Corona-Podcast: Drosten hofft auf Entspannung ab Ostern
Der Virologe Christian Drosten erklärt im Coronavirus-Update von NDR Info, unter welchen Umständen der Subtyp BA.2 die Omikron-Welle verlängern könnte, weshalb eine Omikron-Infektion keine Impfung ersetzt und warum das großflächige PCR-Testen mittelfristig beendet werden sollte.
Keine Masken, keine Impfnachweise mehr: Als erstes EU-Land hat Dänemark alle Corona-Beschränkungen aufgehoben - trotz einer Sieben-Tage-Inzidenz von mittlerweile über 5.000. Angesichts des augenscheinlich milden Verlaufs der Omikron-Infektionen schlägt die Debatte um Lockerungen auch in Deutschland Wellen. Doch immer wieder weisen Wissenschaftler daraufhin, dass die Situation in Dänemark nicht mit der in Deutschland zu vergleichen ist, auch Christian Drosten: "Eine Sache, die sich nicht geändert hat, ist die Impflücke. Die Impfrate in Deutschland ist sogar vor Kurzem wieder gesunken", sagt der Leiter der Virologie an der Berliner Charité in der neuen Podcast-Folge. Anders als in Dänemark, das nun angesichts der hohen Impfquote weitgehende Lockerungen beschlossen hat, sollte es in Deutschland daher noch keine Entwarnung geben.
Omikron: Infektionsrisiko mit BA.2 eindeutig höher
Eine Rolle spielt dabei auch die Omikron-Untervariante BA.2. Der Subtyp, der in Dänemark auf dem besten Wege ist, dominant zu werden, wurde in Deutschland bislang selten nachgewiesen. Im letzten Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) heißt es, dass der Anteil der BA.2-Sequenzen in der zweiten Kalenderwoche bei 2,3 Prozent lag. Ein Preprint aus Dänemark legt die Vermutung nahe, dass sich der Subtyp noch leichter verbreiten könnte. Das Infektionsrisiko ist nach diesen vorläufigen Zahlen eindeutig höher als bei der in Deutschland noch vorherrschenden Omikron-Variante BA.1. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Virus weitergegeben wird, ist bei geimpften Kontaktpersonen verringert, bei ungeimpften Ersterkrankten einer Infektionskette allerdings deutlich erhöht.
Drosten: Fitnessvorteil des neuen Subtyps könnte überwiegen
Für Drosten deuten die Daten darauf hin, dass BA.2 einen Fitnessvorteil und damit eine höhere Übertragbarkeit haben könnte. Oder, um es mit einem der bei ihm beliebten Auto-Vergleiche zu sagen: "Der Motor von BA.2 hat schon ein paar PS mehr." Bei BA.1 hingegen wird als entscheidend für die schnelle Ausbreitung angesehen, dass die Variante in der Lage ist, der Immunantwort des Körpers auszuweichen.
Die Steigerung der Virus-Fitness bei BA.1 lässt sich mit dem Aufkommen von Alpha Anfang des vergangenen Jahres vergleichen. Die Alpha-Variante hat das Geschehen vor einem Jahr noch mal angefacht und die Winterwelle verlängert. Dies schließt Drosten auch für die derzeitige Welle nicht aus. Der BA.2-Anteil an den Infektionen werde womöglich auch in Deutschland steigen, allerdings langsamer als in anderen europäischen Ländern.
Übertragungen im Schulbetrieb - Hoffnung auf Osterferien
Als "Planungshorizont" für eine Entspannung der Pandemie-Lage in Deutschland nennt der Virologe Ostern: "Wir haben eindeutig den Befund, dass die Übertragungen im Moment aus dem Schulbetrieb gespeist werden. Da werden spätestens die Osterferien den Riegel vorschieben", sagt er. "Zudem wird es wärmer sein nach Ostern und die Inzidenz wahrscheinlich nicht mehr so stark an Fahrt aufnehmen." Ob BA.2 bis Mitte April komplett vorherrschend sei, könne man nicht vorhersagen. Dazu seien die Daten noch nicht präzise genug.
