Aus für Kutter- und Küstenfischerverband: "Wirtschaftliche Existenz nicht mehr gegeben"
Der Landesverband der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern wird aufgelöst. Das gab die Vorsitzende Ilona Schreiber am Mittag nach einer Krisensitzung in Stralsund bekannt. Grund sind die stark reduzierten Fangquoten in der westlichen Ostsee. Von der Landespolitik fühlen sich die Fischer im Stich gelassen.
Seit 1990 gibt es den Landesverband der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern - nun steht er vor dem Aus. Am Vormittag berieten die Fischer in Stralsund bei einer Krisensitzung über die Zukunft des Verbands. Am Mittag teilte die Verbandsvorsitzende Ilona Schreiber mit, dass der Verband aufgelöst wird. "Es gibt seit Längerem ein Sterben der einzelnen Fischereigenossenschaften", sagte Schreiber bei NDR MV Live. Die ständigen Kürzungen der Quoten hätten dazu geführt, dass immer mehr Betriebe aufgegeben hätten - und dem Landesverband die Mitgleider abhanden gekommen seien. "So ist die wirtschaftliche Existenz des Landesverbands nicht mehr gegeben", so Schreiber.
"Der Beruf des Fischers ist am Aussterben"
Die Fangquoten in der westlichen Ostsee waren zuletzt erneut stark reduziert worden. Die Fischereiminister der EU-Staaten hatten beschlossen, dass die Fischer 50 Prozent weniger Hering und fast 90 Prozent weniger Dorsch im kommenden Jahr fangen dürfen. Die Quoten werden schon seit Jahren gekürzt, so dass viele Fischer aufgegeben haben oder noch in diesem Jahr aufgeben wollen - so etwa die Genossenschaften auf Hiddensee, in Lauterbach und Stahlbrode. 2022 wollen auch die Genossenschaften in Thiessow und Gager einen Schlussstrich ziehen. "Der Beruf des Fischers ist am Aussterben", sagte der Freester Fischer Mathias Labahn. "Es werden zwei, drei übrig bleiben vielleicht in jedem Hafen. Aber sonst die ganze Struktur wird zusammenbrechen."
Nach Angaben des stellvertretenden Verbandsvorsitzenden Michael Schütt waren rund 25 Mitglieder in Stralsund anwesend. Insgesamt hatte der Verband zu Jahresanfang laut Schütt etwa 100 Mitglieder. Zu seinen Hochzeiten seien es knapp 300 gewesen. 2007 habe seine Erzeugerorganisation noch 3.500 Tonnen Hering gefangen. Für kommendes Jahr seien 44 Tonnen erlaubt. Die Menge beim Dorsch reiche nur für den Beifang. "Damit kann ich keine Familie mehr ernähren."
Einheitliche Erzeugerorganisation soll Interessenvertretung übernehmen
In Stralsund berieten die Kutter- und Küstenfischer auch darüber, wer nach der Verbandsauflösung den verbliebenen Fischern Gehör gegenüber dem Land, dem Bund und der EU verschaffen kann. "In naher Zukunft wird es eine einheitliche Erzeugerorganisation geben", sagte Schreiber dazu. Diese solle die Interessenvertretung übernehmen.
"Fühlen uns ziemlich alleingelassen von der Politik des Landes"
Scharfe Kritik übte Schreiber an der Landespolitik. "Wir brauchen bloß die Tatsachen sehen. Wir haben hier eine Krisensitzung. Das Land Schleswig-Holstein ist damit ganz anders umgegangen. Die haben das als Schwerpunkt ihrer Tagung aufgenommen. Wir fühlen uns ziemlich alleingelassen von der Politik des Landes", sagte sie.
Backhaus mit Bedauern - Kritik nicht nachvollziehbar
Landwirtschafts- und Fischereiminister Till Backhaus (SPD) reagierte mit Bedauern auf das Aus des Kutter- und Küstenfischereiverbands. Die Entscheidung des Verbandes sei abzusehen gewesen. Das mache sie aber nicht weniger dramatisch, erklärte der Minister. Die Situation der Fischerei sei seit vielen Jahren prekär. Backhaus sagte auch, dass er die Kritik des Verbandes an der Landespolitik nicht nachvollziehen könne. Das Land habe gemeinsam mit der Branche immer wieder nach Lösungen gesucht, um den Fischern eine Perspektive zu sichern - etwa mit finanzieller Unterstützung einer zeitweiligen oder endgültigen Stillegung von Booten, einem sozialverträglichen Ausstieg für ältere Fischer, um jüngeren eine berufliche Zukunft bieten zu können.
SPD und Linke wollen Zukunftsforum Fischerei einrichten
Am Rande der Koalitionsverhandlungen kündigten die Verhandlungsführerinnen von SPD und Linken, Manuela Schwesig und Simone Oldenburg, an, dass Mecklenburg-Vorpommern den Bund auffordern wolle, den runden Tisch Fischerei wiederzubeleben. Außerdem soll ein Zukunftsforum Fischerei eingerichtet werden. Oldenburg verwies darauf, dass in den kommenden fünf Jahren 47 Millionen Euro an EU-Mitteln für Besatzmaßnahmen eingesetzt werden sollen, damit sich die Fischbestände stabilisieren.
"Nicht irgendwo an der Imbissbude stehen und Fisch frittieren"
Schreiber geht davon aus, dass die Fischer einer düsteren Zukunt entgegenblicken. Es gebe natürlich die Möglichkeit, ein zweites Standbein aufzubauen, "aber der Fischer ist ja eigentlich von Beruf Fischer geworden, um zu fischen, und nicht um jetzt irgendwo an der Imbissbude stehen und Fisch zu frittieren." Ein Fischer wolle eigentlich nur das machen, was sein Traumberuf ist: "Er möchte fischen."
Die Krise der Fischer soll Ende November auch Thema bei Gesprächen mit der Bundesregierung sein. Auch auf dem Fischereitag in der nächsten Woche in Emden dürfte sie für Gesprächsstoff sorgen.
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