Das Gebäude des Landesrechnungshof MV von außen.

Rechnungshof will Corona-Fonds den Hahn abdrehen

Stand: 08.07.2022 05:47 Uhr

Schon von Beginn an hat der Landesrechnungshof vor einer massiven Verschuldung im Zuge der Corona-Pandemie gewarnt. Jetzt sieht er sich bestätigt. Die obersten Kassenprüfer haben den sogenannten MV-Schutzfonds durchleuchtet. Ihr Fazit: Oft unnötig und viel zu teuer.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV Aktuell

Rund 2,85 Milliarden Euro hatte das Land im ersten Pandemiejahr 2020 aufgenommen, um die Corona-Folgen zu bekämpfen. Die Schuldenbremse wurde ausgehebelt, die Kreditbelastung im Haushalt stieg mit einem Satz von 9,4 Milliarden auf 12,2 Milliarden Euro. Völlig überzogen seien diese Kredite, so der Rechnungshof in seinem Sonderbericht. Deutlich weniger hätte es auch getan.

Rechnungshof sieht oft keinen Corona-Bezug

Bis jetzt sei erst ein Viertel des Fonds (763 Millionen Euro) ausgegeben worden. Allein das zeige, dass es einen direkten Zusammenhang zur Pandemie kaum geben könne. Viele Ausgaben hätten mit Corona nichts zu tun - beispielsweise ein Schulprogramm und Maßnahmen zur Digitalisierung. Hier habe das Land unter dem Vorwand "Corona" versucht, Versäumnisse aus der Vergangenheit auszubügeln. Das gehe aber nicht mit Schulden.

Zweifel an verfassungsmäßiger Mittelverwendung

Als Beispiel nannte Rechnungshofpräsidentin Martina Johannsen auch das "Sondervermögen Universitätsmedizin". Das Land habe dabei 360 Millionen Euro aus dem Corona-Schutzfonds verschoben. Die geplanten Investitionen in eine bessere medizinische Ausstattung der Kliniken hätten keinen Zusammenhang zur Pandemie. "Der Landesrechnungshof hat erhebliche Zweifel, ob die kreditfinanzierten Mittel des MV-Schutzfonds hier verfassungskonform eingesetzt werden", so Johannsen.

Kontrolleure fordern Verzicht auf neue Schulden

Kritisch sehen die Finanzkontrolleure, dass das Land über Jahre hinaus quasi eine Generalvollmacht zum Schuldenmachen habe, teilweise seien die Programme bis 2030 angelegt. Das Haushaltsrecht sehe dagegen jährliche Entscheidungen über Ausgaben und Einnahmen vor. Johannsen und ihre Experten fordern das Land auf, den Kreditrahmen nicht komplett auszuschöpfen und auf weiteres Schuldenmachen zu verzichten. Das entlaste nachfolgende Generationen und schaffe langfristig mehr finanziellen Spielraum.

Keine solide Finanzpolitik - Notlage vorbei

"Solch ein Schattenhaushalt ist für mich keine solide Finanzpolitik", beklagte sich Johannsen. Die Notlage während der Pandemie sei außerdem vorbei. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte erst in der vergangenen Woche bei der Verabschiedung des Haushalts von einer "soliden" Finanzpolitik gesprochen. Das Land verzichte auf neue Schulden. Schwesig ließ dabei unerwähnt, dass ihr Finanzminister Heiko Geue (SPD) weiter über die schuldenfinanzierten Gelder aus dem MV-Schutzfonds verfügen kann.

Rückendeckung vom Bund der Steuerzahler

Rückendeckung bekommt der Rechnungshof vom Bund der Steuerzahler. "Wir teilen die Auffassung des Landesrechnungshofes, dass der MV-Schutzfonds schnellstmöglich abgewickelt werden muss", erklärte die stellvertretende Landesvorsitzende Diana Behr. Sie wies darauf hin, dass zwei Projekte des Fonds bereits im Schwarzbuch ihres Verbandes kritisiert worden sind. Dabei handelt sich um Finanzhilfen für Zeitungen und die später abgesagte Beschaffung des russischen Impfstoffes Sputnik V.

SPD rechtfertigt den Schutz-Fonds

Dagegen wies die SPD-Landtagsfraktion Kritik an dem Schutz-Fonds zurück. Ihr finanzpolitischer Sprecher Tilo Gundlack meinte, mit den Mitteln aus dem Fonds "stabilisieren wir unsere Wirtschaft, schützen die Gesundheit der Menschen und geben allen die Sicherheit, solidarisch die Pandemie zu meistern und das seit zwei Jahren". Der Sonderbericht des Rechnungshofs enthalte keine neuen Aspekte. Bestätigt sieht sich die AfD-Fraktion. Die Landesregierung schalte und walte "verfassungswidrig mit einem scheindemokratischen Reptilienfonds, während reguläre Steuereinnahmen für den scharlachroten Klimbim verschwendet werden", erklärte der finanzpolitische Sprecher Martin Schmidt.

Klage vor Verfassungsgericht gegen Schutzfonds

Gegen den MV-Schutzfonds hat Schmidts AfD-Fraktion vor dem Landesverfassungsgericht in Greifswald geklagt. Der Sonderbericht des Rechnungshofs ist Wind in ihren Segeln. In Hessen und Rheinland-Pfalz haben Verfassungsrichter ähnliche Regelungen bereits für ganz oder teils verfassungswidrig erklärt. Die Landesregierung hatte Kritik am MV-Schutzfonds stets zurückgewiesen. Der Fonds sei in außergewöhnlichen Zeiten nötig und richtig gewesen.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 08.07.2022 | 07:00 Uhr

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