Impfskandal: Hätte das DRK gewarnt sein können?
Der Skandal um mit Kochsalz gefüllte Impfspritzen im Friesland weitet sich aus. Nun hat eine Zeugin aus dem Impfzentrum ausgesagt, im Vorfeld vor ihrer Kollegin als Impfgegnerin gewarnt zu haben.
Demnach habe die Mitarbeiterin des Impfzentrums in Schortens (Landkreis Friesland) ihre Vorgesetzten beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) bereits fünf Tage vor Bekanntwerden der Vorgänge gewarnt: Die später beschuldigte Kollegin könnte eine Impfgegnerin und Verschwörungstheoretikerin sein. Darauf habe allerdings niemand reagiert. Das berichtete das Magazin "Spiegel" am Freitag. Auf Nachfrage der Evangelischen Presseagentur (EPD) sagte Landrat Sven Ambrosy (SPD) jedoch, dass ihm davon nichts bekannt sei. Stattdessen müssten nun die Ermittlungsbehörden prüfen.
Landrat: "fataler" Vorgang
Sollte sich der Vorwurf jedoch bewahrheiten, sei dies "fatal", sagte Ambrosy. Der Landrat ist sich sicher: Wenn solche Warnungen bestanden hätten, hätte das DRK den Landkreis als Auftraggeber informieren müssen. Ein Zurückhalten solcher Informationen wäre ein erheblicher Verstoß gegen die Geschäftsgrundlage und stelle die Vertrauensfrage. Der Vorfall müsse lückenlos aufgeklärt werden, so der Politiker.
Sondereinheit der Polizei ermittelt
Der beschuldigten 40-jährigen Krankenschwester wird vorgeworfen, Anfang April in mindestens sechs Fällen im Impfzentrum Schortens-Roffhausen Impfstoff gegen eine Kochsalzlösung ausgetauscht zu haben, weil ihr eine Ampulle mit dem Vakzin zerbrochen sei. Weil die Ermittler nicht ausschließen können, dass die Frau bereits zuvor mehrfach ausschließlich Kochsalz verwendet hat, müssen jetzt mehr als 10.000 Menschen nachgeimpft werden. Mehr als 3.300 Menschen wurden aktuell bereits entsprechend versorgt. 6.000 weitere Corona-Impftermine sind laut Landkreis vereinbart worden. Inzwischen gibt es auch eine Sondereinheit der Polizei. Sie ermittelt gegen die Frau wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung.
Zeugin erhielt "merkwürdige Chats"
Laut dem "Spiegel" sagte die nun an die Öffentlichkeit gegangene Zeugin, sie habe von der Beschuldigten WhatsApp-Texte und Videos mit "wirren Verschwörungsfantasien" erhalten. Sie habe die Nachrichten an ihre Teamleitung weitergeleitet - ohne eine Reaktion. Beim DRK gibt man zu, dass die Zeugin drei Tage vor der Tat mitgeteilt habe, sie erhalte "merkwürdige Chats" von der Beschuldigten. Es sei aber nicht deutlich geworden, dass es sich um impfkritische Nachrichten gehandelt habe oder die Beschuldigte eine Impfgegnerin sei, so DRK-Kreisgeschäftsführer Carl-Martin Köhler.
Behörden hatte keine Gefahr gesehen
Trotzdem habe er darum gebeten, die Chats zu sammeln, so Köhler weiter. Erhalten habe er sie selbst aber erst einige Tage später. Außerdem habe die Polizei das Handy der Beschuldigten ausgewertet und die Posts als "harmlos" eingestuft. Der Anwalt der beschuldigten Krankenschwester weist die Vorwürfe zurück. Seine Mandantin habe nicht aus politischen Gründen gehandelt - und: Es habe nur einen Vorfall gegeben. Zudem habe sie Impfstoffreste aus anderen Ampullen auf die Spritzen gezogen, sodass jeder Impfling das Vakzin bekommen habe.
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