Jens Balzer, Dozent für Popkritik an der UdK Berlin © picture alliance Foto: Ulrich Baumgarten

Debatte um Song "Layla": Wie sexistisch ist der Ballermann-Hit?

Stand: 13.07.2022 15:40 Uhr

Viele halten den Text des aktuellen Songs "Layla" von DJ Robin & Schürze für derart sexistisch, dass das Lied auf den Volksfesten in Düsseldorf und Würzburg nicht mehr gespielt werden darf.

In dem Song geht um eine Sexarbeiterin namens "Layla", und in einer der Textzeilen heißt es: "Ich hab' 'n Puff, und meine Puffmama heißt Layla, sie ist schöner, jünger, geiler". Ein Gespräch mit dem Pop-Journalisten Jens Balzer.

Jens Balzer: Das Interessanteste an diesem Phänomen ist, dass man auch als Mensch, der sich wie ich viel mit Musik beschäftigt und viel Musik hört, trotzdem immer mal wieder auf Sachen gestoßen wird, von denen man gar nichts mitbekommen hat, obwohl die Welt da draußen das schon seit Wochen rauf und runter hört. Ich hatte mich gefragt, was denn der Sommerhit gerade ist, und habe mir die Charts angeguckt: Da war tatsächlich "Layla" von DJ Robin & Schürze auf Platz eins - und das schon seit Wochen. Das Lied geht offensichtlich bei den jungen Leuten rauf und runter. Das ist schon ein Aha-Erlebnis.

Offensichtlich auch auf Festivitäten der Jungen Union, die das Stück gespielt hat.

Balzer: Ja, die Junge Union Hessen in Baunatal in der Nähe von Kassel. Nach der documenta haben wir gleich den nächsten kulturpolitischen Skandal - jedenfalls ging das auf Twitter rauf und runter, dass auf der Delegiertenkonferenz dieser Song zum fröhlichen Chorgesang genutzt wurde. Von Seiten der SPD wurde das kritisiert, und daraufhin entgegnete die Junge Union, dass Musikgeschmäcker bekanntlich verschieden seien. Dem kann man eigentlich nichts entgegensetzen, oder?

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"Layla": Dürfen sexistische Songtexte auf Volksfesten gesungen werden?

Der Song "Layla" ist sexistisch. Die Stadt Würzburg hat deshalb beschlossen: Das Lied soll auf dem städtischen Volksfest nicht gespielt werden. mehr

Können Sie uns ein bisschen bei der Einordnung analytisch helfen? In welcher Welt von Schlager sind wir hier?

Balzer: Wir sind in der Welt des sogenannten Ballermann-Schlagers - das ist das, was in den entsprechenden Etablissements auf Mallorca in der Großraumdiskothek "Bierkönig" gespielt wird. Das ist gewissermaßen der Hotspot oder auch das Labor für diese Art von Musik. Das Lied wird aber offensichtlich auch in deutschen Großraumdiskotheken viel aufgelegt und auf deutschen Volksfesten. Man muss sich dazu junge Männer in heiterer Laune mit Bierflaschen in der Hand vorstellen, die herauf- und herunterspringen und eine gute Zeit haben.

Volksfeste in Würzburg und in Düsseldorf wollen dafür sorgen, dass der Song nicht gespielt wird. Ist das nicht kontraproduktiv?

Balzer: Es kommt drauf an, für wen das kontraproduktiv ist. Es hat immerhin dazu geführt, dass wir beide uns über diesen Song unterhalten und wir noch nie irgendetwas davon gehört hatten. Die Öffentlichkeit ist noch einmal erheblich erweitert worden.

In Würzburg möchten die Betreiber dieses Volksfestes nicht, dass es gespielt wird. Der Hintergrund ist, dass es vor einigen Jahren eine Petition gab, dass das "Donaulied" nicht mehr gespielt wird. Das ist ein alter, volkstümlicher Schlager, der in heiterer Weise die Vergewaltigung eines jungen Mädchens beschreibt. Dieser Petition wurde von einigen Volksfestbetreibern, unter anderem auch in Würzburg, Folge geleistet.

