Bauern-Protest: Eklat um Landvolk-Symbol
Eine Aktion von mehreren Hundert Landwirten im Kreis Nordfriesland sorgt für Diskussionen. Sie hatten mit ihren Treckern die Flagge der Landvolk-Bewegung auf einer Koppel bei Oldenswort nachgebildet - einem Pflug als Zeichen für die Landwirtschaft, einem Schwert als Zeichen für den Kampf. Vor rund hundert Jahren war diese Bewegung für Bombenanschläge in Schleswig-Holstein verantwortlich. Sie gilt als nationalistisch, antisemitisch und völkisch.
Bauern: Auch damals gab es finanzielle Sorgen
Warum also wählen die Bauern in der heutigen Zeit ein so belastetes Symbol aus? "Damals ging es den Landwirten auch schlecht. Da gab es finanzielle Sorgen, Steuerlasten, und und und", sagt Landwirt Jann-Henning Dircks aus Norderfriedrichskoog dazu. Die Fahne symbolisiere für ihn und seine Kollegen den Zusammenhalt der Landwirte. "Was daraus geworden ist, da mag jeder die Geschichte anders interpretieren." Er betont aber: "Wir distanzieren uns von jeglichem nationalsozialistischen Hintergrund und von jeglicher Gewalt." Es werde kein Landwirt jetzt Bomben basteln.
Landwirtschaftsminister Albrecht: Landvolk-Symbolik schädlich
Jan Philipp Albrecht (Grüne) hat die Anspielung auf die Landvolk-Bewegung am Montag kritisiert. "Diese unmissverständliche Bezugnahme auf die Symbolik ist eindeutig erkennbar", sagte der Landwirtschaftsminister. "Deswegen ist es nicht nur unglücklich, sondern auch schädlich für das, was die legitimen Anliegen der meisten Bäuerinnen und Bauern darstellt." Man solle das zügig beenden und nicht wieder aufkommen lassen. "Ich glaube, es ist auch gut, dass sich jetzt weite Teile der Landwirtschaft wirklich klar distanzieren von dieser Aktion und dieser Symbolik", sagte Albrecht weiter. Die habe im Diskurs auf Augenhöhe nichts verloren. "Mit solchen Bezügen kann man nicht diskutieren - die kann man auch nicht relativieren."
Stegner: Symbol für Terrorismus
SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Stegner sagte dazu: "Wenn ich Zusammenhalt ausdrücken möchte, dann muss ich nicht Symbole wählen, die in der Geschichte ganz klar für Antisemitismus, für antidemokratische Strukturen, für Terrorismus und für Unterstützung der Nazi-Bewegung standen." Er weist darauf hin, dass die Nationalsozialisten in Schleswig-Holstein früh Mehrheiten hatten - auch dank der Landvolkbewegung. Die Kritik an der Aktion kommt von allen Seiten.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Heiner Rickers - selbst Landwirt - sagte, damit seien die Grenzen des guten Geschmacks und des sachlichen Austauschs verlassen. Oliver Kumbartzky von der FDP forderte, dass sich die Landwirte von rechtem Gedankengut distanzieren und mahnte neue Hilfen von EU und Bundesregierung für die Landwirtschaft an. Der Grünen-Kreisverband Nordfriesland bezeichnete die Symbolik als nicht hinnehmbar. Die Organisatoren müssten sich fragen lassen, was sie im Schilde führten.
Dircks: Politiker peitschen auf uns ein
Landwirt Dircks und seine Kollegen fühlen sich missverstanden und ungerecht behandelt. "Ich finde es beschämend, dass Politiker aller Couleur auf uns einpeitschen und dem Mainstream folgen, ohne mit uns zu reden", sagt Dircks. Er bedauert den Einsatz des Symbols nicht und sieht auch keinen Grund dafür, sich zu entschuldigen: "Das sollte noch nicht mal eine politische Botschaft sein". Für ihn und seine Mitstreiter wäre das so etwas wie Kunst am Strand gewesen, die sie hätten nachstellen wollen. "Hätten wir eine Milchkanne in den Sand gemalt, dann hätten Sie mich ja sicher nicht angerufen", sagt Dircks in einem Radio-Interview. Er ist auch ehrenamtlicher Bürgermeister seiner 50-Einwohner-Heimatgemeinde.
Der Bauernverband steht unterdessen auch nicht hinter der Aktion. Der Vorsitzende des Landesverbands Schleswig-Holstein, Werner Schwarz, zeigte sich entsetzt. Ein Symbol, das an eine gewalttätige und spalterische Bewegung erinnere, deren Verhältnis zum Nationalsozialismus wenigstens zweideutig sei, sei nicht akzeptabel, sagte er. "Davon distanzieren wir uns ohne Einschränkung", so der Bauernpräsident. Das tat am Sonntag auch der Verein Land schafft Verbindung, der viele Bauernproteste in den vergangenen Monaten organisiert hatte.
