Stand: 18.11.2019 13:30 Uhr

"Keine One-Man-Show": Das ist Belit Onay

Der niedersächsische Grünen-Politiker Belit Onay. © Bündnis 90/DIE GRÜNEN Foto: Brauers
Belit Onay ist der erste grüne Oberbürgermeister in Niedersachsen. Für Hannover setzt er unter anderem aufs Thema Verkehr.

Belit Onay hat die historische Chance genutzt. Er hat es geschafft, er ist Hannovers neuer Oberbürgermeister. Mit seinem Sieg in der Stichwahl gegen Eckhard Scholz, der für die CDU angetreten war, beendet der Grünen-Politiker die 73 Jahre lange SPD-Vorherrschaft im Neuen Rathaus. In der Stadt ist der 38-jährige Onay kein Unbekannter: Er sitzt seit 2013 im Landtag und war davor Mitglied der Grünen-Ratsfraktion in Hannover.

Die Stadt als Lebensaufgabe begreifen

Onay hat einen "Aufbruch" für Hannover angekündigt. Dafür versprach der 38-Jährige im NDR Niedersachsen vollsten Einsatz: "Ich glaube, es ist gut, dass man diese Stadt mit jungen Jahren als Lebensaufgabe begreift, sich dieser Stadt auch so widmet und diese Stadt so auch weiterentwickelt", sagte Onay im Wahlduell vor der Stichwahl.

"Autoverkehr muss zurückgedrängt werden"

Der neue OB hat große Pläne. Die Verkehrspolitik und Mobilität liegen dem Grünen am Herzen, hier setzt er einen besonderen Schwerpunkt. Die autofreie Innenstadt bis 2030 ist eines seiner Ziele, das Ein-Euro-Ticket für Bus und Bahn soll ein weiterer Baustein sein auf dem Weg zu einer Stadt mit weniger Abgasen, Staus und Lärm. Der OB will deutlich mehr Platz für Radfahrer schaffen. Das wird nicht jedem gefallen: "Um dem Radverkehr mehr Raum zu geben, müssen notwendigerweise die Autos, der Autoverkehr, zurückgedrängt werden", sagte Onay im NDR. Hannover solle auch "Vorreiterin" in den Bereichen soziale Teilhabe und bezahlbares Wohnen werden.

Regieren ist keine "One-Man-Show"

Starten will Onay mit seinem Einsatz für die Landeshauptstadt sofort. Er habe viele Ideen auf den Tisch gelegt, sagte er dem NDR. Jetzt ist die Zeit zur Umsetzung gekommen - und das sei keine "One-Man-Show", sondern Teamarbeit. Vom ersten Tag an müsse der OB die Verwaltung mitnehmen, "damit wir alle an einem Strang ziehen für diese Stadt". Es will das Amt - so weit es möglich ist - überparteilich ausführen. "Für mich ist es sehr wichtig, dass wir diese Stadt wieder zusammenführen. Also gesellschaftliche Spaltung überwinden, soziale Spaltung überwinden. Und ich möchte ein Oberbürgermeister sein, der diese Stadt zusammen mit den Menschen gestaltet, zuhört, bei Entscheidungen auch dieses Wissen mit einfließen lässt, aber selbst dann auch Entscheidungen trifft und dafür die Verantwortung übernimmt."

Teilhabe und Gestaltungsmöglichkeiten für Migranten

Seit seinem Jura-Studium lebt Onay in Hannover. Geboren wurde er in Goslar als Sohn türkischer Zuwanderer. Dass Migranten mitreden und mitgestalten, ist ihm ein Anliegen. Wie er erzählt, wurde er als Zwölfjähriger durch den tödlichen Brandanschlag von Solingen im Jahr 1993 politisiert.

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Solingen © NDR Foto: Screenshot
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Brandanschlag in Solingen

Am 29. Mai 1993 - vor 25 Jahren - zündeten Rechtsradikale in Solingen ein Haus an, fünf Menschen starben. 1 Min

"Wir haben viel Solidarität erfahren in der Stadtgesellschaft, aber auch viel Angst gehabt", erinnert sich Onay im Interview mit NDR 1 Niedersachsen. Es habe eine Stimmung geherrscht, als werde Jagd auf Menschen gemacht, sagte er der "taz" (25. Oktober): "Damals habe ich zum ersten Mal realisiert, dass es in Deutschland eine Rolle spielt, woher Menschen kommen, wie sie heißen oder welche Hautfarbe sie haben."

Anschlag in Halle: Gewalt liegt in der Luft

Als Kind habe er die Unsicherheit seiner Eltern wahrgenommen: "Ich habe gespürt, wie sie überlegt haben. Sollen sie zurück in die Türkei? Sollen sie hier bleiben?" Er sei sehr froh, dass sie in Deutschland geblieben seien. "Denn für mich und meine Schwester wäre das damals kein 'zurück in die Türkei' gewesen, sondern ein 'weg von unserer Heimat'." Kürzlich geschah dann der Anschlag in Halle an der Saale. Am 9. Oktober versuchte ein bewaffneter Mann, in eine Synagoge einzudringen. Er erschoss zwei Passanten. "Halle, das ist für mich heute, über 25 Jahre nach Solingen, wie ein Flashback", so Onay zur "taz", "diese Gewalt, die in der Luft liegt."

Die Familie - sein Anker

Abseits des politischen Alltags findet Onay einen Rückzugsort bei seiner Frau und seinen kleinen Sohn, wie er erzählt: "Wenn ich nach Hause komme, nach stressigen Tagen, und mit meiner Familie zusammen bin, ist das für mich wie ein Pol, an dem ich mich festhalten kann - ein Anker, sowohl seelisch als auch politisch."

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Hannover | 22.11.2019 | 17:00 Uhr

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