Vera Cordes besucht eine Parkinson-Selbsthilfegruppe. © NDR Foto: Hauke Sievers

Boxen gegen Parkinson - ein ideales Medikament

Stand: 06.06.2023 13:29 Uhr

Bei der Publikumsaktion "Wünsch Dir Deinen NDR" konnten sich Interessierte für einen Besuch oder eine Aktion bewerben. Moderatorin Vera Cordes hat die Parkinson-Selbsthilfegruppe in Itzehoe besucht.

von Vera Cordes

Na, das geht ja gut los, denke ich, als ich bei unserer "Wünsch dir deinen NDR"-Aktion mit etwas Verspätung in der Sporthalle Klosterhofschule in Itzehoe eintreffe, um die Mitglieder der Boxsportabteilung der Parkinson-Selbsthilfegruppe kennenzulernen. Zur "Strafe" für zehn Minuten Zuspätkommen hieß es erstmal: "Zehn Liegestütze, Frau Cordes!" Ich begebe mich freiwillig zu Boden, denn ich möchte keine Spielverderberin sein, und die 16 Männer und Frauen, die an diesem Nachmittag vor Ort sind, sind es auch nicht und machen lachend mit.

Leben mit einer unheilbaren Krankheit

Es ist eine beeindruckende Truppe, auf die ich treffe. Fast alle haben seit Jahren Parkinson. Das bedeutet, ihr Leben ist von einer bislang unheilbaren Krankheit bestimmt, gegen die man in der Regel täglich mehrmals mehrere Medikamente nehmen muss. Trotzdem wird die Beweglichkeit in aller Regel mit der Zeit durch Zittern und Steifigkeit immer schlechter. Und auch Mimik, Sprache und seelische Gesundheit können in Mitleidenschaft gezogen werden.

Übungen aus dem Funktionstraining für Boxer

Boxtraining, so scheint es, kann dagegen wie ein ideales Medikament wirken. Es ist schon kurios, dass ausgerechnet das Boxen, die Sportart also, durch die der große Boxer Mohammed Ali Parkinson bekommen haben soll, hier in Schleswig-Holstein Erkrankten hilft, deutlich besser durchs Leben zu kommen. "Natürlich haben wir spezielle Regeln", erläutert Trainer Andreas. "Wir boxen zum Beispiel niemals direkt gegeneinander."

Das Erfolgsgeheimnis sind die von ihm ausgeklügelten Übungen, die an echtes Funktionstraining aus dem Boxsport angelehnt sind. Ziel sind schnelle, kraftvolle und gezielte Bewegungen. Und es wirkt: Petra kam vor drei Jahren mit dem Rollator in die Sporthalle. "Damals ging gar nichts mehr, sagt sie, heute wieder fast alles." Marion hatte die Krankheit jahrelang verdrängt, dann konnte sie eines Tages ihre Tochter nicht mehr zu Schule bringen und wusste: "Jetzt muss ich etwas tun".

Boxen verbessert Reflexe, Muskelkraft und Beweglichkeit

Peter hat seit 15 Jahren Parkinson. Auch bei ihm ist die Erkrankung fortgeschritten. Alle drei Stunden muss er möglichst auf die Minute genau seine Medikamente nehmen. Dass er trotz unerwünschter Nebenwirkungen relativ fit ist, verdankt er dem Boxen. Es verbessert Reflexe, Gleichgewichtssinn, Muskelkraft und Beweglichkeit. Und Brigitte ergänzt: "Nach der Diagnose 2019 war die Entscheidung für die Selbsthilfegruppe und fürs Boxen meine Rettung".

Vera Cordes besucht eine Parkinson-Selbsthilfegruppe. © NDR Foto: Hauke Sievers
Gruppenleiter Hans-Heinrich Rave ist vom Training überzeugt: "Wer bei uns mitmacht ist entweder ein Kämpfer oder er oder sie wird dazu."

"Wer bei uns mitmacht, ist entweder ein Kämpfer oder er oder sie wird dazu". Davon ist Gruppenleiter Hans-Heinrich Rave überzeugt. Er leitet seit Jahren die Geschicke der insgesamt rund 90 Selbsthilfegruppen-Mitglieder in und um Itzehoe. Sorgt für weitere Sportangebote wie wöchentliches Tanzen und Tischtennis, aber auch für regelmäßige Gesprächsabende, den Austausch mit anderen Selbsthilfegruppen und sogar für die Anbindung zur Wissenschaft.

Boxtraining soll in internationale Studie aufgenommen werden

Im Rahmen einer internationalen Studie, an der die Klinik für Neurologie des UKSH in Kiel beteiligt ist, soll auch das Boxtraining der Selbsthilfegruppe im Herbst auf seine Wirksamkeit hin ausgewertet werden. Aber für alle Akteure steht jetzt schon fest: Dieser Sport tut einfach gut. Und das nicht nur körperlich. Der Spaß, den man gemeinsam hat, setzt Massen von Glückshormonen im Gehirn frei, sind sich alle einig. Und das ist eine super Waffe gegen Parkinson.

Ich sage ganz herzlichen Dank an euch alle für die tollen Einblicke und die Offenheit und wünsche euch weiterhin alles Gute! Wer sich für Selbsthilfegruppe und ihre Angebote interessiert, findet auf ihrer Internetseite Informationen und Kontaktdaten.

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