Ein alter Fernseher und eine Ansammlung alter Filmrollen und Kameras. © Adam Kliczek, http://memoriesstay.com (CC-BY-SA-3.0) Foto: Adam Kliczek
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AUDIO: Jazz & Trash - Guter Jazz in schlechten Filmen (30 Min)

Jazz & Trash: Guter Jazz in schlechten Filmen

Stand: 06.12.2023 11:25 Uhr

Kann guter Jazz einen schlechten Film retten? Und warum hört man in vielen trashigen Filmen so guten Jazz? Henry Altmann begibt sich in seiner Sendung Round Midnight auf Spurensuche - von den 1940ern bis heute.

von Henry Altmann

Auffällig viele schlechte Filme bedienen sich guter Jazzmusik. Was 2019 im "Diabolique Magazine" über den Film "New Orleans" zu lesen war, das gilt für viele Filme, die Jazz als Filmmusik wählen:

Es ist einer dieser Filme, bei denen die Kritiker im Allgemeinen sagen: "Die Musik ist großartig, aber alles andere ist schrecklich!“ Zitat aus "Diabolique Magazine" über den Film "New Orleans"

Schwarze Musik für weiße Schauspieler

Bunte Musik und blasses Bild begleiteten den Jazz im Film schon immer. Der Schwarz-Weiß-Film war eher ein Weiß-Schwarz-Film, denn Hollywood adaptierte Jazz nicht nur, es adoptierte ihn, um eine genuin "amerikanische Kultur" zu erschaffen.

1948 etwa wurden schwarze Jazzmusiker für den Film "A Song is Born" engagiert. Howard Hawks hatte eigentlich keine Lust auf ein Remake seines Filmes "Ball of Fire" - 250.000 Dollar Honorar für den Film mit Schauspieler Danny Kaye machten ihn reich, aber nicht froh. "Turner Classic Movies" zitiert den berühmten Regisseur: "Danny Kaye war so lustig wie eine Krücke, und Virginia Mayos Auftritt war erbärmlich. Ich fand nie irgendetwas an diesem Film lustig; es war eine schreckliche Erfahrung."

"A Song is Born" ist eine komprimiert-virtuose Geschichte des Jazz - mit weißen Protagonisten! - und Afro-Amerikanern nicht als Jazzmeister, sondern als Diener einer weißen Vorstellung schwarzer Musik.

Hazel Scott: "Auf Küche und Hintertreppe reduziert"

1942 durfte Lena Horne mit dem Song "The Spring" dem süffig-seichten Exotik-Epos "Panama Hattie" etwas Würze verleihen. Mehr ist für schwarze Künstler wie sie in Hollywood damals nicht drin. Hornes Leidensgefährtin und Konkurrentin Hazel Scott schrieb dazu: "Die Frauen unserer Hautfarbe waren in Hollywood nicht mehr als eine Horde Hunde; wir wurden auf Küche und Hintertreppe reduziert."

Wer gegen diese rassistische Behandlung rebellierte, flog raus. Im patriotischen Kriegsfilm "The Heat’s On" 1943 hatte Hazel Scott für saubere Schürzen der afro-amerikanischen Darstellerinnen drei Drehtage gestreikt. Die bekamen sie; aber es war ein schmutziges Geschäft. Ein zwei Jahre später, nach dem Film "Rhapsody in Blue", fiel für Hazel Scott die finale Klappe.

Gershwin-Biopic: Brillante Musik das einzig Richtige im Film

Hazel Scott brillierte mit "Fascinating Rhythm" im Gershwin-Biopic "Rhaposdy in Blue". Bosley Crowther schrieb darüber in der "New York Times": "Die brillante Musik von George Gershwin ist reichlich vertreten, und das ist das Beste - in der Tat das einzig an sich Richtige im Film."

Nazi-Komödie verstößt gegen NS-Kultur-Doktrin

Es war meist nur ein ideologischer Überbau, der eine jazz-adäquate Darstellung im Film torpedierte. Was umgekehrt aber auch eine subtile Konterrevolution bewirken konnte. 1942 etwa kam "Wir machen Musik" heraus, eine turbulente Nazi-"Lass-uns-den-Krieg-vergessen"-Komödie über den Kampf eines Musikerpaares. Er will der ernsthafte Kunst-Komponist sein, sie hat Erfolg als Unterhaltungssängerin - Parallelen zu "LaLaLand" von 2017 nicht ausgeschlossen.

Interessant am Original aber ist, dass es im Titelsong zu einer mokanten Anspielung auf den Führer kommt, wenn Ilse Werner singt "Wir machen Musik, da fliegt euch der Bart weg". Darüber hinaus wird Peter Kreuders Hit von einer rein weiblichen Band gespielt, was nicht der Vorstellung vom "Heimchen am Herd" entspricht. Zudem gibt es im Film klare Verstöße gegen die NS-Kultur-Doktrin: Scat-Gesang und ein Schlagzeugsolo!

Jazz macht schlechte Filme erträglicher

Knapp 60 Jahre später hat der Jazz Bop, Free und Fusion durch, er hat sich globalisiert und das Nazi-Regime nicht nur überlebt, sondern mit Swing erobert. Jazz ist die Musik des 20. Jahrhunderts. Er hat in dieser Zeit so manchen Film vielleicht nicht gerettet, aber zumindest erträglicher gemacht.

Burt Bacharach kann James-Bond-Parodie nicht aufwerten

Bis 1967 hatte der Jazz Filmkarriere gemacht, zumeist in Filmwelten begleitet von Schnüfflern, der Unterwelt und verruchten Frauen, später von coolen Agenten. Allerdings brachte auch Burt Bacharachs Musik mit dem von Dusty Springfield gesungenen Song "The Look Of Love" dem Film "Casino Royale" keine Aufwertung. Die alberne James-Bond-Parodie gibt es in drei Ausführungen, von insgesamt fünf Regisseuren und sechs Drehbuchautoren um eine zerstrittene Schauspielerriege herum zusammengeschustert.

Heute dient Jazz oft der Retro-Seligkeit

In der Post-Moderne ließe sich heutzutage eigentlich jede Variation von Jazz als Filmmusik verwenden. Die Filmmacher degenerieren ihn aber meist zur akustischen Schminke von Retro-Seligkeit. So schwingt sich Saxofonist Robert 2020 in "Sylvie‘s Love" durch Harlem wie der Förster einst durch den Silberwald. Das Studio-New York sieht aus wie "Frühstück bei Tiffany", die schwarze Bürgerrechtsbewegung erscheint als Jugendfreizeit mit Partypotenzial. Die Beziehung der beiden Hauptdarsteller erinnert an den Film "Paris Blues". Nur: Da war es eben 1961, mit Duke Ellingtons Musik von 1961 - und nicht eine Vorstellung von 1961 mit gestylten Jazzklang-Kacheln.

Aber: Es gibt auch heute noch "Jazz im Trash". Die Realverfilmung der Zeichentrick-Serie "Cowboy Bebop" fiel bei den Fans voll durch. Yoko Kannos fetzige Bigband-Musik aber schoss sie in weniger als einer Sekunde von hier zum Mars.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | 06.12.2023 | 23:30 Uhr

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