Wermelskirchen: Fünf Niedersachsen unter Missbrauchsverdacht
Ermittler haben auf einer Pressekonferenz in Köln am Montag Details zum Missbrauchskomplex Wermelskirchen bekannt gemacht. Demnach gibt es 73 Verdächtige, davon ein Dutzend aus Norddeutschland.
Wie die Fahnder mitteilten, wohnen je fünf Verdächtige in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Je ein Beschuldigter komme aus Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg. "Alle Beschuldigten sind Männer, deren Alter ich leider nicht benennen kann. Die Landkreise haben wir nicht bezeichnet, um etwaige Ermittlungen der dort zuständigen Staatsanwaltschaften nicht zu stören", teilte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer aus Köln am Montagabend auf NDR Anfrage mit. Ob bei einigen der Beschuldigten Untersuchungshaft angeordnet worden sei und ob es in Norddeutschland Opfer der Kindesmissbrauchs-Fälle gebe, könne er nicht sagen.
Laut Behörden fünf Millionen Bilder und Videos sichergestellt
Nach Angaben von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) soll es über einen Video-Chat Kontakte zwischen dem 44 Jahre alten Hauptbeschuldigten aus Wermelskirchen und dem Missbrauchskomplex Münster gegeben haben. Der 44-Jährige soll "einem der Täter aus Münster beim Missbrauch zugesehen und Anweisungen gegeben haben", so Reul. Warum der Mann aus Wermelskirchen nicht schon bei den Ermittlungen im Komplex Münster identifiziert worden sei, wisse er derzeit nicht, sagte Reul. Spezialkräfte hatten den Mann Anfang Dezember an seinem eingeschalteten Computer festgenommen. Die Beamten stellten bei ihm laut Behörden-Angaben ein Volumen von 32 Terabyte mit 3,5 Millionen Bildern und 1,5 Millionen Videos sicher. Allein die Sicherung der Datenmenge von 232 Datenträgern vor Ort habe 17 Tage gedauert.
"Ein solches Ausmaß an menschenverachtender Brutalität ist mir noch nicht begegnet"
Eine besondere "Aufbauorganisation" namens "Liste" sichtet nun das Material. Der Name ist dem Umstand geschuldet, dass der Verdächtige sein Kinderpornografie-Archiv in Listen unterteilt habe - wohl um nicht den Überblick zu verlieren. Bislang haben die Ermittler erst zehn Prozent der Datenmenge ausgewertet. Die Gewaltfantasien, die dabei verwirklicht worden seien, hätten auch erfahrene Ermittler in dem Bereich entsetzt. Gefunden wurden "brutalste Vergewaltigungen von Babys und Kleinkindern", sagte Kölns Polizeipräsident Falk Schnabel am Montag. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder in einigen Fällen dafür betäubt worden seien. "Ich bin erschüttert und fassungslos. Ein solches Ausmaß an menschenverachtender Brutalität und gefühlloser Gleichgültigkeit gegenüber kleinen Kindern, ihren Schmerzen und ihren Schreien ist mir noch nicht begegnet."
Opfer teilweise überrascht
Bislang seien mindestens 33 Opfer identifiziert, von denen ein Großteil aus Nordrhein-Westfalen stammt und die teilweise als Säuglinge missbraucht worden sein sollen - das jüngste Opfer war demnach einen Monat alt. Es sei nicht auszuschließen, dass sich deren Zahl weiter erhöhe. Die Eltern der Kinder hätten in keinem Fall Verdacht geschöpft, berichteten die Ermittler. Die Polizei geht davon aus, dass die Täter ihre Opfer teilweise betäubt haben. Den Geschädigten sei Hilfe angeboten worden.
Hauptverdächtiger soll zwölf Kinder missbraucht haben
Von den 73 Verdächtigen im Missbrauchskomplex Wermelskirchen kommen 26 aus NRW - darunter der Hauptbeschuldigte. Er soll seine Dienste als Babysitter im Internet angeboten und sich so seinen Opfern genähert haben. Mit Dutzenden weiteren Männern habe er zudem kinderpornografische Bilder und Videos von "unvorstellbarer Brutalität" getauscht. Auf die Schliche gekommen sei man dem Mann im vergangenen November durch Ermittlungen gegen einen seiner Chat-Partner in Berlin. Bis zum Zugriff mit einem Haftbefehl des Kölner Amtsgerichts seien seine Telefone abgehört worden. Der Mann soll im Großraum Köln selbst zwölf Kinder - zehn Jungen und zwei Mädchen - missbraucht haben. Die Taten reichten bis ins Jahr 2005 zurück. Er habe die Taten weitgehend eingeräumt, teilten die Ermittelnden mit.
Täter aus dem nahen Umfeld
Mit Ausnahme von Bremen und dem Saarland sind alle Bundesländer betroffen. Ein Verfahren sei nach Österreich abgegeben worden. Die meisten Verdächtigen seien in einem Alter zwischen 26 und 45 Jahren. Bei ihnen handelt es sich den Ermittlern zufolge um Väter, Nachbarn, Bekannte, Brüder oder Großväter der Opfer.