Boris Pistorius (SPD) spricht bei der Vorstellung des niedersächsischen Verfassungsschutzbericht. © dpa Foto: Michael Matthey

Verfassungsschutz: AfD Niedersachsen ist nun Verdachtsobjekt

Stand: 16.06.2022 19:33 Uhr

Niedersachsens Innenminister Pistorius hat am Donnerstag den Verfassungsschutzbericht vorgestellt. Darin sind nun auch die gesamte AfD und Delegitimierer des Staates als Verdachtsobjekte gelistet.

Das sagte Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut am Donnerstag in Hannover bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts für 2021. Nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums war die AfD im vergangenen Mai entsprechend eingestuft worden. Zuvor waren in Niedersachsen die Jugendorganisation der AfD sowie der sogenannte Flügel als Beobachtungsobjekt eingestuft worden - dies ist noch höher einzuordnen als ein Verdachtsobjekt. Der AfD-Landesvorsitzende Frank Rinck sagte dem NDR in Niedersachsen nun, er halte die Einstufung als Verdachtsfall "für eine lächerliche Farce", das sei ein Wahlkampfmanöver. Die Partei wolle rechtliche Schritte prüfen.

Witthaut: AfD-Landesverband hat Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen

Laut Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut sind die ehemaligen "Flügel"-Angehörigen der Partei mit ihrem Gedankengut und ihren Zielsetzungen in die Parteistrukturen der AfD eingesickert. Zudem unterhalte der niedersächsische AfD-Landesverband Verbindungen zu rechtsextremistischen Organisationen und Protagonisten. Die Landesverbände der AfD werden von den jeweiligen Landesbehörden unterschiedlich beurteilt. Beispielsweise wird die Thüringer AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung beobachtet.

Auch Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker sind Verdachtsobjekte

Bei dem zweiten neuen Verdachtsobjekt handelt es sich um demokratiefeindliche oder sicherheitsgefährdende Delegitimierer des Staates. Dazu zählen laut Bericht etwa Verschwörungstheoretiker und Corona-Leugner. "Der sinnlose und historisch verblendete Hass in dieser Szene kann sich immer wieder auf furchtbarste Weise entladen, das haben Anschläge und Amoktaten der vergangenen Jahre mehrfach schmerzhaft bewiesen", sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD). Im Zuge der Proteste gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen habe sich eine neue Mischszene von Corona-Leugnern und Querdenkern mit Rechtsextremisten und "Reichsbürgern" gebildet. Mit der zunehmenden Verbreitung altbekannter Verschwörungstheorien, insbesondere über die sozialen Medien, sei auch der Antisemitismus noch stärker präsent. Teilweise seien gewisse Symbole vor allem in Kreisen der Querdenker dafür genutzt worden, um sich als Opfer darzustellen und so auf eine Stufe mit den Verfolgten und Ermordeten des Holocausts zu stellen.

Grüne: Verfassungsschutz muss Kontakte von "Querdenkern" zu Rechtsextremisten genauer untersuchen

Die Zahl der "Reichsbürger" sowie sogenannter Selbstverwalter sank von 1.100 im Jahr 2020 auf 900 im vergangenen Jahr, die Anzahl der Rechtsextremisten unter ihnen sei mit 50 jedoch konstant. Grünen-Innenpolitikerin Marie Kollenrott sagte, der Verfassungsschutz sei gefordert, die Verbindungen der Querdenker-Bewegung zum Rechtsextremismus noch stärker zu analysieren.

Mehr als 1700 Rechtsextreme in Niedersachsen

Weiterhin die größte Gefahr gehe trotz leicht gesunkenen Personenpotenzials vom Rechtsextremismus aus, betonte Pistorius. Die Verfassungsschützer rechnen dem Rechtsextremismus in Niedersachsen 1.730 Menschen zu. Das sind nur minimal weniger als im Vorjahr, nämlich 20 Personen. Im Linksextremismus blieb die Zahl der gewaltbereiten Personen 2021 mit 800 demnach weitgehend konstant. Im Bereich Salafismus nennt der Bericht 900 Menschen - mit aktuell leicht rückläufiger Tendenz.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 16.06.2022 | 16:00 Uhr

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