Villa Baltic: Die (fast) unendliche Geschichte einer Residenz
Seit mehr als 35 Jahren zerfällt die Villa Baltic an der Ostsee in Kühlungsborn. Sie ist zu einem Zankapfel zwischen Politik, Investoren und Verwaltung geworden. Am Schicksal der Villa hängt auch die Zukunft eines ganzen Stadtteils: Unser Podcast-Thema bei MV im Fokus.
"Tut mir leid, der NDR muss raus!" Wieder einmal kommt dieser Satz von Uwe Ziesig (parteilos), Bürgervorsteher der Stadtvertretung von Kühlungsborn. Entscheidet sich mindestens ein Viertel der 20 Stadtvertreter für den Ausschluss der Medien, muss unser Kamerateam den Saal verlassen. Seit Dezember 2024 ist das jedes Mal der Fall, wenn über die Zukunft der Villa Baltic abgestimmt wird. Das zeigt, wie aufgeladen die Diskussionen inzwischen sind, allein schon wegen der Geschichte der Residenz.
Das schickste Herrenhaus von Kühlungsborn
Als die Villa Baltic 1912 fertig wird, ist sie Stadtgespräch. Total exklusiv im Neobarock seiner Zeit, mit langgezogenen Balkonen, einem Mansardendach und innen dunklem Marmor. Als Blickfang dient die Freitreppe aus rotem Granit, wobei das prächtige Treppenhaus durch ein geschwungenes Glasdach belichtet wird. Erbaut vom jüdischen Ehepaar Hausmann für 2,5 Millionen Goldmark. Deren Ehe bleibt kinderlos. So kommt das Gebäude nach deren Tod in die Hände der jüdischen Akademischen Gesellschaft und dient als Erholungsheim. Von den Nazis enteignet und der Goebbels Stiftung zugeschrieben, nutzt es nach dem 2. Weltkrieg der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB). Legendär die Schwoofabende in der Villa und die Steaks für 3,75 Mark. Ab 1972 war die Villa dann mit dem benachbarten Schwimmbad durch einen Gang verbunden, bis zum Abriss der Schwimmhalle 2017. Zu dem Zeitpunkt verfällt das Haus jedoch immer mehr. Nach der Wende fehlt das Geld und verschiedene Glücksritter und Investoren beißen sich an der denkmalgeschützten Sandsteinfassade die Zähne aus. Bis heute.
Ein heruntergekommenes Gebäude: Es passiert... nichts
Mit den Investorenbrüdern Jan und Berend Aschenbeck erscheinen dann die ersten wirklich ernsthaften Geldgeber auf der Bildfläche. So hofft zumindest die Stadt. Die beiden Projektentwickler aus Oldenburg versichern, den alten Glanz der Villa zurückzubringen und kaufen 2019 das Gebäude schließlich für zwei Millionen Euro. Ihre Pläne, ein Hotel daraus zu machen, scheitern jedoch. Also muss eine neue Idee her. Und die haben die Investoren: Sie wollen das benachbarte Gelände kaufen, genau dort, wo früher das Schwimmbad stand. Auf dem Grundstück soll ein 120-Zimmer-Hotel entstehen, mit dessen Betrieb sie die 18 Millionen Euro teure Sanierung der Villa finanzieren wollen. In den fünf darauffolgenden Jahren kommt es dann zu langen Diskussionen zwischen Stadt und Investoren. Über 30 Teilbeschlüsse in der Stadtvertretung werden gefällt, aber am Ende kein Kaufvertrag über das ehemalige Schwimmhallen-Grundstück unterzeichnet.
Neuwahlen und die Rolle zurück
2024 soll dann der Durchbruch kommen. Die Stadt ist unter Auflagen bereit die dickste Kröte zu schlucken: Das Hotel neben der Villa. Doch dann kommen Neuwahlen und mit den Neuwahlen eine neue Bürgermeisterin. Olivia Arndt von der Kühlungsborner Liste übernimmt die Führung der Stadt und mir ihr eine neue Stadtvertretung. Beide werfen den Vorgängern vor, die Interessen von Kühlungsborn nicht genügend vertreten zu haben. Alte Beschlüsse kommen wieder auf den Tisch, die Diskussionen beginnen von vorn. Doch inzwischen interessieren sich nicht mehr allein die Kühlungsborner für das Schicksal der Villa, sondern auch Bund und Land: in Form von acht Millionen Euro Fördergeldern, geknüpft an Bedingungen. Doch warum erfüllt Kühlungsborn diese Bedingungen bislang nicht?
Podcast: Die (fast) unendliche Geschichte der Villa Baltic
Die neue Podcast-Folge von MV im Fokus beleuchtet detailliert die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Villa Baltic. Zu Wort kommen die Kühlungsborner, der Ex-Bürgermeister, der gegen die eigene Stadtverwaltung klagt, die Bürgermeisterin, die ihren Vorgänger kritisiert und ein Investor, der ziemlich unter Strom steht. Der Podcast "Die (fast) unendliche Geschichte der Villa Baltic" ist überall abrufbar, wo es Podcasts gibt.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Landkreis Rostock
