Stand: 02.10.2014 08:16 Uhr

Russlandtag: Der Dialog soll nicht abreißen

Lange war im Vorwege über ihn gestritten worden, am Mittwoch ging er dann ohne Schwierigkeiten über die Bühne: Am Russlandtag haben 450 Vertreter aus Politik und Wirtschaft in Rostock und Wismar über die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland diskutiert. Am Abend beschlossen rund 170 Gäste bei einem Empfang in der Wismarer St-Georgen-Kirche das Wirtschaftstreffen.

Begonnen hatte der Tag mit der offiziellen Eröffnung von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Schröder hatte in Rostock-Warnemünde um Vertrauen zum Handelspartner Russland geworben. Nur durch einen Dialog könne Vertrauen entstehen, das derzeit fehle. Solche Treffen könnten zu einem neuen Brückenschlag zwischen Deutschland und Russland führen. Allerdings schließe ein Dialog Kritik nicht aus, so Schröder weiter.

In Warnemünde und Wismar soll es um die Wirtschaft gehen, nicht um die Ukraine-Krise, so lautete die Zielrichtung beim von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) initiierten Treffen.

Gesunkener Warenumsatz

Russlands Botschafter Wladimir Grinin beklagte eine rückläufige Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland. Der Warenumsatz im ersten Halbjahr 2014 habe sich um 6,5 Prozent verringert, sagte Grinin. Nach Überzeugung Schröders können deutsche Unternehmen bei der Modernisierung der russischen Wirtschaft helfen. Schon jetzt hingen 350.000 deutsche Arbeitsplätze am Russlandgeschäft. "Umgekehrt profitieren wir immens von der Energie- und Rohstoffpartnerschaft mit Russland", hob Schröder hervor. Sie gebe den Deutschen Sicherheit, dass es im bevorstehenden Winter nicht kalt werde.

Kein Käse aus MV mehr nach Moskau

Einen Schwerpunkt bildeten Gespräche über die Landwirtschaft. Wie NDR 1 Radio MV berichtete, bildet der Export landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach Russland mit 90 Millionen Euro einen deutlichen Anteil am Exportvolumen Mecklenburg-Vorpommerns. Ausgeführt wurden Zucker, Fischerzeugnisse, Obst- und Gemüsekonserven, Säfte, Kaffee-, Kakao- und Getreideerzeugnisse, sowie Bier und Fette. Den Hauptanteil machte mit über einem Drittel Käse aus: Nach Aussage von Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) waren Milchverarbeiter aus dem Land die einzigen, die das gesamte deutsche Russland-Käseexportgeschäft bestritten haben, da andere Molkereien den russischen Standards nicht entsprachen. Durch das Embargo befürchteten hiesige Unternehmen einen weiteren Preisverfall. Ähnliches gilt laut Backhaus für Kartoffel-Verarbeiter und Schlachthöfe in MV.

Ausgebucht trotz der Kritik

Der Russlandtag war trotz der anhaltenden Kritik von den Grünen, Teilen der CDU und aus dem Nachbarland Polen ausgebucht. Alleine aus Mecklenburg-Vorpommern hatten sich mehr als 100 Firmenchefs angesagt. Rund ein Viertel der Gäste kommt einem Sprecher zufolge aus Russland. Im ersten Halbjahr 2014 war Russland für Mecklenburg-Vorpommern laut aktuellen Zahlen nach Polen zweitwichtigster Außenhandelspartner. Mit dem Verlauf des Russland-Tags zeigte sich Sellering zufrieden, das Treffen sei ein Erfolg. "Ich freue mich, dass die Veranstaltung eine so große Resonanz gefunden hat. Das zeigt, dass es ein starkes Interesse am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen gibt."

Sellering: "Krisengespräche auf anderer Ebene führen"

Beim Empfang am Dienstagabend hatte Sellering davor gewarnt, den Russlandtag mit zu großen politischen Erwartungen zu überfrachten. Ein Wirtschaftstreffen auf regionaler Ebene sei ein Beitrag, miteinander im Gespräch zu bleiben. "Klar ist aber auch, dass die politischen Gespräche zur Lösung der Krise auf anderer Ebene geführt werden müssen", so Sellering. Der Ukraine-Konflikt stelle eine schwerwiegende Belastung für die gute Partnerschaft zwischen Deutschland und Russland, zwischen Europa und Russland dar, sagte der Ministerpräsident. "Ich denke, wir alle setzen darauf, dass sich dieser Konflikt nicht weiter verschärft, sondern dass wir über gute Gespräche und Verhandlungen zu konstruktiver Partnerschaft zurückfinden." Sollte der Russlandtag zu guten Ergebnissen bei der wirtschaftlichen Zusammenarbeit kommen, stünden diese unter dem Vorbehalt, dass es eine Rückkehr zu der guten Partnerschaft gibt, betonte Sellering. Das Treffen werde dann zeigen, was verloren gehe, wenn dieser Konflikt nicht konstruktiv gelöst wird.

Sellering sagte, dass Treffen stünde den gegen Russland verhängten Sanktionen nicht entgegen. Zuvor hatte sich auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für den Russlandtag ausgesprochen. Veranstalter Andreas Steininger vom Ostinstitut Wismar schlug dieselbe Tonart an: "Natürlich werden die Sanktionen beachtet. Aber die Teilnehmer wollen nicht, dass der Gesprächsfaden abreißt", so Steininger im Nordmagazin. Kritiker hatten gefordert, den Russlandtag zu verschieben. Sie begründeten dies mit der Rolle Russlands im Ukraine-Konflikt und den von der EU verhängten Wirtschaftssanktionen.

Grüne: Russlandtag ist falsches Zeichen

Demonstranten der Partei "Die Grünen" halten vor dem Hotel Neptun in Rostock-Warnemünde anlässlich des Russlandtags Protest-Plakate hoch. © dpa-Bildfunk Foto: Jens Büttner
"Auch Wirtschaft braucht Demokratie und Völkerrecht" finden Protestler der Grünen in Warnemünde.

Vor dem Tagungshotel in Warnemünde protestierten am Dienstag einige Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen. Unter ihnen der Landtagsabgeordnete Johann-Georg Jaeger: "Uns macht große Sorgen, was in Russland und der Ukraine läuft. Wir wollen ein Zeichen setzen. Wir wollen auch die Zusammenarbeit mit Russland, aber im Moment ist es das falsche Signal, den Russlandtag aufrechtzuerhalten. Jetzt ist die Zeit eines klaren Wortes gegen Russland. Die Annexion der Krim geht nicht", so Jaeger im Nordmagazin. Nach Ansicht des grünen Europaabgeordneten Reinhard Bütikofer tut Sellering so, als ließen sich gegenüber Russland Geschäft und Politik ganz einfach trennen. "Das ist bestenfalls blauäugig", meinte er.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 02.10.2014 | 08:00 Uhr

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Europa-Politik

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