China: Olympia in Corona-Zeiten - Wie politisch ist der Sport?
Am Freitag beginnen die Olympischen Winterspiele - in einem Land, das mit Menschenrechten, um es vorsichtig zu formulieren, ambivalent umgeht. Tilman Spengler hat viele Jahre hat in China verbracht und Bücher über das Land geschrieben.
Herr Spengler, mit welchem Gefühl schauen Sie auf den kommenden Freitag?
Tilman Spengler: Man schaut mit einer gewissen Spannung auf das, was sich dort abspielt. Denn das ist ja eine Einübung in etwas, was wir noch nicht kennen: Sportveranstaltungen von einem gigantischen Ausmaß unter den Zeichen einer Corona-Gefährdung. Wie das ausgeht, kann man nur mit banger Sorge verfolgen, egal, ob einem Sport am Herzen liegt oder nicht.
2015 wurde Peking als Austragungsort ausgewählt. Da konnte man noch gar nicht absehen, dass es so etwas wie eine Pandemie geben würde. Die Spiele finden statt, streng abgeschottet, keine ausländischen Zuschauer, eine rigorose Hygiene-Strategie. Ist das alles viel zu sehr gewagt?
Spengler: Das wird sich dann herausstellen. Auf jeden Fall scheint es mir von außen betrachtet nicht das Klügste zu sein, wenn wir betrachten, was wir mit unseren Opernhäusern, Theatern oder ähnlichen kulturellen Veranstaltungen betreiben. Natürlich ist das gewagt. Ob es sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Die wird aber von Mächten entschieden, an denen wir relativ wenig bewegen können.
Die Menschenrechtslage in China ist heikel, Stichwort: Uiguren, Tibet. Die USA und eine Handvoll westlicher Staaten boykottieren die Spiele. Auch Deutschland wird keine hochrangigen Politiker nach Peking schicken - ohne allerdings das Wort "Boykott" zu verwenden. Wie politisch - ohne es sein zu wollen - sind solche sportlichen Großveranstaltungen?
Spengler: Sie sind für die Veranstalter natürlich eminent politisch, insbesondere wenn es sich um einen Veranstalter wie die Volksrepublik China handelt. Ob die nun sehr erschrecken, dass Frau Baerbock nicht zur Eröffnung kommt oder nicht, das mag dahingestellt sein. Die Menschenrechtslage spielt natürlich eine gewisse Rolle, aber sie spielt für die Veranstalter offenbar nicht die entscheidende Rolle, und auch nicht für das Internationale Olympische Komitee. Das hat man schon ein wenig nachvollziehen können, wie dort mit Tennisspielerinnen umgegangen worden ist, die plötzlich verschwunden sind. Das Ganze wird aber auf ganz anderen Ebenen entschieden. Dagegen sind wir machtlos und werden dafür durch die Bilder verzaubert.
Es ist das erste sportliche Großereignis seit Ausbruch der Pandemie - da kommt sofort Wuhan ins Gedächtnis, das inzwischen zur Chiffre für den Ausbruch des Virus geworden ist. Ist die Austragung der Spiele eine Art Gegenmanöver? Will man mit allen Mitteln versuchen, China von dieser Chiffre zu entkoppeln?
Spengler: Das ist sicherlich ein Gedanke, aber der konnte ja erst nach dem Ausbruch bei der chinesischen Staatsführung aufkommen. Aber natürlich spielt es sicherlich eine Rolle, dass man der Welt zeigen will, wie die Bekämpfung einer Seuche mit sehr radikaleren, härteren, autoritäreren Methoden bewältigt werden kann.
Die Winterspiele in Peking wollen auch nachhaltig sein: CO2 will man reduzieren, klimafreundliche Verkehrsmittel sollen genutzt werden, alte Sportstätten hat man wohl umgebaut. Allerdings sind es Winterspiele, die nur mit Kunstschnee ermöglicht werden. Riesige Flächen wurden dafür gerodet. Das klingt nach einem großem Widerspruch, oder?
Spengler: Ich lebe in Bayern und Kunstschnee ist mir nicht so schrecklich unvertraut. Dass die Natur für Sport zerstört wird, das zeigen auch bei uns in den Alpen alle möglichen Anlagen, wo Menschen mit Gondeln hochgefahren werden und dafür Bäume geopfert oder Landschaftsschäden angerichtet werden. Vieles an diesem Sport ist umweltschädlich, insbesondere wenn er international betrieben wird und in diesen Größenwahn hineinreicht. Aber wir müssen uns da an alle Nasen fassen, nicht nur an die chinesische.
Das Gespräch führte Claudia Christophersen.
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