Polen, Krajnik Dolny: Tote Fische werden von der Wasseroberfläche des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder beseitigt. ©  Marcin Bielecki/PAP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto:  Marcin Bielecki/PAP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Theorie: Giftige Algen könnten Ursache für das Oder-Fischsterben sein

Stand: 17.08.2022 18:44 Uhr

Noch immer ist nicht klar, was das Fischsterben in der Oder verursacht. Nun gibt es jedoch eine neue Theorie: Wissenschaftler vermuten, dass eine giftige Algenart die Ursache sein könnte.

Forscher des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) bringen als mögliche Ursache für das Fischsterben eine bislang noch nicht identifizierte, giftige Algenart ins Spiel. Gewässerproben haben ergeben, dass sich im Oderwasser "immens hohe Dichten" einer Algenart befinden, die einen Giftstoff absondern, der vor allem für Fische extrem giftig sei, sagte Jörn Gessner, Wissenschaftler am IGB gegenüber NDR MV live. Dabei handelt es sich um eine sogenannte Brackwasserart, die auf hohe Salzkonzentrationen im Wasser angewiesen ist. Damit würde sich auch der hohe Sauerstoffgehalt trotz hoher Temperaturen erklären.

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In Gartz (Landkreis Uckermark) errichteten Feuerwehrleute eine Ölsperre, damit die toten Fische nichb weiter flussabwärts treiben können. © dpa-Bildfunk Foto: Patrick Pleul

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Fachleute vermuten als Ursache Abwässer aus Kalibergbau

Gessner geht im Fall des Fischsterbens in der Oder demnach von einem "menschengemachten Problem" aus. Seit dem 5. August sei dieser erhöhte Salzgehalt aus Polen in der Oder zu beobachten. Als Ursache kommen laut Gessner "wahrscheinlich Abwässer" in Frage. Als "größter Verdächtiger" fassen die Mitarbeiter des Instituts derzeit Abwässer aus dem Kalibergbau ins Auge. Da sich "diese giftige Fracht" bereits seit rund zwei Wochen in der Oder verbreitet, "kann das kein einmaliger Unfall sein", so Gessner.

Weiterhin erhöhte Alarmbereitschaft am "Kleinen Haff"

Im Mündungsgebiet des Flusses, im "Kleinen Haff", haben die Behörden eigenen Angaben zufolge bisher weder Fischkadaver noch ungewöhnliche Messdaten gefunden. Die Sorgen vor einer Umweltkatastrophe und Folgen für das Ökosystem seien aber weiterhin da und die Behörden daher in Alarmbereitschaft, heißt es aus dem Umweltministerium. Regelmäßig werde das Wasser im kleinen Haff untersucht. Zudem werde Polen und auch Brandenburg bei der Suche nach der Ursache für das Sterben der Fische weiter geholfen.

Stettiner Haff könnte verschont bleiben

Die betreffenden Algen bevorzugen Gessner zufolge deutlich höhere Salzgehalte, als sie das Haff aufweist. Demnach sollte die Algenart im Haff nicht vermehrungsfähig sein, sondern sich maximal auf die Odermündung beschränken. Auswirkungen auf das Ökosystem des Haffs könnte die Oder-Katastrophe dennoch haben. Viele Fischarten würden sich zum Laichen in die Oder zurückziehen und deren Nachwuchs später wieder ins Haff zurückwandern. Dieses Ökosystem sei erst einmal gestört, das könnte am Ende auch Auswirkungen auf die Bestände im Stettiner Haff haben.

Der Gewässeranalytiker Wolf von Tümpling vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg hält die Algen-These ebenfalls für möglich, will aber auch andere Ursachen nicht ausschließen. Denn vor allem der hohe Salzgehalt gibt den Forschern weiterhin Rätsel auf.

Ranger des Naturparks Stettiner Haff beobachten Situation

Im Naturpark Stettiner Haff sind Ranger damit betraut, verstärkt den Küstenbereich, aber auch das Gelände nach verendeten Fischen und andere verendete Tiere, die sich von Fisch und totem Fisch ernähren, zu kontrollieren. Jochen Elberskirch, Leiter Naturpark Stettiner Haff zeigt sich bislang gelassen. "Die Situation ist angespannt, ja, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass - was auch immer die Oder heruntergeflossen ist - das Stettiner Haff nicht in dieser Art und Weise tangieren wird, wie es im Oderraum passiert ist."

Umweltminister Backhaus: "Wir sind sofort einsatzfähig"

Umweltminister Till Backhaus (SPD) äußerte sich gegenüber NDR MV Live zu den Sicherheitsvorkehrungen des Landes. "Wir haben zurzeit auf den Hoheitsgewässern des Landes Mecklenburg-Vorpommern, das wäre ja das Stettiner Haff, noch keine Ölsperren ausgebracht". Aber "wir sind sofort einsatzfähig", sagte Backhaus. Derzeit habe man sowohl Polen als auch dem Land Brandenburg zwei Ölsperren angeboten, weil die Welle nicht in MV angekommen sei. Diese seien bereits vom Technischen Hilfswerk verladen und jederzeit einsatzbereit. "Wir haben aber zur Zeit keinen Hinweis auf tote Fische oder auf eine entsprechende Giftwelle innerhalb der Gewässers auf Landesgebiet."

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Schwedt: Tote Fische haben sich an einer Sperre, die von der Feuerwehr verlegt wurde, im deutsch-polnischen Grenzfluss Westoder, nahe dem Abzweig vom Hauptfluss Oder, auf der Wasseroberfläche gesammelt. ©  Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto:  Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

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Stettiner Haff: Weiter keine auffälligen Schadstoffwerte

Bislang sind noch keine Auffälligkeiten in Wasserproben in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt worden. Im deutschen Teil des Stettiner Haffs wurden auch noch keine toten Fische gesichtet, so Backhaus. Demnach steht die Welle mit Fischkadavern noch vor Stettin. Man setze alles daran, dass kein toter Fisch im Stettiner Haff ankomme. Backhaus verwies auf den Einsatz von Ölsperren, um die Fischkadaver aufzuhalten und einzusammeln. 

Auch die Schadstoff-Werte im Stettiner Haff zeigen weiter keine Auffälligkeiten, so Backhaus. Die Suche nach Giftstoffen sei aber auch wie die sprichwörtliche Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. 

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In Gartz (Landkreis Uckermark) errichteten Feuerwehrleute eine Ölsperre, damit die toten Fische nichb weiter flussabwärts treiben können. © dpa-Bildfunk Foto: Patrick Pleul

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In Gartz (Landkreis Uckermark) errichteten Feuerwehrleute eine Ölsperre, damit die toten Fische nichb weiter flussabwärts treiben können. © NDR Foto: NDR

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 17.08.2022 | 18:00 Uhr

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