Kommt der Osten im Kabinett Scholz zu kurz?
Das Spitzenpersonal der neuen rot-grün-gelben Bundesregierung steht. Und bei der Bewertung kommen vor allem Oppositionsparteien zu dem Schluss: Der Osten kommt zu wenig vor.
Sie sind die einzigen im Kabinett Scholz, die eine ostdeutsche Biographie haben: Die designierte Bauministerin Klara Geywitz von der SPD und die Grünen-Politikerin Steffi Lemke als Umweltministerin. Linksfraktionschefin Jeannine Rösler meinte auf NDR Anfrage, es hätten ruhig mehr sein können. Wegen der besonderen Probleme in Ostdeutschland - zum Beispiel der niedrigen Löhne - hätten von dort auch mehr Politikerinnen und Politiker auf Ministerposten kommen müssen. Sie hoffe, dass das wenigstens bei der Besetzung von Staatsminister-Posten berücksichtigt werde. Röslers Fraktion hatte in der Vergangenheit mehrfach beklagt, dass Ostdeutsche in Führungspositionen des Staates und der Wirtschaft zu wenig vertreten sind.
CDU und AfD befürchten Bedeutungsverlust für den Osten
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor sieht die Gefahr eines Bedeutungsverlustes für den Osten - nach 16 Jahren Angela Merkel. Die CDU werde genau hinsehen, ob der Osten noch eine starke Stimme im Kabinett habe, die beiden Ministerinnen böten dafür zu wenig Gewähr, erklärte Amthor im Gespräch mit dem NDR. Die Menschen in Ostdeutschland würden in Berlin nicht genügend Gehör finden, erklärte AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer - mehr Minister aus den neuen Bundesländern wären ein politisches Signal gewesen. Allerdings sei er gegen eine Quotierung.
FDP schickt nur Westdeutsche ins Kabinett
Sein FDP-Kollege Domke sagte, eine fester Ost-Anteil bei der Besetzung der Ministerposten sei nicht nötig. "Wir brauchen keine Ossi-Quote", erklärte der 49-Jährige, der in Wismar geboren wurde. Mögliche besondere Interessen der ostdeutschen Bundesländer würden auch so gehört, meinte Domke. Seine FDP verzichtet im neuen Kabinett auf einen Vertreter aus Ostdeutschland - anders als SPD und Grüne.
Grüne sticheln gegen FDP
Die Vize-Fraktionschefin der Grünen, Anne Shepley, stichelte aus diesem Grund gegen den liberalen Koalitionspartner auf Bundesebene. Man hätte sich durchaus mehr Kabinettsmitglieder mit ostdeutscher Biographie gewünscht, sagte Shepley. "Leider waren nicht alle drei Koalitionspartner gleich entschlossen in dieser Frage."
SPD: Perspektive des Ostens sei gut vertreten
SPD-Fraktionschef Julian Barlen erklärte auf NDR Nachfrage: "Entscheidend für uns ist, dass die Perspektive des Ostens im Bundeskabinett gut vertreten ist." Durch die Benennung der beiden Ministerinnen sei das der Fall. "Weitere Personalien wie beispielsweise der/die Ost-Beauftragte werden noch folgen", sagte Barlen. Die Landesvorsitzende, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, hatte sich in der Vergangenheit für mehr Ostdeutsche in Führungspositionen ausgesprochen. Von acht SPD-Kabinettsmitgliedern ist nur eines aus Ostdeutschland. Auch bei den eigenen SPD-Leuten in ihrem Kabinett überwiegen Westdeutsche: Vier stammen aus den alten Ländern, drei kommen aus Ostdeutschland.
