Nahverkehr in MV: Was kommt nach dem Neun-Euro-Ticket?
Drei Monate Neun-Euro-Ticket: Für viele ist das ein großer Erfolg gewesen - trotz teilweise überfüllter Züge. Mittwoch endet das Ticket. Die Diskussion um ein Nachfolge-Modell ist in vollem Gange.
Für Tobias Woitendorf, den Geschäftsführer des Landestourismusverbandes, ist die Sache klar: Das Neun-Euro-Ticket sei eine gute Sache mit guten Ansätzen, aber mit Luft nach oben. Er wünsche sich, dass bei einem Nachfolge-Ticket nicht nur an die Pendler gedacht wird, sondern in den Ferienzeiten vermehrt auch an touristische Belange. Mitunter habe sich die Situation nahezu umgekehrt und man habe im Grunde Urlaubern abraten müssen, Züge zu benutzen, weil diese oftmals komplett überfüllt waren.
Meyer: Neun-Euro-Ticket legte Schwächen des ÖPNV offen
Das sieht auch Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) so. Das Modell des Neun-Euro-Tickets habe sich in den vergangenen drei Monaten weitgehend bewährt und es habe die Bürger entlastet. Es habe neben positiven Aspekten auch die Schwächen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) offengelegt. So hätten in den Urlaubsregionen Mecklenburg-Vorpommerns zeitweise die Kapazitäten nicht ausgereicht.
Westmecklenburg: Mehr Fahrgäste als vor Corona
Darüber hinaus sei das Ticket ein Beitrag zur Mobilitätswende und für den Klimaschutz. In den Ferienregionen im Nordosten setzte ein regelrechter Run auf Busse und Bahnen ein und auch im Binnenland nahmen die Beförderungszahlen zu. "Der entstandene Verlust an Fahrgästen durch die Corona-Pandemie konnte ausgeglichen werden und das Niveau im Fahrgastaufkommen von 2019 ist wieder erreicht worden", sagte der Geschäftsführer des Schweriner Nahverkehrs, Wilfried Eisenberg. Der Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Ludwigslust-Parchim (VLP), Stefan Lösel, berichtet sogar von knapp einem Viertel mehr Fahrgästen als im gleichen Zeitraum 2019 vor Corona.
"Ganz hervorragende Ergebnisse für den ländlichen Raum"
Während touristische Verkehre wie die Linie 77 Parchim-Lübz-Plau am See-Malchow eine Steigerung auf 154 Prozent im Vergleich zum Sommer 2019 aufwiesen, hatten die Rufbusse auf dem platten Land sogar mehr als doppelt so viele Fahrgäste. Der übrige Linienverkehr habe auf 108 Prozent des Vor-Pandemie-Niveaus zugelegt. "Das sind wirklich alles ganz hervorragende Ergebnisse für den ländlichen Raum", bilanzierte Lösel. Mit Rufbussen bindet die VLP abgelegene Ortschaften an - man muss die Fahrt lediglich zwei Stunden vorher anmelden. Das Modell gilt als bundesweit vorbildlich.
Ein Ticket für die Region und eines für das Bundesgebiet?
In der Frage, wie es weitergehen soll, sprechen sich Lösel und Eisenberg für eine regional abgestufte Lösung aus. "Für das Land MV wünschten wir uns ein 365-Euro-Jahresticket - oder wenigstens für den Raum Westmecklenburg - und für das gesamte Bundesgebiet ein 69-Euro-Ticket pro Monat", so Lösel. Eisenberg plädiert für eine Differenzierung zwischen regionalem Verkehrsraum und dem gesamten Verkehrsraum in Deutschland. Verkehrsminister Meyer meint, dass ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket als Nachfolgelösung gebraucht wird. Dies hänge allerdings stark von der Beteiligung des Bundes ab, betonte er. "Das ist eine Herausforderung." Der Landesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Marcel Drews, tendiert indes wie die beiden Nahverkehrschefs eher zu einer abgestuften Ticket-Lösung, um die Kosten besser zu decken und zugleich das Angebot im Nahbereich nicht zu teuer zu machen. "Ein lokales Ticket für 29 Euro im Monat, für das Land 39 Euro und bundesweit 69 Euro, das wäre schon eine Vereinfachung im Vergleich zum bisher Üblichen", meinte er.
Länder fordern Kostenübernahme vom Bund
Bei einer Sonderkonferenz am Freitag hatten die Verkehrsminister der Länder den Bund aufgefordert, "zeitnah einen tragfähigen und nachhaltigen Vorschlag zur Nachfolge des Neun-Euro-Tickets" vorzulegen. Sie forderten den Bund auch auf, die Kosten zu übernehmen. Mecklenburg-Vorpommern finanziert bereits für Azubis ein 365-Euro-Jahresticket für den gesamten Nahverkehr im Bundesland. Ab nächstem Jahr soll es auch für Senioren gelten.