlich. NDR Chefredakteur Adrian Feuerbacher erklärt, warum der Sender sich trotzdem dazu entschieden hat, das Gendern zu ermöglichen.
Die Mehrheit stört sich am Sternchen
Schon in der Vorstellungsrunde zu Anfang des Gesprächs wird klar, dass ein Großteil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Gendern problematisch findet oder sogar völlig ablehnt. Die angeführten Argumente sind vielfältig. Die Teilnehmer Dirk Schultz und Hans Kaufmann finden:
"Gendern klingt einfach aufgesetzt und unnatürlich."
Hannes Mahrenholtz und Leif Lebender meinen, es störe den Hörfluss im Radioprogramm. Hans Kaufmann geht sogar noch einen Schritt weiter und meint, es sei eine Behauptung, dass Sprache ungerecht ist und das Gendern widerspreche fundamental dem Demokratieprinzip. Auch Wilfried Kirschner ist überzeugt:
"Die Sexualisierung der Sprache durch Männer ist erstmal nur eine These."
Eine kontroverse Diskussion
Doch nicht alle in der Runde sehen das so eindeutig. Sebastian Schack, selbst Chefredakteur eines Technik-Magazins, erklärt, dass in seiner Redaktion schon recht früh mit dem Gendern begonnen wurde. Er findet es hässlich und gesprochen holprig, doch am Ende ist er der Meinung:
"Wir befinden uns in einem Lernprozess und es sollte jedem selbst überlassen sein."
Denn auch, wenn die Mehrheit anderer Meinung ist, gebe es die Notwendigkeit, Rücksicht auf alle anderen zu nehmen. Und das ist auch ein Teil der Leitlinie, die NDR Info zu diesem Thema formuliert hat, erklärt Adrian Feuerbacher:
"Wir setzen uns für eine faire, diskriminierungsfreie und inklusive Sprache ein, aber gleichzeitig empfehlen wir das Gendern im Radio nach Möglichkeit zu vermeiden."

Dass es trotzdem im Programm zu hören sei, liege daran, dass Kolleg*innen, denen besonders daran gelegen ist, sich nicht persönlich in ihrer Freiheit beschränkt fühlen sollen. Zudem kämen auch Beiträge von anderen Sendeanstalten oder Korrespondent*innen, die nicht zensiert werden. Adrian Feuerbacher beschreibt, dass das Thema lange kontrovers diskutiert wurde und es im Kollegium keine einheitliche Meinung dazu gebe.
Redakteur Joachim Hagen sieht Sprache als sein wichtigstes Arbeitsinstrument. Er selbst gendert nicht:
"Aber wenn jemand den Genderstern nutzen will, bin ich der Letzte, der das unterbindet."
Sichtbarkeit, Empathie und Toleranz
Für NDR Reporterin Lea Eichhorn ist die geschlechtersensible Gestaltung von Sprache ein wichtiges Anliegen. Es sei wichtig, Minderheiten auf dem Schirm zu haben und für deren Repräsentanz in der Gesellschaft zu sorgen. Das gehöre zu ihrer Aufgabe als Journalistin:
"Auch diejenigen, die nicht in das binäre Geschlechtersystem passen, sollen sich angesprochen fühlen."
Dennoch versuche sie, Empathie für alle Seiten zu haben und verwende den Stern nicht übermäßig. Teilnehmerin Katharina Swinka ist immer wieder überrascht über die Heftigkeit, mit der gegen den Stern argumentiert werde.
"Es gibt in der Diskussion viele Emotionen, aber wenig Toleranz."
Sie begrüßt den offenen Rahmen, den NDR Info formuliert hat, da darin unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck kommen können. Das Gendern passe gut in die Zeit und biete die Möglichkeit, sichtbar zu werden.
Benachteiligung auf anderer Ebene?
Leif Lebender hingegen ist gar nicht überzeugt davon. Er bringt noch einen anderen Aspekt in die Diskussion:
"Eine akademische, künstliche Sprache schließt diejenigen aus, die ohnehin schon Probleme mit der deutschen Sprache haben."
Andere in der Runde bemängeln, dass auch Männer sich durch das Gendern benachteiligt fühlen können und auch Hans Kaufmann meint, dass Männer mit dem generischen Maskulinum ebenfalls nur mitgemeint sind. Herr Lorch wünscht sich, dass Benachteiligungen bestimmter Gruppen eher durch inhaltliche Beiträge sichtbar werden sollten und weniger durch Sprache.
Entwicklung von Sprache heißt auch, Dinge auszuprobieren
Abschließend stellt NDR Chefredakteur Feuerbacher noch einmal einige wichtige Punkte heraus: Die Leitlinie des NDR zum Thema Gendern sei keine "Laissez-faire" Haltung, sondern das Ergebnis intensiver Diskussion.
"Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung wird bei NDR Info nicht durchgehend gegendert. Es bildet eher die Ausnahme."
