Kehrt die Volkswerft doch nicht zurück nach Stralsund?

Stand: 01.09.2022 12:39 Uhr

Vor einem halben Jahr sah Stralsunds Oberbürgermeister Alexander Badrow (CDU) großen Anlass zum Jubeln. Mit viel Überschwang erklärte der Christdemokrat: "Die Volkswerft kommt nach Hause". Die Stadt hatte da gerade das Gelände der eben erst pleitegegangenen MV-Werften gekauft - für knapp 17 Millionen Euro.

Im Kommunalwahlkampf verkaufte Badrow die Nachricht zum Traditionsbetrieb ganz prominent. Sechs Monate später zieht die IG Metall eine magere Zwischenbilanz. Es seien zwar einige Pacht-Verträge mit möglichen Investoren abgeschlossen worden, aber an echter Beschäftigung sei fast nichts rausgekommen, so ihr Bevollmächtigter Guido Fröschke. Enttäuschend sei vor allem der Hauptinvestor, die norwegische Fosen Werft. Die habe noch immer kein Konzept für die Zukunft der Werft vorgelegt.

 

Pleite am Standort Emden

Fosen habe im Gegenteil die letzten Auszubildenden am Standort nicht übernommen. Die jungen Leute würden jetzt an anderen Standorten unterkommen. "Kein gutes Signal", findet die Gewerkschaft. Die Erwartungen an Fosen sind ohnehin gedämpft, vor allem nach den aktuellen Entwicklungen. Die Norweger haben am Donnerstag den Standort Emden in Niedersachsen nach einer Pleite geschlossen. "Warum sollen sie ausgerechnet in Stralsund investieren, wenn sie eigentlich kein Geld haben?", heißt es bei der Gewerkschaft.

Suhr: Problem sind die laufenden Kosten

Als Problem wird auch der Umgang mit der Betriebsfeuerwehr gesehen. Wenn die Stadt die Feuerwehr, wie offenbar geplant, verkleinere, dann sei auch das ein schlechtes Signal für den Standort. Denn eine Betriebsfeuerwehr sei Voraussetzung für Schiffbau auf der Werft. Jürgen Suhr, der Chef der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft erklärte, es könne keine Rede davon sein, dass die Volkswerft zurück nach Hause gekehrt sei.

Suhr sieht massive Probleme auf die Stadt zukommen, die Werft könnte zu einem finanziellen Abenteuer werden. Der Kaufpreis von knapp 17 Millionen Euro sei nicht das Problem, meinte Suhr. Diese Ausgabe sei durch Grundstücke abgesichert. Das Problem seien die laufenden Kosten zum Unterhalt des Standorts. Die seien bisher mit 500.000 Euro im Monat angegeben worden. Wegen der steigenden Energiepreise sei das nicht zu halten, die Stadt habe aber noch keinen Überblick. Experten sehen die Stadt unterm Strich überfordert mit der Aufgabe, den Standort zu entwickeln.

Oberbürgermeister Badrow reagiert dünnhäutig

Der im Mai mit großem Vorsprung wiedergewählte Oberbürgermeister Badrow reagiert auf kritische Nachfragen zunehmend dünnhäutig. Eine Anfrage des NDR beantwortete er verspätet. Seine Stellungnahme schickte der Christdemokrat schließlich an die Chefetage des NDR und nicht direkt an die anfragende Redaktion - ein unüblicher Vorgang, der möglicherweise darauf abzielt, unliebsame Journalisten abzustrafen. Badrow unterstellte in dem Schreiben fehlende "Objektivität und Überparteilichkeit" der Anfrage. Ähnlich ist der CDU-Politiker bereits in der Vergangenheit vorgegangen.

Fragen zur finanziellen Belastung bleiben unbeantwortet

In der eigentlichen Sache "Volkswerft" sieht Badrow keine Probleme. Viele Flächen auf dem Werftgelände seien verpachtet, den Auszubildenden sei ein Angebot gemacht worden, auf dem gesamten Gelände seien etwa 150 Mitarbeiter beschäftigt. Die Stadt könne mit der Übernahme des Werftgeländes "Wirtschaftspolitik selbst gestalten". Er erklärte, "vielleicht backen wir in den Augen mancher noch zu kleine Brötchen, aber immerhin wir backen." Fragen zur finanziellen Belastung der Stadtkasse ließ Badrow unbeantwortet.

Ende der Transfergesellschaft in zwei Monaten

Auf die Frage, ob er sich von der Landesregierung ausreichend unterstützt fühle, erklärt der Oberbürgermeister: "Für Unterstützung bei der Reaktivierung der "Volkswerft Stralsund" seitens der Bundes- und Landespolitik stehen die Türen und Tore der Hansestadt jederzeit offen." Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Schwerin erklärte auf Anfrage, man stehe "in regelmäßigem Austausch mit der Hansestadt". Das Ministerium habe - "soweit rechtlich möglich und wirtschaftlich vertretbar - die volle Unterstützung bei der Entwicklung des maritimen Industrie- und Gewerbeparks angeboten".

Was aus dem Angebot wird, ist offen. In zwei Monaten läuft die Transfergesellschaft für etwa 230 ehemalige Mitarbeiter der MV-Werften aus. Ihre Zukunft ist ungewiss - ihnen droht die Arbeitslosigkeit.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 01.09.2022 | 12:00 Uhr

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