Es gab jetzt eine Erklärung, man wolle keine sexistischen, frauenverachtenden Songs mehr bei solchen Gelegenheiten spielen, und da kann man sagen, dass dieses Lied genauso dazugehört. Das muss aber jedem privaten Betreiber offen stehen. Etwas anderes wäre es, wenn das von staatlichen Stellen durchgesetzt werden sollte - aber dazu gibt es in dem Fall überhaupt keine Handhabe.

Warum nicht? Meinen Sie, bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften würde das nicht genügen, was in dem Lied vorkommt?

Balzer: Das wäre dann zu diskutieren - ich denke mal nicht. Aber abgesehen davon müsste es erst einmal bei der Bundesprüfstelle gemeldet werden. Dann dauert es mindestens drei bis vier Monate, bis das Amt entschieden hat, und bis dahin ist die Saison eh vorbei. Bis etwas wirklich verboten wird, muss es schon den Aufruf zu Gewalt oder Volksverhetzung beinhalten. Da ist der rechtliche Rahmen in Deutschland Gottseidank sehr weit gesteckt.

Der Justizminister Marco Buschmann hat sich bei Twitter geäußert: Schlager behördlich zu verbieten, sei aus seiner Sicht zu viel. Das meinte ich mit "kontraproduktiv": Sind wir jetzt nicht in einer Debatte nach dem Motto: "Jetzt wollen sie uns auch noch das Feiern verbieten"?

Balzer: Ja, einerseits, andererseits. Ich würde es absolut falsch finden, wenn es verboten wird. Ich finde es aber richtig, dass erst mal diese Debatte eröffnet wurde. So, wie momentan die medialen Aufmerksamkeiten in unserer Öffentlichkeit funktionieren, muss man erst mal mit einem ganz großen Holzhammer kommen, um überhaupt eine Debatte zu erzeugen. Man kann schon darüber nachdenken, warum solche Texte so populär sind - immer noch oder gerade wieder. Vielleicht kann man sich als Feuilletonist oder als öffentlich-rechtliche Kulturredaktion mal überlegen, was das eigentlich für ein Missverhältnis ist zwischen den Debatten, die wir so führen, in denen alles immer differenzierter, antisexistischer, antipatriarchaler erscheint und die Sprache immer verfeinerter und sensibler wird - und der erfolgreichste Song der letzten Wochen in Deutschland ist einer, der mit dem ganz groben patriarchalen Holzhammer draufhaut, als hätte man noch 1950. Es gibt offensichtlich mindestens zwei verschiedene Öffentlichkeiten: Die eine weiß von der anderen wenig, und die andere kümmert sich um die eine wenig.

Würden Sie auch eine gewisse Verschiebung in der Bedeutung von Popmusik sehen? Früher, um gegen die Eltern aufzubegehren - jetzt gegen eine wie auch immer geartete Meinung einer gefühlten oder nicht gefühlten Mehrheit?

Balzer: Schlager hat schon immer zur Popmusik gehört, und Schlager hatte eigentlich wenig damit zu tun, dass man gegen die Eltern aufbegehrt - das sind eher andere Stränge der Popmusik gewesen. Gucken wir mal auf den Schlager der 70er-Jahre zurück: Gerade Jürgen Drews' "Ein Bett im Kornfeld" ist auch eine sublimierte Vergewaltigungsfantasie. In "Im Wagen vor mir", auch aus den 70ern, geht es darum, dass ein älterer Mann einem jungen Mädchen nachstellt und in heiterer Weise besingt. Es ist also nicht so, dass der deutsche Schlager in seiner Geschichte völlig frei von sexistischen Inhalten gewesen wäre. Interessant ist nur, dass sich das nicht geändert hat.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 13.07.2022 | 17:15 Uhr

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