Vorstand beurlaubt: Führungskrise an der Unimedizin Rostock
Die größte landeseigene Klinik in Mecklenburg-Vorpommern, die Unimedizin Rostock (UMR), gerät gut vier Wochen vor der Landtagswahl immer mehr in Schieflage und steckt in einer Führungskrise: Jetzt muss der Vorstandschef und Ärztliche Leiter, Prof. Christian Schmidt, gehen. Der Aufsichtsratschef und Ex-Finanz- und Bildungsminister Mathias Brodkorb hat ihn "freigestellt".
Schmidt soll von seiner Beurlaubung in der Nacht zum Mittwoch per E-Mail erfahren haben. Vorausgegangen war eine Krisensitzung des Aufsichtsrats. Es ging um den künftigen Kurs der landeseigenen UMR und um Sparpläne. Offenbar gab es deutliche Meinungsverschiedenheit über die Zukunft der Unimedizin. Nach NDR Informationen soll Brodkorb in internen Sitzungen in den vergangenen Wochen stärker auf Personalkürzungen gedrängt haben als Schmidt. Aus Aufsichtsratsprotokollen ergibt sich, dass Schmidt vor allem vor Kürzungen in der Kindermedizin gewarnt hat. Brodkorb drängt dagegen auf schärfere Einsparung - vor allem beim Personal.
Brandbrief sorgte für Wirbel
Die Lage spitzte sich in der vergangenen Woche zu. Da wurde ein Brandbrief von mehreren Chefärzten bekannt, in dem sie wegen Personalmangels vor Lücken in der Patientenversorgung warnten - besonders in der Kindermedizin. Sie kritisierten das Klinikmanagement und forderten von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eine Abkehr von der sogenannten "Schwarze-Null-Politik" an der Uni-Medizin.
Schmidts Vertrag läuft noch fünf Jahre - mit Jahresverdienst von 450.000 Euro
Offenbar sah sich Brodkorb jetzt zum Handeln aufgefordert. Schmidt soll er gesagt haben, er werde nicht als Verlierer vom Platz gehen. Aufforderungen an Schmidt, von sich aus das Feld zu räumen und "Urlaub" zu nehmen, kam der offenbar nicht nach. Deshalb erfolgte jetzt die Freistellung. Die ist für das Land teuer: Schmidt hat einen geschätzten Jahresverdienst von 450.000 Euro - die Summe muss vorerst weitergezahlt werden. Schmidt hat noch einen fünf Jahre laufenden Vertrag.
Aufsichtsrat wirft Schmidt "schwerwiegende Pflichtverletzungen" vor
Offiziell verbreitet die UMR eine andere Lesart der Freistellung. Es gehe darum, unternehmensinterne Sachverhalte neutral und sachgerecht aufzuklären. Dabei müssten die UMR und "Herr Prof. Christian Schmidt" geschützt werden, heißt es betont vage in einer Mitteilung für die Medien. In seinem Freistellungs-Brief an Schmidt wird Brodkorb deutlicher: Er wirft Schmidt "schwerwiegende Pflichtverletzungen" vor - beispielsweise habe er den Aufsichtsrat über Sachverhalte nicht informiert.
Insider: Brodkrob will mit Beurlaubung eigenen Kopf retten
Schmidt habe außerdem nicht dafür gesorgt, dass Qualitätsmängel bei der Nierentransplantation abgestellt würden. Außerdem macht Brodkorb Schmidt zum Alleinverantwortlichen für die aktuelle Misere der UMR. Es gebe ein "nachhaltig gestörtes Vertrauensverhältnis in Ihre Person auf fast allen Ebenen der Universitätsmedizin", schreibt der Aufsichtsratschef Brodkorb. Insider berichten, dass Brodkorb mit Schmidts Beurlaubung versuche, den eigenen Kopf zu retten. Auf Nachfrage wollte sich Brodkorb zu den Vorgängen nicht äußern, er verwies auf die offizielle Mitteilung.
Schmidts Anwalt spricht von einem Bauernopfer
Schmidt lässt sich in der Sache bereits juristisch vertreten. Sein Anwalt Rolf Bietmann meinte auf Anfrage von NDR 1 Radio MV, die Vorwürfe seien haltlos und würden nicht ausreichen, das Vorgehen zu rechtfertigen. "Ich bin auch einigermaßen erstaunt über das Vorgehen, da Ministerpräsidentin Schwesig Herrn Schmidt erst vor wenigen Monaten für den großen Einsatz in der Corona-Krise belobigt hat", so Bietmann. Es sei auch ungewöhnlich, dass vor einer vierten Corona-Welle eine Klinik einen Vorstandsvorsitzenden freistellt und damit das Management insgesamt schwäche. Das könne nicht im Interesse der Patienten sein. Bietmann meinte, offenbar solle Schmidt zu einem Bauernopfer gemacht werden für Versäumnisse an anderer Stelle oder für Wünsche, die von andere Stelle geäußert worden seien. Man werde aber alle Frage beantworten.
Linke kritisiert Politik der Landesregierung
Gut vier Wochen vor der Landtagswahl wird die Krise der UMR auch zum Politikum: Linksfraktionschefin Simone Oldenburg erklärte, die Lage sei "Ausdruck einer falschen Politik der Landesregierung". Auch das Bildungsministerium versage kläglich. Ministerin Bettina Martin (SPD) ist zuständig für die UMR. Oldenburg forderte eine Abkehr vom Spardruck und der Erwirtschaftung von Überschüssen. Die Landesregierung müsse ihr selbstgestecktes Ziel, Mecklenburg-Vorpommern zum Gesundheitsland Nummer 1 zu machen, in die Praxis umsetzen.
Bildungsministerin Martin schweigt
Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) hat sich zu den Vorgängen bisher nicht geäußert - trotz NDR Anfrage. Sie hatte Brodkorb 2019 als Aufsichtsratschef für die beiden Universitätskliniken in Rostock und Greifswald eingesetzt. Seine Aufgabe sollte vor allem sein, die Kliniken neu aufzustellen und die Patientenversorgung sicherzustellen. Politisches Ziel war, Ruhe an dieser Front zu bekommen. Nach Ansicht von Experten und Betroffenen hat Brodkorb eher das Gegenteil erreicht.
2018 beurlaubt - und danach wieder eingesetzt
Schmidt war wegen mutmaßlicher Verfehlungen bereits 2018 freigestellt worden. Interne Ermittlungen hatten jedoch ergeben, dass ihm keine rechtlich handfesten Vorwürfe gemacht werden konnten. Schmidt wurde von der damaligen Bildungsministerin Birgit Hesse (SPD) wieder in alle Positionen eingesetzt, er steht seit 2014 an der Spitze der Uni-Medizin. Jetzt übernimmt vorerst das Vorstandsmitglied Prof. Emil Reisinger den Posten des Vorstands-Vorsitzenden an der UMR.
