Eine Frau und ein Mädchen ernten Salat © NDR Foto: Frank Goldenstein

Praktikumswoche in SH: Fünf Tage - Fünf Unternehmen

Stand: 20.07.2022 14:32 Uhr

Zwei Jahre Pandemie: Schülerinnen und Schüler hatte in dieser Zeit kaum die Möglichkeit, Praktika zu machen und in Berufe hineinzuschnuppern. Das ändert sich jetzt.

von Frank Goldenstein

Pünktlich um kurz vor 8 Uhr ist sie da. Praktikantin Emma ist für einen Tag auf dem Ferienhof Siemen in Kappeln (Kreis Schleswig-Flensburg) zu Gast. Ihre Mutter hat die 15-Jährige mit dem Auto nach Kappeln gebracht und wird sie um 16 Uhr wieder abholen. Bis dahin kümmert sich Frauke Siemen um sie. Die hat den Ferienhof vor 16 Jahren von ihren Eltern übernommen. Zehn Ferienwohnungen gibt es hier mit 35 Gästebetten. Dazu fünf Pferde und Ponys, zwei Schweine, Kaninchen, Hühner und Tauben.

Fünf Tage oder drei Tage Berufe schnuppern

Das eintägige Praktikum ist Teil eines neuen Angebots, dass das Land in diesem Jahr für die Sommerferien initiiert hat. Das Schleswig-Holsteinische Institut für Berufliche Bildung (SHIBB) bietet das Programm "Praktikumswoche SH -  Fünf Tage, fünf Berufe, fünf Unternehmen" oder "Drei Tage, drei Berufe, drei Unternehmen" an.

Das Ganze läuft so ab: Auf der Online-Plattform bieten Unternehmen Praktikumstage in ihrer Firma an. Schülerinnen und Schüler können sich auf der Plattform bewerben und ihre Interessen angeben. Im Anschluss wiederum erhalten sie ein individuell zusammengestelltes Angebot für eine vollgepackte Woche – mit eintägigen Praktika in der näheren Umgebung. Auf die knapp 800 angemeldeten Schülerinnen und Schüler warten knapp 600 Unternehmen und Betriebe.

Drei Interessen, drei Praktika

Emma Ramos Hansen wollte diese Chance nutzen und hat sich angemeldet. Ihr größtes Hobby ist das Fotografieren. Auf der Plattform hat die 15-Jährige als Interessen Medien, Marketing, Hotel angegeben. Drei Praktika wurden der Schülerin aus Steinberg angeboten. Das erste hier auf dem Ferienhof Siemen in Kappeln.

Nach einem kurzen Rundgang geht es direkt in die Waschküche. Denn nach dem Bettenwechsel am Wochenende wartet ein Wäscheberg darauf, zusammengelegt zu werden. Hier auf dem Ferienhof wird die gesamte Wäsche noch selbst gereinigt und nicht an ein anderes Unternehmen ausgelagert. Frauke Siemen zeigt Emma die Handgriffe, wie es am schnellsten geht und wie man eine gerade Kante hinbekommt. Emma schlägt sich gut. "Du bist ganz schön plietsch", stellt die 45-Jährige fest.

Mangeln, kochen und backen

Ein Mädchen und eine Frau stehen zusammen in der Küche © NDR Foto: Frank Goldenstein
Die Praktikantin Emma und die Leiterin des Ferienhofs, Frauke Siemen, machen zusammen Hefeteig.

Danach geht es einen Raum weiter. Dort steht eine Heißmangel. Emma bekommt gezeigt, wie man Bettwäsche und Geschirrhandtücher mangelt. Auch hier lernt sie schnell. Auf die Wäsche folgt das Essen. Am Abend will Frauke Siemen für ihre Gäste auf dem Ferienhof ein Grillfest ausrichten. Dafür fehlen noch Baguettes und Kräuterbutter. Und auch das wird selbst gemacht. Emma und Frauke machen in der kleinen Hofküche einen Hefeteig. Die Zeit, bis der Teig aufgeht, nutzen sie, um frische Kräuter aus dem eigenen Garten zu holen. Die Schülerin packt mit an und hört zu. Frauke Siemen zeigt und erklärt ihr alles ausführlich und lässt die Schülerin immer wieder selbst Dinge ausprobieren. So ist im Handumdrehen die Kräuterbutter fertig und acht Dinkelbaguettes backen im Ofen.

