Veranstalter sagen immer häufiger Konzerte ab
Von Clubs bis Arenen: Die Plätze vor kleinen bis großen Bühnen werden nicht mehr voll. Zudem fehlen Tontechniker. Eventmanager konzentrieren sich auf andere Standbeine - wenn sie denn welche haben. Ein Lagebericht.
Nina Graf ist Musikerin aus Norderstedt. Sie ist müde. Und das soll was heißen. Denn normalerweise geht das bei ihr so: Selbst wenn sie zufrieden sein könnte, setzt sie noch einen oben drauf. Als Nachwuchstalent verlässt sie die Werbebranche und kommt dafür bei einer Plattenfirma unter, veröffentlicht ihr drittes Album über ihr eigenes Label und landet auf Platz eins der Soul-Charts.
Doch das jetzt, das ist etwas anderes. "Miu", wie die 35-Jährige Nina Graf sich nennt, musste ein Konzert in Rostock absagen. Das erste überhaupt. Zu wenig Tickets gingen weg. So gehe es den meisten - egal, aus welcher Branche.
Musiker*innen sind das letzte Glied in der Veranstaltungskette
"Zum einen ist es so, dass die Leute gelernt haben, dass Corona wieder kommt und die Leute sind bequemer geworden", sagt Graf. "Und dann haben wir Personalmangel im technischen Bereich und gleichzeitig eine massive Kostensteigerung, eben weil es weniger qualifiziertes Personal gibt und dann dürfen wir nicht vergessen, dass der Ukraine-Krieg und auch die Energiekrise große Auswirkungen darauf haben, wie viel Geld die Leute übrig haben für so genannten Spaß."
Selbstständigen Kulturschaffenden wie Nina Graf nimmt das jedoch die Basis. Was die Musikerin ankreidet: Wer auf der Bühne steht, muss finanziell Abstriche machen. Der oder die könne im Gegensatz zu Tontechnikern beispielsweise keine festen Tagessätze festlegen - das letzte Glied in der Kette eben.
Chancen für Newcomer sinken
Dann gebe es noch die Musikerinnen und Musiker, die gar keine Konzerte mehr bekommen, weil Clubbesitzer jetzt besonders schauen würden, welche Acts den Laden füllen, sagt Nina Graf: "Das heißt: Selbst, wenn ich jetzt von einer Newcomer-Band spreche, die kommen eigentlich nicht von der Stelle, weil die wenig Spielmöglichkeiten haben. Oder sie bekommen Spielmöglichkeiten, aber kein Geld. Ich verstehe natürlich, wie diese Rechnungen zustande kommen, aber das ist ein sehr ungesundes Verhältnis. Und das ist auch etwas, was Musiker ausbrennen lässt und warum es immer mehr gibt, die sich umorientieren. Ich würde sogar so weit gehen und sagen: Es geht gerade nur noch drum, wer hält diese Phase durch und wer ist danach noch da."
"Die großen Veranstalter werden überleben, die kleinen sterben"
Matthias Zöllner hat abgesagt und gesetzte Konzerte gestrichen. Zehn Open-Air-Konzerte von 24 insgesamt in diesem Jahr. Pro Absage heißt das für den Eventmanager aus Mecklenburg-Vorpommern: Vertragsstrafe zahlen. Also: die volle vereinbarte Gage an den Künstler - nicht Newcomer, sondern längst erfolgreiche Musiker. Auch sie füllten keine Hallen mehr. 5.000 statt 22.000 Zuschauer - das rentiere sich einfach nicht mehr: "Das Personal, das sie dort haben, die Beleuchter, die Tontechniker diktieren im Moment die Preise. Und dann heißt es Hopp oder Top - ja oder nein. Würden wir nur dieses Standbein bedienen, wären wir insolvent. Wir werden hier Insolvenzen bekommen noch und nöcher. Es werden die Großen überleben, die Kleinen sterben."
"Zöllner Concerts" gibt es seit 2017 - gegründet aus Leidenschaft an der Musik. Soll heißen: Matthias Zöllner hat andere Standbeine. Auf die konzentriert er sich: "Ich mache mir da nicht viel Hoffnung. Auf jeden Fall: So, wie es gewesen ist, wird es nicht mehr sein."