Reinfektionen - Omikron-Infektion ersetzt keine Impfung
Eine Immunisierung der Bevölkerung durch eine Infektion der Ungeimpften ist mit beiden Omikron-Varianten nicht ratsam. Inzwischen zeigen mehrere Untersuchungen, dass die Wahrscheinlichkeit wiederholter Ansteckungen hoch ist. "Die Rechnung einer Omikron-Infektion als Impfung durch die Hintertür geht nicht auf", sagt Drosten und verweist auf England, wo die Bevölkerung viel stärker immunisiert ist als in Deutschland. Dennoch wird die Reinfektionsquote dort auf knapp zehn Prozent geschätzt.
"Die Rechnung einer Omikron-Infektion als Impfung durch die Hintertür geht nicht auf." Christian Drosten
Ideale Immunisierung: Drei Impfdosen plus Infektion
Mit Blick auf die vielen Ungeimpften in Deutschland und Unwägbarkeiten wie Long Covid könne man eine Durchseuchung nach wie vor nicht einfach zulassen, sagt Drosten: "Die ideale Immunisierung ist, dass man eine vollständige Impfimmunisierung hat mit drei Dosen und auf dem Boden dieser Immunisierung sich dann erstmalig und auch zweit- und drittmalig mit dem Virus infiziert und dass man dadurch eine Schleimhautimmunität (Kontrolle der Erreger schon auf der Schleimhaut/d. Red.) entwickelt, ohne schwere Verläufe in Kauf nehmen zu müssen." Wer das durchgemacht hat, sei wahrscheinlich über Jahre immun und werde sich nicht wieder reinfizieren. Dabei bestimmte die Intensität der Infektion mit, wie anhaltend der Immunschutz sein kann.
Booster macht Immunreaktion "besser, spezieller, nachhaltiger"
In Deutschland ist Omikron bei den Alten noch nicht maßgeblich angekommen. "Aber es wird dort ankommen. Wir können nur hoffen, dass in der Sommerpause die Impflücke geschlossen wird und wir hoffentlich in anderes Fahrwasser kommen." Vor allem die dritte Impfung, das belegen auch neue Daten zur Impfwirksamkeit gegen Omikron (BA.1 und BA.2) aus England, sei entscheidend. Der Booster sei ein "Tuning", sagt Drosten, er mache die Immunreaktion "besser, spezieller und nachhaltiger".
Langfristig, das heißt etwa in einem Zeithorizont von zwei bis drei Jahren, erwartet Drosten, dass die Notwendigkeit des Nachimpfens geringer werden wird: "Die Abstände werden größer, weil das Virus weniger Sprünge in der Evolution macht, sondern sich kontinuierlich entwickelt und die Bevölkerung das gar nicht mehr so merkt." Er erwarte das, weil auch andere Coronaviren relativ stabil seien. "Das Influenzavirus macht Sprünge alle sechs, sieben Jahre, bei Coronaviren ist das nicht so."
Drosten: "Intensive PCR-Testerei muss mittelfristig aufhören"
Die Debatte über beschränkte PCR-Testkapazitäten in Deutschland und die damit verbundenen Verzerrungen bei der Ermittlung der Fallzahlen hält der Wissenschaftler für überbewertet. Seiner Ansicht nach müsse man bei der Überwachung der Covid-Erkrankungen ohnehin langsam dazu übergehen, vorhandene Instrumente zum Monitoring heranzuziehen. "Die intensive PCR-Testerei muss mittelfristig aufhören. Wir können nicht jede Infektion nachtesten", sagt Drosten mit Blick auf die zunehmende Zahl von milderen Infektionen bei Geimpften.
Mit einer effizienten Kontaktnachverfolgung und einem Durchbrechen von Infektionsketten seien die Gesundheitsämter mittlerweile überfordert. Der derzeit große Aufwand des Testens zeige in erster Linie an, wie weit verbreitet das Virus in der Bevölkerung ist. Um diese Information zu bekommen, genüge es jedoch, auf vorhandene Systeme der Überwachung zurückzugreifen. Wie bei der Grippe könnten auf der Basis von Stichproben in Haushalten, Arztpraxen und Krankenhäusern Häufigkeit und Schwere der Erkrankungen relativ zuverlässig hochgerechnet werden. Das erspare zudem viel Aufwand und Geld. "Das wird irgendwann zu entscheiden sein durch die Politik“, sagt Drosten. "Ich denke, wir sind schon sehr nahe an diesem Punkt und wir sollten uns sehr ernsthaft in diese Diskussion begeben."
Hinweis: Die nächste reguläre Folge des Coronavirus-Update wird am 15. Februar 2022 veröffentlicht.
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