Frauke Siemen bildet seit vier Jahren auf dem Ferienhof aus. Die ländliche Hauswirtschafterin hat im vergangenen Jahr ihren Meisterkurs bestanden. Auf dem Hof ist sie für Wäsche, Küche, Garten, Tiere versorgen, Buchhaltung und Gästebetreuung zuständig. "Jetzt in der Hauptsaison habe ich fast jeden Tag 18 Stunden auf dem Zettel", sagt die alleinerziehende Mutter. Ihre letzte Auszubildende ist schwanger und fehlt ihr sehr, genau so eine 450-Euro-Kraft. Von August an bietet sie hier auf dem Ferienhof zwei Ausbildungsplätze an. Einer ist noch unbesetzt.

Das Ziel: Azubis gewinnen

Durch ihre Teilnahme an der Praktikumswoche will Frauke Siemen für den Beruf der Hauswirtschafterin Werbung machen und Emma zeigen, wie vielfältig ihr Job ist. Zugleich hofft sie, dabei eine Auszubildende von morgen zu finden.

Als die Baguettes fertig sind, geht es raus in den Stall. Die Pferde kommen raus auf die Koppel. Da kennt Emma sich aus. Zu Hause in Steinberg haben sie auch Ponys und Pferde, die Schülerin geht selbst auf Reitturniere. Außerdem haben sie seit kurzem selbst drei Ferienwohnungen. Emma könnte sich vorstellen, das Ganze irgendwann zu übernehmen. Deshalb ist sie heute hier, um einen Eindruck zu bekommen.

Die nächsten Tage ist sie noch in einem Glücksburger Hotel und bei einem Ferienhausvermieter an der Ostsee. Im kommenden Jahr macht die 15-Jährige ihren mittleren Schulabschluss, kurz MSA, und hat danach Lust auf eine Ausbildung. Für welchen Beruf sie sich entscheidet, dabei sollen ihr die drei Praktika in dieser Woche helfen.

Eine Hauswirtschafterin muss auch gärtnern können

Am Mittag holen Emma und Frauke Siemen Salat aus dem hofeigenen Hochbeet und marinieren anschließend ein paar Schweinesteaks. Danach geht es nochmal raus in den Garten zum Rosen schneiden. Denn auch das gehört zur Arbeit einer ländlichen Hauswirtschafterin. "Ich dachte ehrlich gesagt, dass wir nur Küchenarbeit und Wäsche und so was machen, aber dass wir so viel machen, hätte ich nicht gedacht", sagt Emma erstaunt. Am Nachmittag erklärt ihr Frauke Siemen dann noch, wie die Ausbildung genau abläuft und was in den Theorieblöcken vermittelt wird.

Tolles Angebot - wird es fortgesetzt?

Für Emma endet der Tag auf dem Ferienhof Siemen um 16 Uhr. Sie verlässt ihn mit vielen verschiedenen Eindrücken, die ihr dabei helfen werden, sich im kommenden Jahr für einen Ausbildungsberuf zu entscheiden. "Nur ein Tag - und ich habe so viel gelernt", freut sich die 15-Jährige. Auch Frauke Siemen findet das niedrigschwellige Angebot gut. In der kommenden Woche hat sie eine weitere Schülerpraktikantin auf ihrem Ferienhof. Die jetzt laufende Praktikumswoche ist allerdings erstmal auf dieses Jahr befristet. Im Herbst will das Bildungsministerium auswerten, wie die Premiere gelaufen ist und ob es eine Fortführung im kommenden Jahr geben wird.

Weitere Informationen
Mitarbeiter und Auszubildende einer Elektro-Firma stehen vor einem Schaltplan auf einer Baustelle. © NDR Foto: NDR

Mangelware: Azubis dringend gesucht

Handwerk, Handel und Industrie in Mecklenburg-Vorpommern suchen händeringend junge Menschen, die einen Beruf erlernen wollen. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Schleswig-Holstein Magazin | 20.07.2022 | 19:30 Uhr

Nachrichten aus Schleswig-Holstein

Leitungen sind in der Fernwärmeverteilerstation eines Heizkraftwerks zu sehen. © dpa Foto: Marijan Murat

Hohe Preise für Fernwärme in SH noch bis Jahresende

Gas und Strom sind wieder günstig. Wer ein Haus mit Fernwärme heizt, zahlt in diesem Jahr in SH deutlich mehr - bis zu 6.000 Euro. mehr

Videos