Wiligrad: Detlef Jantzen, Landesarchäologe von Mecklenburg-Vorpommern, zeigt einen frühmittelalterlichen Schwertknauf aus einem Funden bei Neuburg-Steinhausen im Archäologischen Landesamt © dpa Foto: Jens Büttner

Kreis Rostock: Indizien für mittelalterlichen Sklavenhandel

Stand: 20.12.2021 15:24 Uhr

Den Archäologen und ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern in Mecklenburg-Vorpommern sind in diesem Jahr viele spektakuläre Funde geglückt. Sie korrigieren manchen Blick auf die Vergangenheit.

Mecklenburg-Vorpommerns Archäologen blicken auf ein fundreiches Jahr 2021 zurück. Vor allem die rund 200 ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger haben dazu beigetragen. Mehrere Hundert Artefakte haben sie bei ihren Begehungen auf Äckern und Wiesen ausfindig gemacht. Die Fundstellen halten sie per GPS-System exakt fest. Eingepflegt in eine Datenbank, wird es so möglich, die einzelnen Stücke - oft sind es nur Bruchstücke - zu einer Geschichte zusammenzufügen. Manchmal ändern die Funde sogar den Blick auf die Geschichte. Landesarchäologe Detlef Jantzen hat einige der spektakulärsten Funde des Jahres 2021 aus dem Depot geholt.

2.000 Jahre alte Münzfälscher-Werkstatt

"Dass die Germanen römische Münzen gefälscht haben, ist bekannt", berichtet Jantzen. "Jetzt haben wir möglicherweise eine Fälscherwerkstatt entdeckt." Auf einem Acker nahe der Ortschaft Raguth (Landkreis Ludwigslust-Parchim) entdeckte ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger mehrere Silbermünzen, von denen einige noch den Guss-Kanal am Rand aufweisen. Besonders spannend aus Sicht der Experten: Der Silbergehalt der Nachahmungen ist höher als bei den Originalen.

Wurden einst Sklaven gehandelt?

In der Nähe von Groß Strömkendorf (Landkreis Rostock) wurde im Februar ein kleiner einst vergoldeter Beschlag aus dem 7. oder 8. Jahrhundert entdeckt - eine Kostbarkeit der damaligen Zeit. Für Jantzen ist der Fund ein Puzzlestein für ein Bild, das - sofern es sich vervollständigen lässt - den Sklavenhandel in dieser Region darstelllen könnte. Der slawische Handelsplatz, in dessen Nähe der Beschlag entdeckt wurde und der aus Schriftquellen als das alte Rerik bekannt ist, war größer als bislang angenommen. Er war wohl auch größer, als nur Holz und Felle zu verkaufen. Außerdem wurden an den Handelsrouten immer wieder arabische Silbermünzen entdeckt, meist zerkleinert und von den Experten als Hack-Silber bezeichnet. Das seien in der Slawenzeit erhebliche Werte gewesen, sagt Jantzen. Ob für Felle, Holz und Bernstein solche hohen Summen ausgegeben wurden, sei fraglich. In der Gesamtheit kristallisiere sich die Erkenntnis immer deutlicher heraus, dass wohl auch Sklaven gehandelt wurden. Bislang wurden auch etwa zehn sogenannte Sklavenfesseln in Mecklenburg-Vorpommern gefunden.

Fürstliches Schmuckstück

Das Fragment einer kostbaren Gewandfibel spürte einmal mehr ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger mit Hilfe eines Metalldetektors auf. In der Nähe von Zierow (Landkreis Nordwestmecklenburg) schlug im April das Gerät bei einer seiner regelmäßigen Feldbegehungen an. Das edle Stück, das Experten auf die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts datieren, besteht aus einer rechteckigen Platte mit aufwendigem Kerbschnittmuster, das eine Goldblechauflage hat. Rote Halbedelsteine, sogenannte Almandine, setzen ein Highlight und darunter schimmert eine mit Mustern geprägte Goldfolie durch, wenn man das Stück gegen das Licht hält. "Es stammt wohl aus einer fränkischen oder mitteldeutschen Werkstatt", sagt Jantzen, "trotz intensiver Nachsuche am Fundort wurden die fehlenden Teile der Fibel leider nicht gefunden", bedauert er.

Der schönste Fund des Jahres

Wiligrad: Der Münzschatz aus dem 30-jährigem Krieg aus einem Fund bei Oldenstorf ist im Labor des Archäologischen Landesamts Mecklenburg-Vorpommern zu sehen. © dpa Foto: Jens Büttner
Münzen aus der Zeit des 30-jährigen Krieges (1618 - 1648)

Der aus Sicht des Landesarchäologen schönste Fund des Jahres sind 75 Münzen und Münzfragmente aus Silber aus der Zeit des 30-jährigen Krieges. Sie wurden im Oktober bei Oldenstorf (Landkreis Rostock) gefunden. "Es war eine Zeit großer Unsicherheit, da vergrub man sein Geld", sagt er. Die zum Teil sehr gut erhaltenen Münzen datieren aus der Zeit um 1630. Sie wurden aus dem Aushub eines Entwässerungsgrabens geborgen. Mindestens genauso schön sind Goldmünzen aus dem Mittelalter, die bei Wittenburg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) und Neubukow (Landkreis Rostock) entdeckt wurden. Sie wurden im Erzbistum Köln beziehungsweise in den Niederlanden geprägt. "Solche Goldgulden waren damals die Reisewährung in Europa", sagt Jantzen.

Geschult für den Einsatz des Metalldetektors

Die rund 200 ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger leisten Entscheidendes für die Landesarchäologie, wie Jantzen sagt. Jährlich machen sie etliche Hundert Funde. Diese reichen von steinzeitlichen Pfeilspitzen bis zu Gold- und Silbermünzen. Allein in diesem Jahr hätten 70 Menschen an den Einstiegslehrgängen und 45 an Fortbildungskursen teilgenommen - trotz Corona. Seit die ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger für den Einsatz von Metalldetektoren geschult werden, werden deutlich mehr Metall-Funde gemacht. Die Ehrenamtlichen seien auch unentbehrlich für den Schutz der Bodendenkmale. Durch regelmäßige Begehungen in ihrem Gebiet fallen ihnen laut Jantzen Raubgrabungen - die es leider auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt - auf. Mehrere Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gegen Raubgräber habe es in diesem Jahr gegeben. "Das sind unschöne Sachen. Durch Raubgrabungen gehen Fundzusammenhänge und Geschichte für uns alle verloren."

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 20.12.2021 | 19:00 Uhr

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