Stand: 02.12.2019 15:52 Uhr
Stade: Katastrophenschutz-Krise an der Elbe
Chaos in der Katastrophenschutz-Politik rund um das abgeschaltete Kernkraftwerk Stade. Feuerwehr und Kreisverwaltung haben nicht schlecht gestaunt, als vor einigen Wochen der erste Lkw auf den Hof rollte. Sein Transportgut: Material für den Aufbau von Notfallstationen bei einem Atom-Unfall - Ersatzkleidung für die Bevölkerung, ein Stromgenerator, Kabeltrommeln. Wie NDR 1 Niedersachsen berichtet, sind inzwischen 21 Paletten eingetroffen und weitere angekündigt. Wo er das alles unterbringen soll, weiß Stades Landrat Michael Roesberg (parteilos) nicht. Er nennt den Vorgang ein "Kuriosum".
Wegen Brokdorf: Landkreis Stade ist Gefahrenregion der höchsten Stufe
Seit 2003 ist das Kernkraftwerk am Westufer der Elbe heruntergefahren. Seitdem ist der Landkreis nicht mehr für den Katastrophenschutz zuständig. Aber: Das Land hat im Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetz sieben Gefahrenregionen festgelegt, darunter den Landkreis Stade in der höchsten Kategorie. Grund dafür ist das etwa 40 Kilometer entfernte Kernkraftwerk Brokdorf auf der Ostseite der Elbe. Im Falle eines Unfalls muss Stade also reagieren. Das Problem: Einen Plan, wie im Katastrophenfall zu verfahren ist, gibt es nach Angaben eines Kreissprechers nicht. Seit Stade vor 16 Jahren abgeschaltet wurde, sind Feuerwehren und Technisches Hilfswerk nicht mehr für den Strahlenschutz ausgebildet worden. Das Innenministerium hat den Landkreis um Geduld bei der Beantwortung der Fragen gebeten.
Die Atomkraftwerke in Norddeutschland
Seit 1988 ist das Kernkraftwerk Emsland bei Lingen in Betrieb. Es soll bis 2022 laufen und ist damit eines von dreien, die bundesweit am längsten am Netz bleiben sollen, weil es zu den neuesten Anlagen gehört. Den Betreiberangaben zufolge produziert das Kraftwerk jährlich rund elf Milliarden Kilowattstunden Strom - eine Menge, die für etwa 3,5 Millionen Haushalte ausreicht.
Das Kraftwerk Brokdorf an der Elbe in Schleswig-Holstein wird im Jahr 1986 in Betrieb genommen. Es ist damals weltweit das erste Atomkraftwerk, das nach dem schweren Reaktorunglück in Tschernobyl in der Ukraine neu ans Netz geht. Schon während der Bauphase Anfang der 1980er-Jahre gibt es heftige Proteste gegen den Meiler in Brokdorf. Derzeit speist das Kraftwerk nach Angaben der Betreiber pro Jahr gut 12 Milliarden Kilowattstunden Strom ins Netz ein. Dies entspricht etwa der Hälfte der gesamten schleswig-holsteinischen Stromerzeugung eines Jahres. Das AKW Brokdorf soll noch bis 2021 Strom liefern.
Das Kraftwerk Grohnde an der Weser in Emmerthal bei Hameln geht im Jahr 1984 in Betrieb. Mit einer Stromproduktion von elf Milliarden Kilowattstunden kann es derzeit laut Betreiber drei Millionen Drei-Personen-Haushalte ein Jahr lang mit Elektrizität versorgen. Die endgültige Abschaltung des Kernkraftwerks Grohnde ist für 2021 vorgesehen.
Das Atomkraftwerk Brunsbüttel steht an der Elbmündung in Schleswig-Holstein. Brunsbüttel geht 1976 in Betrieb. Nach einigen Pannen wird das AKW im Sommer 2007 abgeschaltet und darf nach dem Beschluss für den Atomausstieg nicht wieder an Netz gehen. Betreiber Vattenfall will es abreißen. Der Rückbau ist jedoch aufwendig und dauert Jahrzehnte. Vattenfall rechnet für Brunsbüttel mit 10.000 Tonnen schwach- und mittelradioaktivem Abfall - darunter auch Hunderte zum Teil beschädigte Fässer mit Atommüll.
Das Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht in Schleswig-Holstein wird 1983 an das Stromnetz angeschlossen - und 24 Jahre später, nach einer Pannenserie im Juni 2007, vom Netz genommen. Ende Juni 2009 wird der Reaktor wieder angefahren. Doch wenige Tage später gibt es neue Probleme: Der Betreiber muss das Kraftwerk erneut abschalten. Seither befindet sich Krümmel im Stillstandbetrieb - nach dem von der Bundesregierung verhängten Atommoratorium wird es nie wieder angefahren. Der Energiekonzern Vattenfall rechnet damit, dass der Rückbau etwa 15 bis 20 Jahre dauern wird.
Das Kraftwerk Unterweser im niedersächsischen Rodenkirchen bei Nordenham wird 1978 mit einer Nennleistung von 1.410 Megawatt in Betrieb genommen - das entspricht jährlich elf Milliarden Kilowattstunden Strom für 3,5 Millionen Haushalte. Der Meiler an der Unterweser geht im März 2011 vom Netz und soll aufgrund des Beschlusses für die Energiewende nicht wieder in Betrieb genommen werden.
Das Atomkraftwerk in Stade an der Elbe geht im November 2003 außer Betrieb und wird im September 2005 stillgelegt. Es befindet sich momentan in der sogenannten Rückbauphase. Diese sollte ursprünglich 2015 abgeschlossen sein, wegen erhöhter Strahlenwerte am Sockel des Reaktors verzögert sich der Abriss jedoch. Das Atomkraftwerk in Stade war 1972 in Betrieb gegangen.
Das Kernkraftwerk Lubmin am Greifswalder Bodden geht 1973 in Betrieb. Es ist das größere der beiden Kernkraftwerke der DDR und erbringt damals mit seiner Gesamtleistung von 1.760 Megawatt einen Anteil von elf Prozent des Strombedarfs in der DDR. Nach der Wende werden die Reaktorblöcke des Kraftwerkes einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen - und zeigen zahlreiche Mängel. Es geht 1990 vom Netz. 23 Jahre nach Abschaltung des Meilers wird 2013 das letzte radioaktiv belastete Großteil ausgebaut.
Weitere Informationen
Das Ziel lautet: zurück zur "grünen Wiese". Das AKW Stade wird in einem aufwendigen Prozess in seine Einzelteile zerlegt. Der Rückbau dauert rund zehn Jahre. (29.03.2011)
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Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Niedersachsen |
Regional Lüneburg |
02.12.2019 | 15:30 Uhr