Nord Stream 1: Gasleitung wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet
Tourismusbranche fürchtet Folgen: "Wieder Sonder-Opfer"
In Vorpommern treibt die sich abzeichnende Gaskrise bereits Teilen der Wirtschaft Sorgenfalten auf die Stirn - vor allem der Toruismusbranche. "Die ganze Branche macht sich Gedanken, wir haben Alarmstufe Rot", sagte Krister Hennige vom Gaststättenverband Dehoga MV bei NDR MV Live. "Nicht nur, weil das Energiesicherungsgesetz das sagt, sondern auch, weil wir selber schon jetzt spüren können, dass wir das zweite Mal wieder Sonder-Opfer werden. Hennige sprach von einem "Dolchstoß". "Das kann auch das Ende bedeuten für ganz Vieles."
Wartungsarbeiten beginnen - Gasfluss gestoppt
Es fließt kein Gas mehr aus Russland über die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland. Grund für den Lieferstopp sind jährlich wiederkehrende Wartungsarbeiten. Das Erdgas landet in Lubmin bei Greifswald an und wird anschießend über drei Leitungen auf dem Landweg in Europa weiter verteilt.
Hintergrund zur Abschaltung
Dass die Pipeline Nord Stream 1 komplett abgeschaltet wurde, sei nichts Besonderes, sagen Experten. Es sei nötig, um Technik und Steuerung zu kontrollieren kontrolliert.
Reaktion aus der Bundespolitik
Niemandem dürfe in einer Situation steigender Preise der Strom oder das Gas abgestellt werden, sagte die Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne).
Lieferstopp in Kraft
Bei der Wartung handelt es sich zum Teil um Arbeiten, die jedes Jahr durchgeführt werden - immer im Sommer, wenn der Gasverbrauch insgesamt niedriger ist und nicht geheizt wird. Geprüft werden Sicherheitssystem, Stromversorgung und Ventile, auch die Software der Anlage soll aktualisiert werden. Nach zehn Jahren im Betrieb müssen dieses Mal aber auch Turbinen gewartet werden. Das geschieht in Kanada bei einer Firma in Montréal.
Verzögerung durch Russland-Embargo
Insgesamt fünf Turbinen arbeiten in der Kompressorstation Portovaya (Russland). Sie erhöhen den Gasdruck in der Leitung. Vor einigen Wochen ist bereits eine der Turbinen ausgebaut und nach Kanada geschickt worden. Die überholte Turbine konnte wegen des bestehenden Embargos zunächst nicht wieder zurück ins russische Portovaya bei Wyborg geschickt werden. Mittlerweile hat Kanada eingelenkt und das Russland-Embargo für diesen speziellen Fall aufgehoben. Eine weitere ausgebaute Turbine haben die Kanadier zunächst nicht angenommen. Eine weitere Turbine soll schon abgeschaltet gewesen sein, die zwei übrigen liefen bisher.
Verwirrung um Drosselung
Jede einzelne Turbine schiebe 20 Prozent des Gases durch die Leitung, so die Greifswalder Stadtwerke. Da nur noch zwei in Betrieb waren, kamen zuletzt nur noch 40 Prozent der normalen Gasmenge in Lubmin an - so zumindest die Argumentation von russischer Seite. Die Bundesnetzagentur hält die Drosselung für technisch nicht begründet, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sogar für vorgeschoben.
Investor will Flüssiggas-Import in Lubmin vorantreiben
Flüssiggas per Schiff aus anderen Teilen der Welt könnte eine Lösung sein, um von russischem Gas unabhängig zu werden. Die Bundesregierung hat Flüssiggasterminals in der Ostsee angekündigt.Lubmin bei Greifswald könnte ein möglicher Standort sein, wo das Gas angelandet und dann per Leitung weiterverteilt wird. Ein privater Investor will den Import vorantreiben.
Das Unternehmen heißt Deutsche Regas. Es plant, bis zu 4,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich in das deutsche Fernleitungsnetz einzuspeisen. Die Firma sitzt in Lubmin. Der Lubminer Bürgermeister Axel Voigt hat die Pläne bestätigt. Das erste Flüssiggas soll im Dezember in Lubmin anlanden. Dafür müssten im September die Bauarbeiten starten.
Niedersachsen genehmigt LNG-Terminal in Wilhelmshaven
Deutschlands erstes Flüssigerdgas-Terminal in Wilhelmshaven kann gebaut werden. Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg hat dem Energiekonzern Uniper zufolge grünes Licht gegeben.
Juni: Kanzler Scholz optimistisch in Sachen Flüssiggasterminal Lubmin
Schon in wenigen Monaten könnte in Lubmin das Anlanden von Flüssiggas möglich sein, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach einem Treffen mit der Landessregieung von Mecklenburg-Vorpommern in Berlin. Angepeilt sei als Ziel der Jahreswechsel - oder etwas später. "Wir sind dabei zu prüfen, welche technischen Möglichkeiten genutzt werden können, zum Beispiel in Lubmin, um dort Flüssiggas anlanden zu können", sagte Scholz in Berlin.
Im vorpommerschen Lubmin endet die Gasleitung Nord Stream 1 für russisches Erdgas. Auch die nicht in Betrieb genommene Nord Stream 2 landet in der Gemeinde an. Als Nachteil von Lubmin für den Flüssiggas-Transport mit Tankern gilt, dass die Ostsee dort relativ flach ist. Die Bundesnetzagentur hatte sich zuvor dennoch für ein schwimmendes Flüssiggas-Terminal in Mecklenburg-Vorpommern ausgesprochen.
