Großes Interesse an Ausbildung zum Reserveoffizier
Der Ausbruch des Kriegs in der Ukraine hat dazu geführt, dass sich mehr Menschen als sonst zum Reservisten ausbilden lassen wollen. Ein Teil dieser Ausbildung findet an der Marineschule Mürwik in Flensburg statt.

Ruhig liegt die Flensburger Förde vor dem Bug eines Marineschiffes, doch schlagartig ändert sich die Situation. Denn plötzlich überfliegt ein Eurofighter im Tiefflug das Schiff, Hubschrauber tauchen auf, ein angrenzendes Öl-Depot gerät in Brand und das Wetter ändert sich auch noch. Kommandos werden erteilt, die Korvette nimmt Fahrt auf, andere Marineschiffe tauchen bereits am Horizont auf. Es handelt sich nicht um einen Noteinsatz, sondern um eine Simulation. Die wird den Männern und Frauen gezeigt, die gerade an der Marineschule Mürwik in Flensburg zum Reserveoffizier ausgebildet werden. Auf dem Lehrplan steht heute "Einführung Nautik". Im Simulator der Marineschule, bei dem es sich um den Nachbau einer echten Brücke handelt, mit einer fast realistischen Rundumsicht, bekommen sie gezeigt, wie sich das Schiff in Extremfällen verhält.
Der lange Traum Offizier zu werden
Auch Pia-Marie Heyne und Kai Wollscheid haben sich entschlossen, künftig neben ihrem normalen Berufsleben einen Teil ihrer Zeit als Reserveoffizier der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen. Sie befinden sich aktuell im dritten Modul ihrer Ausbildung, also im dritten Jahr. In den kommenden drei Monaten lernen sie in Mürwik die Abläufe der Marine. Für Pia-Marie Heyne ist es nicht der erste Besuch der Marineschule. "Ich war nach meinem Studium schon hier, das war 2014, und wollte Marineoffizierin werden", erklärt die 30-Jährige, "doch aus familiären Gründen konnte ich damals diesen Beruf nicht machen." Stattdessen arbeitet Pia-Marie Heyne als Referatsleiterin für Demokratie und gesellschaftliche Zusammenarbeit der Stadt Leipzig. Für die junge Frau ist es daher wie ein Nachhausekommen.
Hohe Bereitschaft Deutschland zu dienen

"Die Bereitschaft unter den knapp eine Million wehrrechtlich verfügbaren Reservistinnen und Reservisten in Deutschland zum freiwilligen Dienst ist hoch. Sie wollen ihrem Land gerade auch in diesen Krisenzeiten dienen und die Bundeswehr unterstützen", erklärte eine Sprecherin der Bundeswehr in Köln. So sieht es auch Kai Wollscheid. Der Vater von drei Kindern arbeitet normalerweise für internationale Unternehmen in der Umwelt- und Entwicklungshilfe. Er hatte schon immer vor, die Ausbildung zum Reserveoffizier anzutreten: "Die Ausbildung in Modulen hat mir gut gefallen und deswegen habe ich meine Chance ergriffen. Und ich freue mich jetzt hier zu sein und Reservist zu werden."
Krieg in der Ukraine hat Entscheidung bestärkt
Der Krieg in der Ukraine hat weder Pia-Marie Heyne noch Kai Wollscheid verunsichert, vielmehr hat die Situation in dem Land die beiden in ihrer Entscheidung sogar bestärkt. "Die Wertvorstellungen, die unsere Gesellschaft prägen, stehen auf einem Fundament, dass auch geschützt werden muss und ich möchte meinen Beitrag dazu leisten", erklärt der 49-Jährige. "Ich habe ja die Entscheidung getroffen, einen militärischen Dienst zu leisten. Diese Entscheidung ist unabhängig davon, wie sich die Außenwelt verändert", so Pia-Marie Heyne. Im Sommer ist die Reservisten-Ausbildung nach drei Jahren zu Ende. Sowohl Pia-Marie Heyne als auch Kai Wollscheid hoffen darauf, einen Posten bei der Marine zu bekommen.
Bundeswehr: Zivilisten sind Bereicherung
Der Verband der Reservisten begrüßt mit eigenen Worten gerade ausdrücklich, dass es so viele Menschen gibt, die ihrem Land in der Krisenzeit helfen wollen. "Reservistinnen und Reservisten sind in vielen Bereichen ein Mehrwert für die Bundeswehr, weil sie durch ihre zivilberuflichen Qualifikationen Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringen, die in der Bundeswehr dringend benötigt werden", erklärt ein Verbandssprecher. Nach Aussage des Verbandes braucht die Bundeswehr vor allem in den Bereichen Sanitätsdienst sowie Cyber- und Informationsraum Reservistinnen und Reservisten aus dem zivilen Bereich. Auch wenn es momentan laut der Bundeswehr ein starkes Interesse an der Ausbildung gibt, viele Menschen bleiben wohl auch künftig Zivilisten. Denn aus der Bundeswehr heißt es dazu: "Es gilt, dass zum aktuellen Zeitpunkt kein erhöhter Bedarf für die Heranziehung von Reservistendienst-Leistenden vorliegt und auch keine Heranziehungen von Amts wegen stattfinden."
Mehr Anträge auf Kriegsdienstverweigerung als sonst
Es gibt aber Menschen, die der Krieg in der Ukraine abschreckt. Laut dem zuständigen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben haben bis jetzt 179 Menschen einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt - 131 davon alleine in diesem Monat. Zum Vergleich: 2021 gab es über das ganze Jahr hinweg 201 Anträge. Allerdings liegt eine Auswertung nach Personengruppen nicht vor. Das heißt, das die Zahl Reservistinnen und Reservisten, Soldatinnen und Soldaten sowie Ungediente beinhaltet.
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