Eine Luftaufnahme zeigt die Insel Borkum. © picture alliance/dpa/Sina Schuldt Foto: Sina Schuldt

Nordsee: Umweltschützer kritisieren geplante Erdgasförderung

Stand: 21.04.2022 12:06 Uhr

Eine Erdgasförderung in der Nordsee vor der Insel Borkum rückt nach Plänen von Wirtschaftsminister Althusmann und dem niederländischen Unternehmen One-Dyas näher. Daran entzündet sich heftige Kritik.

"Es kann nicht sein, dass in Zeiten der Klimakrise und eines gewaltigen Artensterbens weltweit - trotz aller Entwicklungen rund um den Ukraine-Krieg - weiterhin auf die Förderung fossiler Energien gesetzt wird", sagte Holger Buschmann, Landesvorsitzender des NABU Niedersachsen. Er warnte vor unmittelbaren Schäden und negativen Umweltfolgen durch die Förderung von Erdgas in dem vor fünf Jahren entdeckten Feld "N05-A" zwischen den Inseln Schiermonnikoog (Niederlande) und Borkum. Dieses liegt nahe dem Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Die aktuelle Energieproblematik könne das Vorhaben ohnehin nicht lösen, weil die Förderungen erst in einigen Jahren beginnen könnten, so Buschmann. Er wirft den Beteiligten vor, ausschließlich wirtschaftliche Interessen zu verfolgen.

Erdgas für Deutschland und die Niederlande

Für die Förderung soll eine Plattform auf hoher See errichtet und eine neue Pipeline verlegt werden. Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) und das niederländische Unternehmen One-Dyas hatten sich am Mittwoch auf Eckpunkte für die Erdgasförderung verständigt. Das Unternehmen will bis zu 60 Milliarden Kubikmeter Gas aus dem Feld gewinnen, das zu gleichen Anteilen an Deutschland und die Niederlande gehen soll. "Damit ist Niedersachsen gemeinsam mit den Niederlanden der Eckpfeiler der deutschen und der europäischen Energieversorgung, was den Gasmarkt betrifft", sagte Althusmann am Mittwoch.

Althusmann sieht "keine Umweltgefährdung"

Bedenken von Umweltverbänden und Grünen im Landtag wies Althusmann zurück: "Die umweltschutzfachlichen Verfahren, sowohl auf niedersächsischer Seite als auch auf niederländischer Seite, kommen derzeit nach meiner Einschätzung zu dem Schluss, dass keine Umweltgefährdung besteht." Im vergangenen Sommer noch hatte sich die Landesregierung gegen eine Gasförderung in der Nordsee ausgesprochen. Angesichts der Unsicherheiten bei der Energieversorgung durch den Krieg in der Ukraine rückte sie von dieser Position jedoch ab und sprach sich für eine Neubewertung aus.

Insel-Bürgermeister fürchten Erdbeben und Schadstoff-Anspülung

Nicht nur der NABU und die Landtags-Grünen, auch weitere Umweltverbände wie der BUND und die Insel-Bürgermeister fürchten Umweltschäden. Sie sehen etwa die Gefahr von Erdbeben durch das Bohren 20 Kilometer vor Borkum. Außerdem befürchten sie, dass sich die Inseln absenken und Schadstoffe ins Meer gespült werden, die dann an die Strände von Borkum, Juist und Norderney gelangen. Dadurch seien die Inseln und der Tourismus existenziell bedroht, sagte Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos).

Sorge vor Zunahme von Schiffs-Havarien

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) - ein Zusammenschluss aus etwa 200 Mitgliedern von Naturschutzvereinen, Kommunen und Verbänden - sorgt sich darüber hinaus auch um den Schiffsverkehr. Durch mehr Industrieanlagen auf hoher See würden die Schifffahrtsstraßen in der Nordsee zunehmend eingeengt, so die SDN. Die Unfallgefahr werde erhöht und mögliche Havarien könnten wiederum die Natur im Wattenmeer treffen. "Es ist einfach an der Zeit, nachhaltig umzudenken und nach wirklichen Lösungen zu suchen", sagte der SDN-Vorsitzende und Bürgermeister von Varel (Landkreis Friesland), Gerd-Christian Wagner (SPD). Es ergebe keinen Sinn, weiter auf fossile Energien zu setzen.

Förderung frühestens in zwei Jahren

Über die Erklärung von Althusmann und One-Dyas-Vorstandschef Chris de Ruyter van Steveninck soll innerhalb der nächsten zwei Wochen im Landeskabinett entschieden werden. Aber: Eine abschließende Genehmigung für die Förderung auf niedersächsischer Seite wird damit noch nicht erteilt. Dies kann nach einem Planfeststellungsverfahren nur das zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Laut One-Dyas könnte die Gasförderung damit frühestens Ende 2024 beginnen.

Weitere Informationen
Eine Grafik zeigt ein Schiff an einem LNG-Terminal. © Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz

LNG soll ab 2023 über Wilhelmshaven nach Deutschland kommen

Von schwimmenden LNG-Terminals soll das Flüssigerdgas über eine neue Leitung nach Etzel geleitet werden. (08.04.2022) mehr

Der Jade-Weser-Port ist hinter einer Baustelle am Deich zu sehen. © picture alliance/dpa | Sina Schuldt Foto: Sina Schuldt

Wie schnell kann Niedersachsen auf Flüssigerdgas umsteigen?

Ministerpräsident Stephan Weil will ab Sommer 2023 bis zu 40 Prozent der russischen Gaslieferungen durch LNG ersetzen. (05.04.2022) mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 21.04.2022 | 10:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Meer und Küste

Umweltschutz

Gas

Mehr Nachrichten aus der Region

Huf-Schusterin Angela Iburg aus Diepholz passt dem Kutschpferd Zaphira Hufschuhe aus Plastik auf der Insel Baltrum an. © Jens Gaiser Foto: Jens Gaiser

Baltrum: Kutschpferde kommen aus dem Winterquartier

Eine Fähre brachte zwei Pferde von Bremen aus auf die Insel. Insgesamt sind auf Baltrum mehr als 20 Tiere im Einsatz. mehr

Mehr Nachrichten aus Niedersachsen