Fangquoten: Deshalb bleiben die Beschränkungen für Dorsch und Hering

Stand: 18.10.2022 21:22 Uhr

Die Fangquoten für 2023 sind beschlossen: Dorsch und Hering dürfen in der westlichen Ostsee auch im nächsten Jahr nicht gezielt gefischt werden. Damit bleiben die bereits bestehenden Schutzmaßnahmen bestehen.

"Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel!", so kommentierte Michael Schütt von der Fischereigenossenschaft Freest die Quoten für 2023. Lediglich die kleine Küstenfischerei, die mit Stellnetzen und Reusen arbeitet, darf noch Hering fangen. Die Fangquote für Scholle hingegen steigt erneut um 25 Prozent. Grund: die positive Bestandsentwicklung. Anders sieht es bei Dorsch aus. Deshalb dürfen Freizeitfischer weiterhin nur einen Dorsch pro Tag fangen.

Problematik ist komplex und bei Hering und Dorsch unterschiedlich

Während die Probleme beim Hering einigermaßen klar auf der Hand liegen, ist die Ursachenforschung beim Dorsch-Rückgang nicht eindeutig. Der Hering produziert seit Jahren immer weniger Nachwuchs. Und das liegt vereinfacht gesagt am Klimawandel, so Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen Instituts für Ostseefischerei in Rostock. "Genauer gesagt sind es die späteren und wärmeren Winter, die dafür sorgen, dass der Bestand viel weniger produktiv ist und das äußerst sich darin, dass er immer weniger Nachwuchs produziert", so der Fischereibiologe. Aber der Hering produziert Nachwuchs und die Wissenschaftler kennen den Mechanismus. Daraus leiten sie ab, dass es fünf bis sieben Jahre dauern wird, bis der Heringsbestand wieder im grünen Bereich ist und die Fangquoten wieder Stück für Stück angehoben werden können.

Woran der Rückgang beim Dorsch liegt, wissen die Forscher noch nicht eindeutig, da sie keinen klaren ökologischen Mechanismus erkennen können. Die jahrelange Überfischung spielt da jedoch eine Rolle. Außerdem gibt es seit 2015 nur noch sehr wenig Nachwuchs. Deshalb wurden strikte Fangquoten festgelegt, die auch für Freizeitfischer gelten. Denn auch ihr Einfluss war enorm: "Da haben die Angler in einzelnen Jahren fast genauso viel Fisch gefangen wie die Berufsfischer - nur auf das deutsche Gebiet bezogen und von der deutschen Küste aus. Deswegen war es naheliegend, dass man die Angler an der Erholung des Bestands beteiligt. Die jetzige Fangbegrenzung von einem Fisch pro Tag sorgt allerdings dafür, dass die gesamte Angelwirtschaft sich ändert", so Zimmermann. Unter diesen Umständen bietet nämlich kaum noch ein Kutter Angeltörns auf der Ostsee an. Auch diese Branche liegt somit quasi still. 

Positive Aussichten: Mehr Schollen-Fang möglich

Die Fangquote der Scholle wurde erneut um 25 Prozent angehoben. Denn ihr Bestand entwickelt sich gut, beobachtet der Rostocker Meereswissenschaftler Zimmermann. Gut geht es aber allen Plattfischbeständen der westlichen Ostsee. Sie haben keine Nachwuchsprobleme, erzielen sogar Rekordzahlen. Ein Grund: Es sind kaum noch Dorsche da, die sie fressen können.

Mit positiven Aussichten geht auch Björn Michalak, Vorsitzender der Fischereigenossenschaft "Greifswalder Bodden" in Wieck, die geltende Fangquote an: "Wir müssen das jetzt so hinnehmen, wie wir das die letzten Jahre auch hingenommen haben. Das ist halt so und das können wir nicht ändern." Durch die Selbstvermarktung in einer Gaststätte und in zwei Geschäften in Greifswald könne man allerdings den Lebensunterhalt weiterhin gut bestreiten, so Michalak. Eine gute Eigenvermarktung und das Einplanen von weniger Fang, lässt ihn deshalb weiterhin positiv in die Zukunft blicken.

Wie sieht die Zukunft der Küstenfischerei aus?

Christopher Zimmermann ist fest davon überzeugt, dass es auch in Zukunft eine deutsche Küstenfischerei geben wird. Wie genau die aussehen kann und soll, entwickelt jetzt eine Leitbildkommission – einberufen vom Bundeslandwirtschaftsministerium. Wissenschaftler wie Christopher Zimmermann sitzen darin, aber auch Fischerei- und Umweltverbände, Touristiker und betroffene Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern.

"Der Förster des Meeres": Der Fischer im Staatsdienst?

Nicht nur die Fangquote bereitet den Fischern Sorgen, sondern auch der Nachwuchs, wie Oliver Greve von der Fischereigenossenschaft Wismarbucht im NDR MV Live erkärt: "Die Fischer sind am Aussterben. Wir müssen uns die Frage stellen, was wir tun müssen, damit es in zehn bis 15 Jahren noch Fischer bei uns im Land gibt, nach 700 oder 800 Jahren in denen es Fischer gab." Das Durchschnittsalter der Fischer liegt momentan bei 57 Jahren und aktuell befinden sich nur zwei Menschen in Mecklenburg-Vorpommern in einer Ausbildung zum Fischer.

Deswegen, so Greve, verfolge man zuammen mit dem zuständigen Ministerium einen Ansatz, dass der Fischer in Zukunft im Staatsdienst auch andere Themen übernimmt. Dazu gehören zum Beispiel Themen wie Umweltschutz, Bestandsschutz, Kultur und Kulturerbe der Fischerei, aber auch touristische Themen. Dafür würde es dann eben eine Grundsicherung vom Staat geben. "Der Arbeitstitel dafür ist eine Art Förster des Meeres - so wie es einen Förster im Wald gibt, der einen Staatsauftrag erledigt, gäbe es dann einen Förster im Meer", so Greve. Nur so könne man auch junge Menschen für diesen Job begeistern.

Zahl der Fischer seit dem Jahr 2000 halbiert

Um zu überleben, setzen die Fischer auf Stillliege-Prämien und Zuschüsse bei den hohen Betriebskosten. Wegen der schwierigen Lage entscheiden sich auch immer mehr Betriebe, Fangschiffe abzuwracken. Im vergangenen Jahr waren noch rund 330 Fischer in Mecklenburg-Vorpommern registriert - nur noch knapp halb so viele wie zur Jahrtausendwende. Im Hinblick auf steigende Betriebskosten und Spritpreise hat der Bund ein Hilfsporgramm und weitere Entlastungen in Aussicht gestellt. Die maximal zulässige Hilfe pro Betrieb wurde von 35.000 auf 70.000 Euro angehoben.

 

Weitere Informationen
Ein Fischkutter auf See. © Screenshot

Ab 2023 erneut starke Einschränkungen für Ostseefischer

Laut einer WWF-Biologin sind die Dorsch- und Hering-Bestände in "unfassbar schlechtem" Zustand. Für den Fang gelten weiterhin drastische Senkungen. mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 18.10.2022 | 19:30 Uhr

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Fischerei

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