Fiasko mit Ansage? Mecklenburg-Vorpommern und Russland
Im neuen NDR MV Podcast "Dorf Stadt Kreis" sprechen wir mit dem Historiker Prof. Stefan Creuzberger von der Uni Rostock und Frank Breuner aus unserer Redaktion Politik und Recherche, der sich schon viele Jahre mit dem Thema beschäftigt.
Mit Russland-Tagen und der Unterstützung des Baus der Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 wollte die Landesregierung "Wandel durch Handel" erreichen. Und mit ihrer russlandfreundlichen Politik betrieb vor allem die SPD erfolgreich Wahlkämpfe - denn die Mehrheit der Menschen wollte genau das: gute Beziehung zum großen Nachbarn im Osten. War uns dafür jedes politische Mittel recht? Warum haben die Politiker, aber auch viele Bürger über das hinweggesehen, was offensichtlich war? War uns Wladimir Putins Machthunger, der sich brutal in Tschetschenien, Georgien und auf der Krim zeigte, schlichtweg egal? Und wie hat sich die Meinung seit der russischen Invasion in der Ukraine geändert?
Mecklenburger und Russen- schon lange eine besondere Beziehung
Nach Einschätzung des Historikers Creuzberger gehen die Beziehungen zwischen Mecklenburg und Russland bis in die Zeit des Zarenreichs zurück. Das besondere Verhältnis zwischen Deutschen und Russen begann mit der Oktoberrevolution 1917, sagt er - als Deutschland dafür sorgte, dass der im Exil in Zürich sitzende Lenin nach Russland konnte- mit dem Ziel den Kriegsgegner zu destabilisieren. "Die Ursünde - der Beginn des Ost-West-Konflikts" sagt Creuzberger. Nach dem ersten Weltkrieg konnte die deutsche Reichswehr mit Hilfe und in der Sowjetunion wieder Waffen testen- davon profitierte später Hitler auch im Krieg gerade gegen die Sowjetunion. Nach dem Krieg die sowjetische Besatzung Ostdeutschlands, in der Menschen hier auch unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben: Terror, Verfolgung und Vergewaltigungen erlitten - manche aber auch Beziehungen knüpften, freundliche persönliche Erlebnisse hatten. Unterm Strich aber, sagt Creuzberger: "(In der DDR) Das war verordnete Völkerfreundschaft(....) Da war immer Kalkül dahinter, das war politisch."
Wandel durch Handel?
Nach der Wiedervereinigung versuchte Mecklenburg-Vorpommern die Beziehungen zu Russland zu nutzen, um durch gute Wirtschaftsbeziehungen und Handel seine eigene Wirtschaft zu stärken. Die umstrittenen Russland-Tage sind ein Beispiel dafür. Sie fanden selbst dann noch statt, als Russland schon die Krim annektiert hatte und mit deutschen und europäischen Sanktionen belegt war. Man kenne die Mentalität, viele Menschen hier würden noch russisch sprechen, sagte der damalige Ministerpräsident Erwin Sellering 2016 - es liege ihm sehr daran dass man das fortführe, auch unter den Sanktionen - soweit das möglich sei. "Ich war entsetzt" sagt Historiker Creuzberger zu diesen Russland-Tagen. Kanzlerin Angela Merkel hatte auch gegen Widerstand aus einigen Ländern der EU ein Sanktionspaket gegen Russland wegen der Besetzung der Krim geschnürt - und aus Mecklenburg-Vorpommern sei ein "Störfeuer" gekommen, eine "störende Neben-Außenpolitik, die das konterkariert, was man im Bund (....) hinbekommen möchte".
Nord Stream - es gab schon immer Kritik
Als im November 2011 die Gasleitung Nord Stream aus Russland durch die Ostsee nach Lubmin eröffnet wurde, war sie - in der Öffentlichkeit - weitgehend unstrittig. Gas als Brückenlösung für die Energiewende, ein Wirtschaftsprojekt. Doch bald kamen mahnende Stimmen - Deutschland mache sich zu abhängig von Russland. "Polen und Balten haben immer wieder gesagt: vorsichtig (....) wir laufen Gefahr dass das kein ökonomisches, sondern ein politische Projekt ist" sagt Historiker Creuzberger. "Für Putin war es sowohl ein ökonomisches, aber mehr noch ein politisches Projekt um Druck auf die Osteuropäer ausüben zu können." 2018 - vier Jahre nach der russischen Annexion der Krim- begann der Bau der Pipeline Nord Stream 2. Kritik und mahnende Stimmen wurde lauter, nicht mehr nur aus Osteuropa, die USA drohten beteiligten Firmen Sanktionen an. Das Land hielt fest an der Gasleitung und gründete die Stiftung Umwelt- und Klimaschutz, auch um drohende Sanktionen zu umgehen. 20 Millionen Euro des Stiftungskapitals kamen von der Nord Stream AG. Das Fazit des Historikers zum Festhalten des Landes an Nord Stream 2: "Es war eine Fehlentscheidung....zu einseitig, zu blauäugig."
Schwesig: "Ich habe einen Fehler gemacht"
Ende März 2022 - da führte Russland schon wochenlang Krieg in der Ukraine - sagte Mecklenburg- Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig öffentlich: "Mit dem Wissen von heute war die Unterstützung von Nord Stream 2 und der Stiftung (Klima- und Umweltschutz) ein Fehler, und auch ich habe diesen Fehler gemacht." Doch Manuela Schwesig steht nicht allein in der Riege der Politiker, die Nord Stream, die umstrittene Stiftung und die Russland-Politik unterstützt und gefördert haben. Altkanzler Gerhard Schröder, Ex- Ministerpräsident Erwin Sellering und andere gehören auch dazu. Welche Rolle spielten, welche Verantwortung tragen Politiker? "Das sind Dinge die wir jetzt aufarbeiten müssen" sagt Stefan Creuzberger. Einen Untersuchungsausschuss des Landtages begrüße er. Er plädiert aber dafür dass auch Historiker mitarbeiten. "Man könnte auch eine Enquete- Kommission machen (....) wo Wissenschaft und Politik zusammenkommen und eine andere Form von Auseinandersetzung geführt wird."
