Fynn Kliemann bei der Premiere des Kinofilms 'Die Gangster Gang' © picture alliance / Geisler-Fotopress | Nicole Kubelka/Geisler-Fotopress

Fynn Kliemann wehrt sich gegen Vorwurf des "Maskenbetrugs"

Stand: 06.05.2022 21:45 Uhr

Hat der YouTube-Star und Unternehmer Fynn Kliemann aus Niedersachsen bei dem Verkauf von Corona-Masken Kunden hinters Licht geführt? Jan Böhmermann erhebt in der Sendung "ZDF Magazin Royale" den Vorwurf des "Maskenbetrugs". Kliemann weist die Anschuldigungen zurück, räumt aber auch Fehler ein.

von Marc-Oliver Rehrmann

In der Nacht zu Freitag veröffentlichte das ZDF ein Video und eine Internetseite mit den Vorwürfen. Eine umfassende ZDF-Recherche habe demnach ergeben, dass Kliemann zusammen mit seinem Geschäftspartner Tom Illbruck im großen Stil Corona-Schutzmasken verkauft hat, die - anders als angegeben - nicht in Europa produziert wurden. Die Redaktion von ZDF Magazin Royale schreibt im Internet: "Die Recherche zeigt, dass Kliemann und Illbruck im Jahr 2020 mindestens 2,3 Millionen Masken in Bangladesch und Vietnam in Auftrag gegeben haben. In der Öffentlichkeit sprechen beide bis heute nur von Masken aus Europa." In Auftrag gegeben wurde die Masken-Produktion in Asien von der Firma Global Tactics, deren Geschäftsführer Illbruck ist.

Kliemann: "Meine Masken kamen zu 100 Prozent aus Europa"

"Ich nehme diese Vorwürfe sehr ernst", schreibt Fynn Kliemann in einer Stellungnahme, die auch dem NDR vorliegt. "Ja, Global Tactics hat auch in Bangladesch Masken herstellen lassen. Nein, ich habe diese Masken nie verkauft oder beworben. Ich habe ausschließlich über www.maskeoderso.de Masken angeboten und diese kamen zu 100 % aus Portugal und Serbien." Laut Kliemann waren die Masken, die über Global Tactics in Bangladesch produziert wurden, "ein reines Großhandelskontingent für die Handelspartner und Großabnehmer von Global Tactics, und wurden auch nur an diese verkauft". Kliemann selbst rühmte sich im Frühjahr 2020 auf Instagram als einen "der größten Masken-Produzenten Europas".

ZDF beruft sich auf Chat-Nachrichten und Lieferscheine

Für die Recherche hatte die ZDF-Redaktion nach eigenen Angaben interne Chats, Sprachnachrichten, E-Mails, Lieferscheine, Auftragsbestätigungen, Fotos, Videoaufnahmen und Anruflisten ausgewertet. Zudem liegen dem ZDF offenbar Fotos von Schnittmustern aus einer Textilfabrik in Bangladesch vor, die "Oderso"-Masken mit der Aufschrift "A) Fynn" zeigen. Oderso ist der Name der Marke, unter der Kliemann kleine Mengen der Masken per Online-Handel verkauft hat.

Auch der FC St. Pauli verkaufte Kliemanns Masken

Laut ZDF wurde von der Firma in Bangladesch pro Maske ein Preis von 40 Cent in Rechnung gestellt, in Vietnam waren es 45 Cent. Auf der Website von Global Tactics bezahlten Großkunden demnach bei einer Bestellung ab 100 Masken 98 Cent, ab einer Bestellung ab 10.000 96 Cent, ab 20.000 Masken 93 Cent pro Stück. Auch der FC St. Pauli ging im April 2020 eine Zusammenarbeit ein und verkaufte die "Mundbedeckungen". Der 34 Jahre alte Kliemann teilte nun mit, dass dem Hamburger Fußballclub "ausschließlich europäische Masken geliefert und von diesem veräußert" worden seien. Der FC St. Pauli kündigte in einer ersten Stellungnahme an, die Vorwürfe zu prüfen und schrieb, dass eine geplante weitere Zusammenarbeit des FC St. Pauli mit Global Tactics hinsichtlich eines anderen Projekts nach Bekanntwerden der Vorwürfe gestoppt worden sei.

Richtig ist offenbar, dass die Firma Global Tactics auch bei Produktionsstätten in Portugal und Serbien Corona-Masken in Auftrag gab. Geschäftsführer Illbruck erklärt auf Anfrage des ZDF, dass die Produktion einer Maske in Portugal zwischen 50 und 53,5 Cent und in Serbien 45 Cent gekostet habe.

Wer ist eigentlich Fynn Kliemann?

Fynn Kliemann stammt aus der niedersächsischen Kleinstadt Zeven. Bekannt wurde er durch Heimwerker-Videos auf YouTube. Auf den Social-Media-Kanälen hat er Hunderttausende Fans. Das YouTube-Format "Kliemannsland" wurde von 2016 bis 2020 vom NDR für funk produziert. Kliemann ist auch Autor, Schauspieler, Künstler und Musiker - zwei seiner Musikalben schafften es auf Platz eins der deutschen Albumcharts. Zudem verkauft er Modeartikel - zwischenzeitlich bot er auch Corona-Masken an.

