Bach-Wochen am Hamburger Michel: Rückkehr der Kirchenmusik
Die Bach-Wochen sind ohne Frage das Highlight im Musikkalender der Hamburger Sankt Michaelis Kirche. Für die beiden Michel-Kantoren Jörg Endebrock und Magne H. Draagen bieten sie nun endlich die Gelegenheit, sich einem breiten Publikum vorzustellen.
Vor dem Turm der Hamburger Sankt Michaelis Kirche plappern wartende Touristen fröhlich durcheinander. Andere erkundigen in andächtiger Stille mit großen Augen das beeindruckende Innere der Kirche, nicht ohne vorab an der Kirchentür zwei Euro für den Erhalt des Hamburger Wahrzeichens zu spenden. Das alte Treppenholz knarzt auf dem Weg hoch zur Nordempore, wo nun endlich wieder Chöre und Orchester gemeinsam musizieren dürfen.
Das Leben und die Normalität kehren in den Michel ein. Dafür sorgen zurzeit auch die traditionellen Bach-Wochen. Ein besonderes Ereignis für die beiden Michel-Kantoren Jörg Endebrock und Magne H. Draagen. Endebrock ist zwar bald zwei Jahre im Amt - konnte seinen Tätigkeiten jedoch bislang wegen der Lockdowns und immensen Einschränkungen für die Musikwelt nur auf Sparflamme ausüben. Der norwegische Organist Magne H. Draagen ist noch ganz neu im Team. Sein erster Arbeitstag war gerade Mal am 1. September - sein erster großer Auftritt vor den Hamburgern: ein Orgelkonzert im Rahmen der Bach-Wochen ist am 6. November. Für die beiden Kirchenmusiker ist die traditionelle Veranstaltungsreihe daher mit besonderen Emotionen verbunden.
"Ich kam mit höchsten Erwartungen", erinnert sich Jörg Endebrock an das vergangene Jahr. Über ein Jahr habe er seine Auftakt-Saison am Michel vorbereitet und geplant. Doch dann war kurz nach dem ersten Konzert Schluss. Seitdem habe er sich durchgehangelt mit vielen kleinen Veranstaltungen in den Gottesdiensten. Sobald es möglich war, gab es Aufritte in kleinen Besetzungen.
Eröffnungskonzert der Bach-Wochen als Befreiungserlebnis

Nun endlich zur Eröffnung der Bachwochen am 23. Oktober das erste Konzert mit dem großen Chor Sankt Michaelis und großem Orchester. Auf dem Programm: das Verdi-Requiem. "Das war wie ein Befreiungserlebnis für alle Beteiligten", sagt Endebrock. Dank einer 2G-Regelung auf der Konzert-Empore konnte der Chor sogar auf die Abstände verzichten. Das mache das Singen nicht nur für alle leichter, erklärt Endebrock, der Chor sei wahrlich euphorisiert gewesen. Trotz der Nervosität vorab ein beglückendes Erlebnis für den Musiker. Und auch das Hamburger Publikum hat den ersten großen Auftritt von Endebrock mit viel positivem Feedback bedacht. Bravo-Rufe und Standing Ovations habe es gegeben, erzählt Endebrock. Das ist eher ungewöhnlich nach einem Requiem. Auch nach dem Konzert riss die Begeisterung nicht ab: "Ich habe sehr viele Emails mit Danksagungen hinterher bekommen."
Stolz ist Endebrock auch auf den neu gegründeten Kammerchor Sankt Michaelis, der sich ebenfalls vor kurzem das erste Mal der Öffentlichkeit vorstellen konnte: "Dass nun endlich wieder Musik im großen Umfang im Michel stattfinden kann ist großartig". Immerhin sei die Kirche jahrhundertelang durchtränkt mit Musik und dem Wirken von großen Namen.
Konzerte am Grab von Carl Philipp Emanuel Bach
Besonders die Krypta-Konzerte, die im Rahmen der Bach-Wochen immer mittwochs stattfinden, haben für ihn eine ganz besonders intime und reizvolle Atmosphäre. "Der große Michel-Raum ist zwar sehr erhebend und schön, aber dort unten ist man ganz nah dran." Die Krypta sei zwar relativ groß, aber durch die niedrige Decke wirke sie klein und intim. Die Musikerinnen und Musiker sitzen bei der Veranstaltungsreihe in der Mitte, das Publikum darum herum - direkt am Grab von Carl Philipp Emanuel Bach. Insgesamt freue er sich über das vielfältige Programm. Als wichtigstes Festival für geistliche Musik verstehen sich die Bach-Wochen zwar als eine Verbeugung vor dem Komponisten, doch programmatisch gehe es auch um seine Wirkung auf die Nachwelt.
Magne H. Draagen: Neuer Kantor an der Michel-Orgel
So ist Endebrock auch auf die Orgelkonzerte mit dem neuen Kollegen Magne H. Draagen schon gespannt. Draagen hatte bislang kaum Zeit seine neue Heimatstadt zu erkundigen. "Es war so viel zu tun am Anfang, da blieb noch nicht so viel Zeit für eine Stadtbesichtigung", erzählt der Organist. Er freue sich aber darauf, Hamburg in den nächsten Wochen besser kennen zu lernen. Für ihn war es zunächst überraschend, wie viele neue und sehr schöne Kirchenlieder aus der deutschen Tradition es gibt, die in Norwegen nicht bekannt sind. Auch die vielen Mittagsandachten im Michel sind für ihn eine neue und begeisternde Tradition. Für seinen Einstieg habe er zunächst viel Zeit an der Orgel verbracht. Das sei wichtig, nicht nur um sich ergonomisch an den neuen Spieltisch zu gewöhnen, sondern auch um sich mit den Klängen vertraut zu machen. Gerade bei so einer großen Orgelanlage müsse man da einfach viel experimentieren, erklärt Draagen.
Ein bisschen aufgeregt sei er nun schon vor seinem großen Antrittskonzert. Schließlich gehe es in dem Konzert auch um die kulturellen Beziehungen zwischen Norwegen und Deutschland - ein Thema, das dem Norweger naheliegender Weise sehr am Herzen liegt. Besonders freue er sich auf den traditionellen Abschluss der Bach-Wochen: Das Brahms Requiem. Eines seiner absoluten Lieblingswerke der Kirchenmusik. Bis dahin gibt es noch viele Gelegenheiten, mit den beiden neuen Michel-Kantoren auf Tuchfühlung zu gehen.
Die Hamburger Bach-Wochen laufen noch bis zum 21. November. Für Inhaberinnen und Inhaber der NDR Kultur Karte gilt eine Ermäßigung von 10 Prozent auf Einzelkarten im Vorverkauf im Classic Center an der Theaterkasse der Staatsoper Hamburg.
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