Und ewig trommelt Oskar - Die Blechtrommel wird 50
Durch den Skulpturengarten des Grass-Hauses, vorbei am Butt, eilt die Prominenz zur Eröffnung der Sonderausstellung: 50 Jahre "Blechtrommel". Ex-Kanzler Gerhard Schröder oder der große Mime Mario Adorf sind unter den Anwesenden. Es ist die Erinnerung an einen Jahrhundertroman, mit dem die deutsche Nachkriegsliteratur überhaupt erst wieder zu sich kam.
Der Blechtrommler Oskar Matzerath trommelt dreijährig, neunmalklug gegen die verlogene Welt der Erwachsenen an. Der Autor Günter Grass - respektlos, immer hart an der Schmerzgrenze - vertreibt mit seinem Debüt 1959 den Mief der Adenauer-Restauration. Er selbst glaubt damals nicht an den Erfolg - auch nicht, als ein US-Verleger das Buch in Amerika herausbringen will: "Das spielt in der Provinz, in einem Vorort von Danzig, es wird Platt gesprochen, auch Bayern kommt vor", erklärte Grass damals und der Verleger erwiderte: "Das reicht, Sie müssen mir nichts weiter sagen. Alle große Literatur fußt in der Provinz."
"Es ist einfach schön zu lesen", findet Altkanzler Schröder, "man kann das immer wieder lesen. Das macht ja den Wert eines wirklich großen Buches aus, dass man nie zuende ist damit. Die Blechtrommel ist ein solches Buch, das hat etwas mit der Gewalt, kann man ja schon sagen, der Sprache zu tun."
Der Gnom im Irrenhaus
Bei der Ausstellung im Grass-Haus dreht sich alles rund um Figuren und Motive des Werks. "Zugegeben, ich bin Insasse einer Heil - und Pflegeanstalt" - so beginnt der Roman. Oskar Matzerath ist der Gnom im Irrenhaus: Gemeint ist das Nachkriegsdeutschland. Zuvor hat der aufsässige Zwerg erlebt, wie sich der Faschismus im Danziger Kleinbürger-Alltag einnistet. Ein infantiler Sonderling mit hellsichtigem Geist, der die Nazis mit seiner Trommel aus dem Takt bringt, wo er kann.
Wegen dieser drastischen Erzählweise schimpfte man Grass damals einen "Verfasser pornografischer Ferkeleien". Der eigentliche Skandal lag im Realismus des Buchs. "Ich habe es ziemlich früh gehabt und gelesen, aber vielleicht nicht bis zum Ende", erinnert sich Adorf. "Als dann der Film kam, habe ich es natürlich ganz gelesen und es wurde ein Teil von mir - beziehungsweise ich ein Teil von ihm."
Wieder auf Tour für die SPD
Der Nobelpreisträger Grass, im Herzen schon lange Sozialdemokrat, schrieb die "Blechtrommel" vor 50 Jahren angeblich noch als "Unpolitischer".

Grass, der "Zwischenrufer" der Nation, warf der SPD schon im letzten Wahlkampf vor, ihre Sache "lasch und lahm" zu verkaufen. Doch in diesen Tagen, wenn er nicht gerade die "Blechtrommel" feiert, tourt er wieder für die SPD. In dieser Krise dürfe man die Genossen nicht sich selbst überlassen: "Das ist eine große Partei, die älteste demokratische deutsche Partei, die mit ihrem Auf und Ab und ihren Niederlagen und ihren Siegen aus der Geschichte nicht wegzudenken ist. Und mir macht es zu meiner eigenen Überraschung noch Spaß, in die Bütt zu steigen."
Von wegen "lasch und lahm"! Kann es sein, dass die SPD nicht nur einen wie Gerhard Schröder vermisst, sondern auch einen Blechtrommler, der mit schrillen Tönen den langweiligen Wahlkampf aufmischt? "Das ist nun nicht fair, wir wollen hier über Kultur reden und nicht über das, was fehlen könnte", meint Gerhard Schröder. Ein Schelm, wer dabei denkt, dass dies nur eine Geburtstagsfeier war.