Kliemannn: "Wir wollen mit den Masken nichts verdienen"

Der Niedersachse betonte im Frühjahr 2020, er wolle sich an einer Krise wie der Corona-Pandemie nicht bereichern. "Wir wollen nichts damit verdienen", sagt Kliemann im April 2020. Jetzt teilte er in seiner Stellungnahme mit: "Ich habe mit dem Verkauf von europäischen Masken über meinen Shop Geld verdient, ja. Aber bezugnehmend auf das Herkunftsland habe ich niemals jemanden getäuscht oder etwas für etwas ausgegeben, was es nicht war." Kliemann ist seit 2021 Mitgesellschafter bei Global Tactics.

Unbrauchbare Masken an Geflüchtete verschickt?

Aber das ZDF wirft Kliemann und Illbruck nicht nur verschleierte Produktionsstätten vor. Sie hätten zudem "100.000 unbrauchbare Masken aus Bangladesch, die ihnen der Hersteller umsonst überlassen hatte, an Geflüchteten-Unterkünfte in Griechenland und Bosnien" verschickt. Die beiden Unternehmer hätten sich "mit den mangelhaften Masken öffentlichkeitswirksam als Wohltäter inszeniert". Zuvor hatte sich eine Lieferung aus Bangladesch als qualitativ minderwertig - und nicht für den Verkauf geeignet - herausgestellt.

Kliemann: "Der für mich schlimmste Punkt"

Kliemann weist auch diesen Vorwurf zurück: "Der für mich schlimmste Punkt ist die Anschuldigung, ich hätte defekte Masken an Flüchtlingslager geliefert. Diese Masken waren laut Produzenten nicht defekt, oder hatten eine schlechte Schutz-Wirkung. Sie waren einfach nur etwas größer als die ursprüngliche Vorgabe und wurden deswegen in Einvernehmen der Parteien Global Tactics und Texolution gespendet." Die Firma Global Tactics habe sich um den Transport gekümmert. "Und ich habe mich lediglich online dazu abfeiern lassen. Das war falsch und tut mir sehr leid. Auch dafür möchte ich um Entschuldigung bitten."

Deutscher Nachhaltigkeitspreis von 2020 aberkannt

Die Berichterstattung des ZDF hat bereits Folgen für Kliemann. Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis (DNP) erkennt einen im Jahr 2020 verliehenen Sonderpreis für seine Corona-Masken ab. "Weil er unlautere Methoden angewendet und uns mit Greenwashing hintergangen hat, erkennen wir ihm den Preis ab", teilte die Stiftung am Freitag im Internet mit. Die Stiftung habe sich damals Portugal als Produktionsort der Masken "explizit vom Team von Fynn Kliemann versichern lassen". Die Recherchen des ZDF belegten, "dass diese Aussagen nicht stimmten". Weiter heißt es in der Mitteilung: "Gravierender noch ist die vorsätzliche Verteilung minderwertiger Masken an Flüchtlingslager. Diese Ausnutzung von Notlagen ist mit allem, was wir unter Nachhaltigkeit verstehen, nicht zu vereinbaren." Die Entscheidung der Stiftung fiel zu einer Zeit, als die Stellungnahme von Fynn Kliemann noch nicht vorlag.

Online-Händler About You nimmt Masken aus Verkauf

Beim Online-Modehändler About You sind am Freitag keine Masken von Kliemanns Marke Oderso mehr zu finden. "Aktuell prüfen wir den Fall intern, um uns ein genaues Bild über den Sachverhalt zu verschaffen", teilte eine Unternehmens-Sprecherin am Freitagmittag dem NDR mit. "Im ersten Schritt haben wir daher die Oderso-Masken offline genommen."

Kliemann: "About You wusste Bescheid"

About You hatte im Frühjahr 2020 nach eigenen Angaben mehrere Millionen Masken bei Fynn Kliemann bestellt. Am Freitag schreibt Kliemann dazu: "Laut Global Tactics wurden alle Abnehmer dieser Masken [aus Bangladesch] im Vorfeld über das Herkunftsland genau informiert. Im Falle von About You ist das laut Global Tactics auch passiert und About You wusste Bescheid, dass die Lieferungen aus verschiedenen Ländern, auch außerhalb Europas, stammten." Der Modehändler widersprach dieser Darstellung umgehend: "Global Tactics hat uns gegenüber angegeben, dass die Masken aus Europa kommen. Wir wurden von Global Tactics nach den uns vorliegenden Informationen nicht darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Masken außerhalb Europas produziert worden sein sollen."

Fynn Kliemann hat am Freitagabend auf einem seiner Social-Media-Kanäle ein Video veröffentlicht, auf dem er sich zu den Vorwürfen äußert.

 

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NDR Info | 06.05.2022 | 21:45 Uhr

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